# taz.de -- Zappanale in Bad Doberan: Frank Zappa lebt
       
       > Seit 30 Jahren feiert ein Festival in MeckPomm den Rockmusiker und seine
       > Musik. Das Treffen von Fans und Freaks hat einen eigenen Charme.
       
 (IMG) Bild: Frank Zappa ist in Bad Doberan dabei – als lebensgroße Puppe
       
       Mehr als 40 Jahre ist es her, da zog der US-Musiker Frank Zappa durchs Land
       und sammelte bei seinen Konzerten Damenunterwäsche ein. Gebraucht sollte
       sie sein, ungewaschen, Zappa legte großen Wert auf Spuren ihrer
       zweckbestimmten Nutzung. Er wickelte sich einen Turban aus all den
       Schlüpfern und übergab sie später einer Künstlerin, die sie zu einem Quilt
       verarbeitete und in einem Museum ausstellte.
       
       Am 14. Juli 2023 fliegt ein einzelner rosa Schlüpfer auf eine Bühne, die
       auf der Galopprennbahn bei [1][Bad Doberan] steht. Jochen Arenz,
       amtierender Bürgermeister der Stadt, hält ihn hoch und lacht. „Have Fun!“,
       ruft er dem Publikum zu – die 32. Ausgabe der [2][Zappanale] hat begonnen.
       Drei Tage lang werden an der Ostsee Frank Zappas Musik, seine Weltsicht,
       sein Bart und sein Humor gefeiert. Die Fans strömen herbei – aus
       Deutschland, Österreich, Schweden, Italien, Spanien, selbst aus Japan und
       natürlich aus den USA. Viele Musiker sind da, auch manche, die noch mit
       Zappa selbst auf der Bühne standen.
       
       Ein paar Kilometer weiter, am Ostseestand in Börgerende, sagt ein Badegast,
       der gerade ein Fischbrötchen verzehrt: „Was ist das überhaupt, die
       [3][Zappanale]? Okay, wenn man die Musik im Radio hört, dann kennt man sie
       wahrscheinlich.“
       
       Wohl eher nicht. Der einzige Zappa-Song, der hin und wieder im Radio läuft,
       ist nach wie vor „Bobby Brown“, ein Hit mit zotigem Text aus dem Jahr 1979.
       Frank Zappa veröffentlichte zu Lebzeiten mehr als 60 Alben, seit seinem Tod
       sind etliche weitere Aufnahmen erschienen.
       
       ## Zappa war nie da
       
       Zappa war der Rockmusiker, der mit dem Gestus eines ausgeflippten
       Komponisten auftrat; er brachte in einem einzigen Song mehr Melodien,
       Rhythmuswechsel, Stilzitate unter, als andere in ihrem Lebenswerk. Er galt
       als Bürgerschreck, war das Idol der Freaks. Er provozierte, spottete, zog
       alle Welt und sich selbst genüsslich durch den Kakao. Zappa sang von
       Orgasmuswetten und Plastikpuppen, schrieb klassizistische Miniopern über
       das ausschweifend einvernehmliche Liebesleben von Rockmusikern und
       Groupies. Ein Poster, seinerzeit Standardausstattung jeder
       Wohngemeinschaft, zeigt ihn mit heruntergelassenen Hosen auf der
       Toilettenschüssel.
       
       Frank Zappa war Kettenraucher, Kaffeetrinker, Drogengegner, Demokrat. Er
       setzte sich ein für einen gemäßigten Kapitalismus, forderte seine Fans auf,
       zur Wahl zu gehen, und kandidierte, ehe er am 4. Dezember 1993 an den
       Folgen einer Krebserkrankung starb, für das Amt des US-amerikanischen
       Präsidenten.
       
       Das war vor 30 Jahren. Damals, noch zu Zappas Lebzeiten, entstand die
       Zappanale. Während sich auf der Galopprennbahn die Bands abwechseln, sitzt
       Peter Görs, ihr Gründer, die „Urmutter der Zappanale“, in den Räumen einer
       Ausstellung im Herzen von Bad Doberan. Dort zeigt er seine eigenen Gemälde
       – mal abstrakt, mal zappaesk.
       
       Am Anfang, erzählt Görs, waren eine Band und ein paar Kisten Bier in einer
       Klosterruine bei Bad Doberan. Bald begann das Festival zu wachsen, bald
       wurde ein Verein zu seiner Unterstützung gegründet, die Arf Society,
       schließlich eine GmbH. „Damals, am Anfang, haben wir auch einmal an Zappa
       geschrieben und ihn eingeladen.“ Zappa kam nicht, nach seinem Tod jedoch
       machten die Fans die unliebsame Bekanntschaft mit seiner Witwe Gail: Sie
       zerrte die Zappanale vor Gericht – ohne Erfolg.
       
       Einen Stock tiefer in der Ausstellung in Bad Doberan sind die Bilder und
       Objekte von Helmut King zu sehen. King stammt aus Bregenz und verwandelt
       die Rockmusik in einen grellen Comic-Strip: Da werden auch Bob Marley, Jimi
       Hendrix und andere zu feuerspeienden, gitarrenschwingenden Figuren. King,
       ein überzeugter Nichtraucher, sammelt und bemalt auch mit allergrößtem
       Fleiß Zigarettenschachteln, bastelt kunterbunte und absurde Türme oder
       Maschinen aus ihnen. Zappas quirlig komplizierte Musik hat diese Wirkung:
       Ihre Fans zeigen eine ungebremste, kindlich-heitere Kreativität.
       
       „In Zappa“, sagt Martin, „kannst du eine gewisse Freiheit finden. Du kannst
       einfach so sein, wie du bist, ohne dass das jemanden stört oder du dich
       erklären musst. Das ist es, weshalb wir alle hier sind.“ Martin – unter
       Fans duzt man sich – stammt aus Karlsruhe, lebt in Berlin, und ist der
       Zeltmeister der Zappateers, einer Gruppe besonders inniger Fans. Auf dem
       Campingplatz beim Festivalgelände steht ihr Zelt, dort trifft man sich zur
       Zappa-Fachsimpelei, trinkt Sherry aus Flaschen im Zappa-Design, dort gaben
       sich in früheren Jahren auch schon Zappa-Musiker die Ehre und spielten ein
       kleines Extrakonzert.
       
       2023, hat Martin beobachtet, zieht die Zappanale weniger Besucher an: „Die
       Bedingungen haben sich verändert, die Preise sind gestiegen, wir dürfen
       hier auch nicht mehr umsonst campen.“ Davor aber, sagt er, seien die Fans
       von Jahr zu Jahr mehr geworden, seien auch Jüngere hinzugekommen: „Das
       waren zum Teil schon Kinder von alten Zappa-Fans, die auch wieder andere
       Leute mitbrachten, die noch nie was von der Zappanale gehört hatten.“
       
       Am Tisch im Zelt der Zappateers sitzt Jan aus Norwegen und grinst unter
       einer Kopfbedeckung hervor, die ein Monster darstellt, über das Zappa in
       seinem Song „Cheepnis“ singt. Villa, Jans Tochter, ist 22 und trägt ein
       aufgeklebtes Zappa-Bärtchen: Sie kam mit ihrem Vater nach Bad Doberan, sie
       hat längst Gefallen an Zappas Musik gefunden.
       
       ## Freaks, Nostalgiker und Avantgardisten
       
       Die Zappanale besitzt ihren ganz eigenen Charme, der viele gleich gefangen
       nimmt, ihnen die Ohren öffnet auch für die komplexe Musik. Man sieht Gäste,
       die sich aufwändig kostümiert haben, und solche, die ganz alltäglich
       daherkommen. Die Altfreaks sind da, die Jazzer, Avantgardisten, die
       Nostalgiker und Nonkonformisten: Die Zappanale ist ihre kleine Utopie.
       Zappa-Fans sind sie alle, aber nicht nur – Rolf und Pieter aus München
       beispielsweise haben eine eigene Band namens Die Geschäftsführer und
       spielen „Baumarkttechno“. Sie tragen enorme Sombreros und schwärmen: „Es
       ist ein riesengroßes Universum an Musik, das hier abgedeckt wird!“
       
       Zum Spektrum gehört im Jahr 2023 ein Auftritt der Schlagzeugerlegende Billy
       Cobham. Und Jon Anderson spielt, einst Frontmann der progressiven
       [4][Rockband Yes]. Er wird begleitet von den Schülerinnen und Schülern der
       Paul Green Rock Academy, einer US-amerikanischen Elitemusikschule, die oft
       schon nach Bad Doberan kam: Junge Menschen zwischen 14 und 20, die auch ihr
       eigenes Zappa-Programm auf die Bühne bringen, mit verblüffender
       Virtuosität. Die Reise nach Europa haben ihre Eltern finanziert – für die
       Kinder ist sie der krönende Abschluss ihrer Ausbildung.
       
       Zum ersten Mal auf der Zappanale spielte 2023 das Bundespolizeiorchester
       Berlin, gleich zu Beginn. „Who Are the Brain Police“, Zappas Song über die
       Gedankenpolizei einer dystopischen Zukunft, gehörte nicht zu ihrem
       Repertoire – dafür das jazzige „Twenty Small Cigars“ und Coverversionen
       anderer Altrockstars wie Carlos Santana.
       
       „Die Security-Leute wollen alle zur Zappanale“, erzählt Peter Görs, ihr
       Gründer. „Sie wissen, dass sie dort nichts zu tun haben. Hier ist es
       friedlich, da fällt höchstens einmal einer betrunken um.“ Dass die
       Zappanale so alt werden soll wie die DDR, 41 Jahre also – das versprach
       Wolfhard Kutz als Veranstalter des Festivals bei der Eröffnung am
       Freitagabend. Peter Görs glaubt daran, unbedingt. Zwar altern die Fans und
       die Musiker – aber das Publikum ist treu, die Zappa-Welt schaut auf Bad
       Doberan, die Fans können sich ihr Festival leisten, das nächste ist bereits
       geplant.
       
       Einer von ihnen geht umher, mit einer E-Gitarre, spielt in einer weiten
       Baumallee, die zwischen Campingplatz und dem Zappanale-Gelände liegt,
       spaziert mit seinen Gitarrenklängen in die Ferne, verschwindet zwischen den
       Bäumen…
       
       21 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Morawitzky
       
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