# taz.de -- Kinosterben durch „Barbie“-Film: Untergang in Pink
       
       > Der Blockbuster-Film „Barbie“ von Greta Gerwig knackt alle Rekorde. Doch
       > damit ist er nicht die Rettung, sondern der Tod des Kinos.
       
 (IMG) Bild: Ist jetzt ein Filmstar: die Barbie
       
       Normalerweise wartet man im Kino darauf, dass die Werbung endlich zu Ende
       ist und der Film anfängt. [1][Bei „Barbie“] fängt der zweistündige
       Werbeblock der Puppenfirma Mattel mit Filmbeginn erst richtig an.
       
       Der Saal ist rappelvoll, jeder Platz besetzt mit Instagram-Menschen, die
       sich aus der Online-Welt ins Kino getraut haben. Das Publikum ist lauter
       als sonst üblich im Kino [2][und viele sind pink gekleidet].
       
       Das Kino ist tot, heißt es im Zeitalter der Streamingdienste
       kulturpessimistisch. Die Vermarktung von „Barbie“ hingegen ist so
       erfolgreich, dass sie nicht nur Mattel, sondern auch die Filmindustrie
       rettet, behaupten nun manche. Denn viele Cineast*innen meinen, mit den
       Zuschauer*innenzahlen liege der Beweis vor, dass das Kino nicht tot
       sei. Nur: Wenn Barbie der Beweis dafür ist, dass das Kino lebt, dann sollte
       es besser sterben.
       
       Zwar lockt [3][aktuell auch „Oppenheimer“] von Regisseur Christopher Nolan
       Zuschauer*innen in die Kinos, doch so erfolgreich wie sein pinkfarbenes
       Pendant ist er nicht. 235 Millionen Dollar spielten beide Filme zusammen am
       ersten Wochenende in den USA ein, 155 Millionen davon „Barbie“. Die Kassen
       klingeln, das Kino lebt?
       
       ## Vernachlässigte Handlung
       
       Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall: „Barbie“ wird dazu führen, dass der
       Kinosarg noch früher zugenagelt wird. Der Film hat zwar ein paar lustige
       Momente und kluge Gedanken, die einen erfreuen könnten, wenn man sich nicht
       sofort darüber klar würde, dass das Skript von Mattel abgesegnet ist.
       „Barbie“ zeigt, dass Produktfilme eine absurde Popularität erlangen und die
       Handlung dafür vernachlässigt werden kann.
       
       Dass sich die Regisseurin Greta Gerwig, die einst der Indie-Bubble
       angehörte, für diesen Film verkaufte, hinterlässt einen bitteren
       Beigeschmack. Alles Antikapitalistische, alles Feministische, alles
       Konsumkritische von irgendeinem Mattel-Image-Heini genehmigt, weil seine
       Marktanalyse ergab, dass genau das von den Konsument*innen dankend
       verschlungen wird.
       
       Dass die Barbie-Puppe unrealistische Schönheitsstandards verkörpert, macht
       letztlich keinen Unterschied, sagt uns der Film. Weil man als Frau ohnehin
       nichts richtig machen könne. Weil zu viele Maßstäbe angelegt werden, als
       dass eine Frau sie erfüllen könnte – egal ob dick oder dünn. Das ist
       natürlich sehr praktisch für Mattel, die sich so jeglicher Verantwortung
       entziehen. Der Mattel-CEO, im Film gespielt von Will Ferrell, ist
       lächerlich und idiotisch, um nicht den Verdacht aufkommen zu lassen, dass
       der Film Konzernpropaganda enthalten könnte.
       
       ## Erfolg durch teures Marketing
       
       Worum es in dem Film geht, was seine Botschaft ist, und warum uns
       ausgerechnet ein Konzern wie Mattel diese mitteilen will, wird nicht klar.
       Selbst die Aussage „Feminismus ist gut“ gelingt ihnen nicht. Denn in den
       letzten Minuten des vermeintlich emanzipatorischen Filmes wird „Barbie“ von
       ihrer Schöpferin aufgefordert, etwas zu fühlen. Es folgt ein
       Zusammenschnitt verschiedener Aufnahmen vieler glücklicher Mütter mit ihren
       Kindern. Am Ende ist es also das Muttersein, das die emotionale Erfüllung
       einer Frau ausmacht.
       
       In einer Zeit, in der Autor*innen in Hollywood gegen die Verwendung von
       künstlicher Intelligenz streiken, fühlt sich der größte Kinoerfolg des
       Jahres ironischerweise nach einem KI-Produkt an. Jede gewollte Tiefe bleibt
       flach. Jede erzwungene Sentimentalität lässt einen plastikkalt.
       
       150 Millionen Dollar sollen für das Marketing des Films ausgegeben worden
       sein. Man konnte sich dem Pink in den letzten Wochen kaum entziehen. Google
       färbte sich pink, wenn man den Film oder die Schauspieler*innen
       nachschlug. Burger King Brasilien verkaufte Barbie-Burger und
       „Progressive“, eine US-amerikanische Versicherungsfirma, filmte einen
       Barbie-inspirierten Werbespot.
       
       Die Produktion des Films selbst kostete übrigens nur 145 Millionen Dollar.
       Eine gute Nachricht fürs Kino also: Wer mehr Asche für das Marketing als
       für den Film verprassen kann, dem ist der Erfolg quasi sicher.
       
       25 Jul 2023
       
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