# taz.de -- Extremwetter in Afghanistan: Dauerdürre und Fluten
       
       > Schlimme Starkregen sind Auswirkungen von Afghanistans Klimakrise. Weil
       > sich die Taliban selbst isoliert haben, fehlen Mittel für
       > Vorsorgemaßnahmen.
       
 (IMG) Bild: Überleben wird immer schwerer: von Überflutungen betroffene Provinz Wardak in Zentralafghanistan am 23. Juli
       
       BERLIN taz | Von schweren Regenfällen ausgelöste Fluten haben in
       Afghanistan Straßen, Ackerland, Stallungen und 900 Wohnhäuser weggespült.
       Das Taliban-Staatsministerium für Katastrophen-Management meldete bislang
       insgesamt 38 Tote und 57 Verletzte; zwei Menschen waren noch vermisst.
       
       Die Behörden zahlten betroffenen Familien erste Hilfen aus und koordinieren
       sich mit der Organisation der Vereinten Nationen (UNO) und
       Hilfsorganisationen.
       
       Die erste Starkregenwelle kam Sonntag früh gegen 2 Uhr. In den Berggebieten
       um die Hauptstadt Kabul brachen über schlafenden Menschen Häuser zusammen,
       die auf dem Land meist aus Lehmziegeln bestehen und flutanfällig sind. Am
       Dienstag und Mittwoch zog die zweite Welle durch 22 der 33 Provinzen des
       Landes. Neue Opferzahlen liegen noch nicht vor. Gleichzeitig haben Teile
       Afghanistans [1][wie derzeit viele andere Länder mit außergewöhnlicher
       Hitze zu kämpfen].
       
       Der jetzige Starkregen ist Folge der klimawandelbedingten Ausdehnung der
       Monsungebiete Südasiens tief nach Afghanistan hinein. Die Schlammfluten,
       die sich in zuvor ausgetrockneten Flussbetten bilden, sind Resultat von
       Dürren, die in Stärke und Frequenz zunehmen.
       
       ## Plus 1,8 Grad seit 1950
       
       Laut der NGO Germanwatch gehörte Afghanistan zwischen 2000 und 2019 zu den
       zwanzig am meisten von Klimaextremen betroffenen Ländern. Rohullah Amin,
       Chef der Abteilung Klimawandel der Nationalen Umweltschutzbehörde NEPA,
       sagte, die Durchschnittstemperatur im Land habe sich seit 1950 um 1,8 Grad
       erhöht.
       
       2023 ist für [2][Afghanistan nun das dritte Dürrejahr in Folge], was im
       Landessüden zu neuen Binnenflüchtlingsbewegungen geführt hat. In den
       vergangenen fünf Jahren sank der Grundwasserspiegel landesweit
       durchschnittlich um elf Meter, meldet die NEPA. Sie gehört zu den wenigen
       seit 2001 mit Hilfe des Westens neu aufgebauten Institutionen, die die
       Taliban nicht aufgelöst haben – [3][im Gegensatz etwa zur
       Menschenrechtskommission].
       
       Die aktuellen Überschwemmungen werden auch durch jahrzehntelange
       kriegsbedingte Entwaldung begünstigt. Nur noch 2,1 Prozent der Fläche
       Afghanistans sind bewaldet, in den 1970ern waren es noch 4,5 Prozent. Die
       [4][Holzmafia treibt Raubbau] mit den besonders wertvollen letzten
       Zedernwäldern des Landes, das war schon unter der westlich gestützten
       Regierung so und setzt sich jetzt unter den Taliban fort. Das Holz ist auf
       Baustellen in Pakistan und am Golf begehrt.
       
       ## Neue Rahmenbedingungen
       
       Der Klimawandel verändert Afghanistan schon seit Jahrzehnten. Die Kriege
       der letzten 40 Jahre überschatteten aber die Folgen. Wettermuster änderten
       sich fundamental. Bis in die 1980er-Jahre kannten die bis dahin meist auf
       dem Land lebenden Afghan*innen zwei regelmäßig auftretende Regenzeiten
       pro Jahr, etwa zwei Wochen im Frühling und eine Woche im Herbst. Darauf
       hatte sich die Landwirtschaft seit Jahrhunderten eingestellt.
       
       Zusammen mit dem Schmelzwasser der – jetzt schrumpfenden – Gletscher in
       Hindukusch und Pamir, die in der warmen Jahreszeit Bäche, Flüsse und
       unterirdische Bewässerungssysteme, sogenannte Karese, speisten, reichte das
       für den Anbau der Grundnahrungsmittel Weizen und Reis. Wegen des Krieges
       verfielen viele Karese, die Dörfer und Talschaften traditionell in
       Gemeinschaftsarbeit in Stand hielten. Die Agrarproduktion ging zurück,
       während die Bevölkerung stark wuchs.
       
       Wegen des Krieges konnte sich kaum eine Umweltbewegung bilden. Vor 2021
       beteiligten sich [5][kleine Gruppen von Jugendlichen an der weltweiten
       Klimastreikbewegung]. Aber auf lokaler Ebene herrscht wegen der offenbaren
       Schäden durchaus Umweltbewusstsein. Im Distrikt Dschaghori baut die
       Bevölkerung in Eigeninitiative gerade einen Damm für Regenwasser. In der
       Provinz Paktia sprachen Stammesräte ein Abholzungsverbot aus.
       
       Die Taliban wollen mit der UNO „technisch“ [6][bei der Bekämpfung von
       Klimaschäden] kooperieren. Sie organisieren Wiederaufforstungskampagnen,
       nicht ohne Seitenhieb auf das westliche Militär, das Wälder und Obstgärten
       zerstörte, die Aufständischen als Deckung dienten. Und sie beschwerten
       sich, dass sie im Dezember nicht zur Umweltkonferenz COP27 nach Ägypten
       eingeladen wurden.
       
       Immerhin habe Afghanistan die Klimaabkommen von Tokio und Paris
       unterzeichnet. Das ist ein Zeichen, dass sie sich daran gebunden fühlen und
       auf ausländische Hilfe hoffen. Nach der Machtübernahme der Taliban hat der
       Westen seine Entwicklungshilfe jedoch eingestellt – und damit auch alle
       Klimaprojekte.
       
       26 Jul 2023
       
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