# taz.de -- Angriff auf Reporterin in Tschetschenien: Held*innen von heute
       
       > Kritik ist in Tschetschenien gefährlich. Nun leitet Moskau Ermittlungen
       > zur geschlagenen Journalistin Milaschina ein. Es dürfte wenig dabei
       > herauskommen.
       
 (IMG) Bild: Die Investigativjournalistin Elena Milaschina geht mit ihren Verletzungen an die Öffentlichkeit
       
       Wer sich mit Menschenrechten in Tschetschenien und denen, die sich für sie
       einsetzen, beschäftigt, wird bescheiden. Im Falle der
       Investigativjournalistin Jelena Milaschina und ihres Anwalts Alexander
       Nemow, die letzten Dienstag auf dem Weg zu einem Gerichtsprozess in der
       russischen Teilrepublik [1][krankenhausreif geprügelt] wurden, heißt das:
       Immerhin – sie sind mit dem Leben gerade noch einmal davon gekommen.
       
       Kritiker*innen kaltblütig zur Strecke zu bringen, hat in Tschetschenien
       Methode. Präsident Ramsan Kadyrow, der seit 16 Jahren an der Macht ist, hat
       mit Duldung Moskaus ein veritables Terrorregime errichtet. Stellvertretend
       für viele sei an [2][Anna Politkowskaja] erinnert, die 2006 in Moskau
       erschossen wurde. Die Journalistin berichtete über Tschetschenien für die
       oppositionelle Nowaja Gazeta. Dort ist auch Jelena Milaschina tätig.
       
       Sie geht, wie alle anderen Mitarbeiter*innen auch, ein besonders hohes
       Risiko ein, seit diesem Medium in Russland die Lizenz entzogen wurde. 2009
       wurde die russisch-tschetschenische Menschenrechtsaktivistin Natalja
       Estemirowa regelrecht hingerichtet. Dass, jenseits von Bauernopfern, die
       Täter für ihre Verbrechen zur Verantwortung gezogen worden wären, ist nicht
       überliefert.
       
       Und jetzt wieder business as usual? Nicht ganz. Aus dem Kreml verlautete,
       schnell eine Erklärung abgeben zu müssen, genauso wie Kadyrow, wenngleich
       die Aussage seines tschetschenischen Informationsministers, der Überfall
       trage die Handschrift westlicher Geheimdienste, komplett absurd ist.
       Angeblich wurde nach einer entsprechenden Intervention zweier Moskauer
       Abgeordneter bei der Generalstaatsanwaltschaft sogar ein
       Ermittlungsverfahren eingeleitet.
       
       ## Die Jagd auf Journalist*innen geht weiter
       
       Einmal abgesehen davon, dass dieses ins Leere laufen dürfte, Fakt ist: Die
       Reaktionen lassen tief blicken. Denn so einiges deutet darauf hin, dass wir
       es mit den Nachwehen des kurzlebigen [3][Aufstandsversuches von Wagner-Chef
       Jewgeni Prigoschin] zu tun haben. Anders gesagt: Moskau befürchtet, auch
       die Situation in Tschetschenien könnte aus dem Ruder laufen.
       
       Und Kadyrow, dessen Kämpfer in der Ukraine in ihrer Brutalität den
       Wagner-Leuten in nichts nachstehen, könnte durch seine Alleingänge das
       gesamte Regime in Russland destabilisieren. Aber auch ein anderes Szenario
       ist nicht abwegig. Kadyrow hat sich in Tschetschenien viele Feinde gemacht.
       Und die könnten jetzt damit anfangen, alte und neue Rechnungen zu
       begleichen.
       
       Wer auch immer hinter diesem menschenverachtenden Angriff steckt – die Jagd
       auf diejenigen, die nicht schweigen wollen, wird weiter gehen, ob in
       Tschetschenien oder anderswo in Russland. Das nächste Mal könnte sie wieder
       tödlich enden.
       
       7 Jul 2023
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Oertel
       
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