# taz.de -- Modetrend Barbiecore: Pink als Lebensgefühl
       
       > Barbiecore ist der Modetrend der Stunde und ein Ausdruck von Feminismus.
       > Seinen Zenit hat die Ästhetik noch lange nicht erreicht – alles wegen
       > Barbie?
       
 (IMG) Bild: Barbiecore-Ourfits: in Light pink, Hot Pink oder Misty Rose
       
       In eleganten rosé Kostüm oder dem eng anliegenden Kleid in „hot pink“:
       Barbiecore ist der Modetrend der Stunde. Er ist in seiner femininen Optik
       extravagant und überambitioniert pink. Wie [1][Barbie] eben. Aber der Look
       soll auch feministisch sein, sagen die Träger*innen.
       
       Am Donnerstag läuft der lang angekündigte Barbie-Film von Greta Gerwig und
       Noah Baumbach in den Kinos an. Aber bereits im Juni 2022 kam der Trend
       erstmals auf. Damals konnte man erstmals hinter die Kulissen des
       Barbie-Films schauen. Margot Robbie aka Barbie und [2][Ryan Gosling] aka
       Ken skateten in knallbunten Outfits und auf neongelben Inlinern über den
       Boulevard am Venice Beach [3][in Los Angeles].
       
       In demselben Jahr widmete das Modelabel Valentino gemeinsam mit dem
       Farbkonzern Pantone der Farbe Pink eine ganze Kollektion. Popstars von
       Lizzo bis Hailey Bieber liebten den Trend, obwohl über den Film noch nicht
       viel bekannt war außer der Story. Allein die feministische Regisseurin
       Greta „The Great“ Gerwig ließ Gutes erhoffen.
       
       Bereits vor dem Kinostart ist klar, dass „Barbie“ einer der erfolgreichsten
       Filme des Jahres werden wird. Der Film und die vielen
       Marketingkooperationen, die bereits vorab entstanden sind, befeuern
       Barbiecore umso mehr. Alle großen Marken releasen plötzlich
       Barbie-Kollektionen. Und es nimmt kein Ende: Die leuchtend pinke
       Barbie-Xbox, Barbie-Haar- und Zahnbürste, Barbie-Crocks und Barbie-Sneaker,
       Barbie-Surfbretter, Barbie-Donuts. You name it. Egal welches Produkt, es
       wird in einer Barbie-Version zu finden sein.
       
       ## Chirurgin, Nobelpreisträgerin und Präsidentschafts-Kandidatin
       
       Die Puppe existiert seit 64 Jahren und hat in dieser Zeit nicht nur Trends
       aus allen Jahrzehnten getragen. Sie wurde selbst zum Markenzeichen. Barbie
       als OG (Original Girlboss) des vermarktbaren Lifestyle-Feminismus.
       
       Denn sie kann alles sein und sieht dabei immer perfekt aus. In ihren 64
       Jahren arbeitete sie in mehr als 200 Berufen. Es gibt Barbie als Chirurgin,
       Barbie als Nobelpreisträgerin und als Kandidatin für das amerikanische
       Präsidentenamt. Ihrer Erfinderin, Ruth Handler, sagte mal: „Jedes Mädchen
       braucht eine Puppe, durch die es sich in die Zukunft seiner Träume
       projizieren kann.“
       
       Nun soll Barbie – der Film, die Mode, die Puppe – als Wahrzeichen des
       Feminismus funktionieren. Wie passt das zusammen?
       
       Für die Frauenrechtsbewegung der 70er war Barbie das Feindbild schlechthin.
       Dabei war sie 1965 bereits Astronautin. Zu dem Zeitpunkt konnten Frauen in
       der Bundesrepublik nur dann berufstätig sein, wenn das „mit ihren Pflichten
       in Ehe und Familie vereinbar“ war.
       
       Über die Jahrzehnte wurde die Puppe immer wieder auf ihr Äußeres reduziert.
       Sie würde ungesunde Schönheitsideale befördern, vor allem falsche
       Körperbilder, so die Kritik. Zudem wurden ihre pinken bunten femininen
       Looks als unfeministisch betrachtet. Aber mit Femininität ist es so eine
       Sache. Barbiecore reiht sich in eine Reihe von Trends der letzten Jahre
       ein: Pinkcore, Ballettcore, Princesscore. Sie sind sich alle sehr ähnlich
       und nutzen allesamt eine sehr weibliche Ästhetik. Dafür gibt es auch einen
       Begriff, nämlich „Hyperfemininität“.
       
       ## Gegen pink-blaue Binarität
       
       Femininität ist grundsätzlich kein einfaches Thema genau wie die Farbe Pink
       in dem Zusammenhang. Sie wird mit Weiblichkeit assoziiert und steht in der
       pink-blauen Binarität für alte Geschlechternormen. Zugleich nutzen
       feministische Bewegungen ebendiese Farbe, um sich selbst zu empowern. So
       wollen sie die Farbe neu verknüpfen und aus ihrem feministischen Standpunkt
       heraus besetzen.
       
       Die ganze Ästhetik wirkt bekannt. Jogginganzug in all-pink, lange blonde
       Haare, große Sonnenbrille. Klar, das ist Paris Hilton. Der Barbietrend
       reiht sich modisch in diese Zeit ein – im Look von Y2K (bedeutet Year, also
       Jahr 2000), der aktuell die Mode dominiert. Zu Beginn des Jahrzehnts war
       ein Girly-Look mit plüschig-bunten Scrunchies, Pailettentops und viel rosa
       in Mode. Britney Spears und Paris Hilton prägten diesen Stil. Damals
       erschien auch der Film „Natürlich Blond“. Reese Witherspoon spielt die
       Harvard-Studentin Elle Woods mit einem sehr mädchenhaften Look. Vermutlich
       gibt es keine Szene, in der sie nicht Pink trägt. Dabei vermittelt der Film
       vor allem eine Nachricht: Das Aussehen einer Frau sagt rein gar nichts über
       ihren Charakter oder ihre Fähigkeiten aus. Eigentlich ein ziemlich
       feministischer Ansatz.
       
       Damals wollte man sich aber unbedingt von dem Mädchenhaften trennen. Daraus
       entwickelte sich eine Gegenbewegung: die „Pick Me Girls“. Diese Gruppe will
       nicht so sein wie andere Frauen, viel lieber hängt sie mit Männern ab, weil
       die ohnehin viel entspannter seien. In Holzfällerhemd, weißem Shirt und
       Jeans blickten die Pick Me Girls abfällig auf das „Tussigehabe“, das sie
       als rückständig betrachteten. Nirgends kommt das besser zum Ausdruck als in
       dem Kultfilm „Mean Girls“ (deutsch: Girls Club – Vorsicht bissig!), in dem
       die Girl-Girls, die Plastics, als wenig intelligente Zicken dargestellt
       werden, die außer süß auszusehen nichts zu bieten haben. In dem Versuch,
       typisch Weibliches abzulegen, verstärkte der Trend aufs Neue negative
       Klischees vom dummen Blondchen und von Weiblichkeit.
       
       Barbiecore kommt nicht zum ersten Mal zurück. In den 2010ern eignet sich
       Nicky Minaj die Ästhetik an – aber aus der Perspektive einer Frau of Color.
       Genauso wie Barbie waren die Träger*innen des Trends in den 2000ern vor
       allem eins: weiß, dünn und blond. Sowohl das Pick Me Girl als auch die
       Barbie wurden lange vor allem auch aus dieser weißen feministischen
       Perspektive betrachtet. Für Schwarze Frauen, die häufiger als männlich
       betrachtet werden, oder für stark übergewichtige Frauen, für die die
       Modeindustrie zu lange nur unförmige Kleidung produzierte, spielte der
       Ausdruck von Weiblichkeit ohnehin eine ganz andere Rolle.
       
       Anders als in den 2000ern ist Barbiecore heute aber wesentlich inklusiver.
       Alle können mitmachen. Die Modeträger*innen, die im Netz den Trend
       verkörpern, sind nicht nur weiß und blond, sie sind Schwarz, Muslima,
       kurvig, nichtbinär und können eine Behinderung haben.
       
       Der Trend hat eine feministische Nachricht, die unbedingt hängen bleiben
       sollte. Egal wie Menschen sich kleiden, insbesondere FLINTA* – sie sollten
       unabhängig davon ernst genommen werden. Egal ob sie Nadelstreifenanzug oder
       ein leuchtend pinkfarbiges Kleid tragen.
       
       19 Jul 2023
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Adefunmi Olanigan
       
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