# taz.de -- Neues Staatsbürgerrecht: Staatsbürgerreform beschlossen
       
       > Das Kabinett hat den Entwurf von Innenministerin Faeser gebilligt. Grüne
       > und Linke kritisieren fehlende Ausnahmen für arme Menschen.
       
 (IMG) Bild: Wird für soziale Härte kritisiert: Bundesinneministerin Nancy Faeser am Mittwoch
       
       BERLIN taz | Die Bundesregierung hat eine Neuregelung des deutschen
       Staatsbürgerrechts beschlossen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD)
       sprach am Mittwoch in Berlin von „einem der wichtigsten Reformprojekte der
       Ampel“. Die Union kritisierte den Beschluss als „falsches Signal“. Aber
       auch einige Grünen- und SPD-Politiker*innen sowie Verbände sind
       unglücklich, weil Ausnahmeregeln für Kinder, Pflegende und Alleinerziehende
       gestrichen werden sollen.
       
       Der beschlossene Entwurf sieht vor, dass sich Ausländer*innen künftig
       nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland einbürgern lassen können, statt
       wie bisher nach acht. Bei besonderen Integrationsleistungen lässt sich die
       Frist sogar auf drei Jahre verkürzen, etwa bei guten Sprachkenntnissen,
       ehrenamtlichem Engagement oder besonderen Arbeitsleistungen. Faeser betonte
       hier die Bedeutung dieser neuen Regelung insbesondere für die Anwerbung
       dringend benötigter Fachrkräfte aus dem Ausland. Man befinde sich in einem
       „weltweiten Wettbewerb um die besten Köpfe“.
       
       Man wolle die Leistung von Menschen würdigen, die als sogenannte
       Gastarbeiter*innen in die BRD oder als Vertragsarbeiter*innen in
       die DDR kamen, sagte Faeser. Diese Menschen sollen künftig für eine
       Einbürgerung statt einem regulären Sprachnachweis nur noch die „Fähigkeit
       zur mündlichen Verständigung“ nachweisen müssen. Auch der Einbürgerungstest
       entfällt für sie.
       
       In Deutschland geborene Kinder sollen künftig automatisch die deutsche
       Staatsbürgerschaft erhalten, wenn mindestens ein Elternteil sich seit
       mindestens fünf Jahren legal in Deutschland aufhält. Wer wegen
       antisemitischer, rassistischer, sexistischer oder demokratiefeindlicher
       Taten verurteilt wurde, soll dagegen künftig noch konsequenter von der
       Einbürgerung ausgeschlossen werden.
       
       ## Unmut bei Teilen von SPD und Grünen
       
       Und auch die doppelte oder mehrfache Staatsbürgerschaft soll künftig
       möglich sein. Faeser nannte dies einen „lange überfälligen
       Paradigmenwechsel“. Um das Thema hatte es in vorangegangenen
       Legislaturperioden harte Debatten gegeben, insbesondere CDU und CSU hatten
       sich stets gegen eine solche Regelung gestellt: Am Mittwoch warnte die
       CSU-Politikerin Andrea Lindholz, es drohten dadurch politische
       Einflussmöglichkeiten für ausländische Staaten.
       
       Doch auch in den Reihen von SPD und Grünen gibt es Unmut – wenn auch aus
       anderen Gründen. Der Entwurf streicht [1][eine bisher geltende
       Ausnahmeregelung], wonach die Einbürgerung von Ausländern auch dann möglich
       ist, wenn sie Sozialleistungen beziehen, diese aber „nicht zu vertreten
       haben“.
       
       Das betraf bisher etwa die Kinder armer Eltern oder auch Menschen, die
       Angehörige pflegen oder eine Behinderung haben. Das neue Gesetz sieht
       stattdessen eine Härtefallregelung vor. Statt eines Anspruchs gäbe es dann
       also eine Ermessensentscheidung nach individueller Prüfung. Faeser selbst
       sagte am Mittwoch: „Hier haben wir eher verschärft.“
       
       Der SPD-Abgeordnete Hakan Demir begrüßte den Entwurf gegenüber der taz zwar
       grundsätzlich. Er sagte aber auch: „Eine Person, die Care-Arbeit leistet,
       in Teilzeit beschäftigt ist und dadurch aufstocken muss, oder Menschen mit
       Behinderung müssen auch eingebürgert werden können.“ Er werde sich dafür
       einsetzen, dass eine entsprechende Passage in den Gesetzentwurf aufgenommen
       wird.
       
       ## ProAsyl beklagt harte Regeln für Geflüchtete
       
       Auch die Grünen-Rechtspolitikerin Canan Bayram nannte den Entwurf zwar
       einen „Meilenstein in der Einbürgerungspolitik“, kritisierte aber dessen
       „Schwächen“ bei den Sonderregeln für Menschen, die Sozialleistungen
       beziehen. „Wir werden uns im jetzt anstehenden parlamentarischen Verfahren
       dafür einsetzen, hier noch Verbesserungen für die Betroffenen zu
       erreichen.“
       
       Und auch die unabhängige Antidiskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman
       begrüßte den Beschluss grundsätzlich, übte aber ebenfalls Kritik an den
       fehlenden Ausnahmeregelungen für bestimmte Personen. Sie teilte mit, es
       müsse „der Erwerbssituation von Alleinerziehenden, Älteren und Menschen mit
       Behinderungen bei den Anforderungen an die Lebensunterhaltssicherung
       weiterhin Rechnung getragen werden.“ Die Erleichterungen für Gast- und
       Vertragsarbeiter*innen müssten zudem auch für deren nachgezogene
       Ehepartner*innen gelten.
       
       Die Linken-Abgeordnete Gökay Akbulut nannte die gestrichenen Ausnahmen
       „eine drastische Verschärfung“ und sprach von „sozialer Arroganz“, die
       „nicht akzeptabel“ sei.
       
       Das Bündnis „Passt uns allen“ aus über 50 migrantischen und
       antirassistischen Organisationen übte am Mittwoch nicht nur Kritik an den
       fehlenden Ausnahmereglungen: „Dass Staatenlose im aktuellen Gesetzesentwurf
       immer noch nicht berücksichtigt werden, ist inakzeptabel“, sagte
       [2][Christiana Bukalo], Vorsitzende der Organisation Statefree. Es stelle
       sich nun die Frage, „ob es sich tatsächlich um Unwissenheit oder vielmehr
       um die bewusste Missachtung und Diskriminierung staatenloser Menschen in
       Deutschland handelt.“
       
       Pro Asyl kritisierte, dass für eine Einbürgerung weiterhin in allen Fällen
       der bisherige Pass vorgelegt werden muss. Dies sei etwa für Geflüchtete aus
       Syrien ein großes Problem: „Menschen, die vor Verfolgung und Folter
       geflohen sind und eingebürgert werden wollen, dürfen nicht weiterhin in die
       Botschaften ihrer Verfolger oder Folterer geschickt werden“, sagte der
       fluchtpolitische Sprecher der NGO, Tareq Alaows. „Dieser Umstand stellt
       eine besondere Härte dar und muss im parlamentarischen Verfahren unbedingt
       abgeschafft werden“.
       
       Der Gesetzentwurf wird in den nächsten Wochen in den Bundestag eingebracht.
       Faeser hofft, dass die neuen Regelungen schon Anfang 2024 in Kraft treten
       können.
       
       23 Aug 2023
       
       ## LINKS
       
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