# taz.de -- Nachruf auf einen Entdecker: Enzyklopädie des Spiels
       
       > Der Fußball der Frauen war das Lebensthema des Journalisten Rainer
       > Hennies. Er hat es schon beackert, als es für andere noch Niemandsland
       > war.
       
 (IMG) Bild: Mexiko gegen Jamaika 2014
       
       In diesen Tagen der Fußball-WM der Frauen würde Rainer Hennies zum
       Telefonhörer greifen, die Sportredaktion auch der taz anrufen und ganz
       gewiss eine Geschichte über Beverly Ranger und ihre sportlichen „Erbinnen“
       anbieten. Zum Überraschungsteam aus Jamaika würde er nicht aufschreiben,
       was es jetzt gerade ausmacht in ihrer defensiven Stabilität, die sie ohne
       Gegentor ins Achtelfinale getragen hat.
       
       Rainer Hennies, gewiss ein Unikum, [1][würde weit in die Vergangenheit
       zurückblicken], als jene Beverly Ranger der erste echte Star im deutschen
       Frauenfußball war. Auf irgendwelchen Wegen, die Hennies genau beschreiben
       könnte, fand die Jamaikanerin vor fünf Jahrzehnten nach Deutschland,
       erzielte 1975 in ihrem unnachahmlichen Stil als Dribbelkönigin ein Tor des
       Monats und prägte die frühen Jahre des deutschen Frauenfußballs vor allem
       im Trikot der SSG Bergisch-Gladbach.
       
       Der längst untergegangene Klub ist bis heute Rekordmeister. [2][Das
       Ausscheiden des deutschen Teams] würde ihn derweil gar nicht so sehr
       beschäftigen. Hennies würde vermutlich stattdessen einen Text verfassen zur
       Entwicklung des marokkanischen Nationalteams, das vom sportlichen Desaster
       der deutschen Frauen profitiert hat.
       
       Aber Rainer Hennies ist im Juli gestorben, kurz vor dem Turnier. Er wurde
       nur 63 Jahre alt, Krankheiten hatten seinem Körper zu stark zugesetzt.
       Seinem Gemüt und seiner Begeisterung für den Fußball der Frauen aber
       konnten sie nichts anhaben.
       
       ## Neugierige Freude
       
       Menschen, die noch zuletzt Kontakt mit ihm hatten, bestätigen, dass er sich
       seine neugierige Freude bewahrt hat. Diese Einstellung war es, die ihn
       schon in den achtziger Jahren zum Frauenfußball geführt hatte. [3][Die
       ersten Länderspiele eines deutschen Nationalteams] waren so etwas wie
       journalistisches Niemandsland. Außer Hennies befasste sich niemand
       intensiver mit der zarten Pflanze, die da heranwuchs.
       
       Hennies war auch der einzige Journalist, der beim einzigen Länderspiel
       einer DDR-Auswahl im Mai 1990 gegen die Tschechoslowakei zugegen war. Er
       kannte alle und jede. Gelegentlich bahnte er ausländischen Spielerinnen gar
       den Weg in die Bundesliga, nicht als Spielerberater, eher als Idealist.
       
       Hennies war dabei kein unkritischer Begleiter, aber ein Verfechter des
       Rechts der Frauen auf Fußball. Und er schrieb Geschichten auf, die sich
       gelegentlich wie Märchen aus tausendundeiner Nacht gelesen haben, [4][wenn
       in der arabischen Welt allen gängigen Vorurteilen zum Trotz Mädchen und
       Frauen gefördert wurden]. Er schrieb das nicht ideologisch aufgeladen auf,
       sondern aus einer Grundhaltung, die man wohl humanistisch nennen darf.
       
       2007, nach einer denkwürdigen WM in China, überredete ich Rainer, gemeinsam
       mit mir als Novizen in „seinem“ Revier ein Standardwerk über den
       Frauenfußball zu verfassen. Das Buch wäre ohne ihn undenkbar gewesen.
       Unvergessen ist eine gemeinsame Recherchereise zum Algarve-Cup nach
       Portugal, damals so etwas wie der Szenetreffpunkt der Welt des
       Frauenfußballs.
       
       ## Weltweit wohl einzigartig, nun fast verloren
       
       Nahezu jede Akteurin, die irgendeine Bedeutung hatte, seien es
       Trainerinnen, Spielführerinnen oder die Schiedsrichterchefin, kannte Rainer
       Hennies, alle begegneten ihm mit Offenheit, als männliche Eindringlinge in
       die noch recht verschlossene Szene oftmals noch beargwöhnt wurden. Rainer
       Hennies aber war akzeptiert, weil er wusste, worum es ging.
       
       Zuletzt, als der Fußball der Frauen allzu oft politisch aufgeladen und die
       Entwicklung andererseits aus seiner Sicht allzu unkritisch begleitet wurde,
       schüttelte er gewiss des Öfteren den Kopf. Ihm fehlte bei manch schnellem
       Urteil die Tiefe des Hintergrundwissens. Dieses Wissen, eine Enzyklopädie
       des Fußballs der Frauen, weltweit wohl einzigartig, ist nun fast verloren.
       Nur in seinen Texten lebt es weiter.
       
       Daniel Meuren war lange Jahre journalistischer Begleiter des Frauenfußballs
       für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Gemeinsam mit Rainer Hennies hat er
       das Standardwerk „Frauenfußball – Aus dem Abseits an die Spitze“ verfasst.
       
       4 Aug 2023
       
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