# taz.de -- Überforderung durch Social Media: WhatsApp macht panisch
       
       > Es gibt Personen, die nie auf Nachrichten reagieren: Unsere Autorin
       > erklärt, warum sie so oft nicht antwortet.
       
 (IMG) Bild: WhatsApp-Symbol mit ungelesenen Nachrichten auf einem Smartphone
       
       Warum antwortest du mir nicht? Ich kann es nicht leiden, wenn Leute mitten
       im Gespräch die Kommunikation abbrechen. Opa sagt übrigens, dass du nie
       antwortest. Hätte gerne eine Antwort auf meine Frage. Krieg ich eine
       Antwort??? Alles gut, hatte keine Antwort erwartet.
       
       Das sind einige Ausschnitte aus meinen Nachrichten. Dazwischen fast täglich
       mein ewiges „Tut mir leid, habe vergessen zu antworten.“ Oder ein kleiner
       Geheimtrick in der Selbstmanipulation: „Ich antworte später“, statt den
       Platz einfach für eine echte Antwort zu nutzen.
       
       Die Prämisse, dass all die Apps, sozialen Medien und Nachrichtenplattformen
       dazu da sind, um sich besser mit anderen zu vernetzen, trifft für mich
       nicht zu. Meine Bildschirmzeit ist, wie es sich für jemanden aus der
       [1][Gen-Z] gehört, nicht gerade niedrig, doch Nachrichten verursachen bei
       mir Panik. Und damit bin ich nicht allein. Eine zu große Informationsmenge
       kann Nutzer_innen überfordern und verringert somit die Wahrscheinlichkeit
       einer Reaktion, erklärt eine [2][Studie von 2020].
       
       Auf meinem Bildschirm entsteht ein Informationsgemenge: Eine
       Geburtstags-Gruppe auf WhatsApp, die nach ein paar Minuten vollgespamt ist.
       Ein Kommilitone, der meint, WhatsApp sei nicht sicher, und darauf besteht,
       Signal zu benutzen. Signal benutzt keiner, deswegen eine Telegram-Gruppe
       für die WG. Dazu kommen Facebook für ältere Familienmitglieder, Instagram,
       Twitter und so weiter.
       
       ## Auch wenig Nachrichten können stressen
       
       Trotzdem liegt mein Versäumnis, Nachrichten zu beantworten, nicht etwa
       daran, dass ich übermäßig viele Freund_innen habe, die ständig etwas von
       mir wollen. Auch wenn nicht viele Nachrichten bei mir ankommen, verursachen
       die, die es tun, eine Antwort-Paralyse.
       
       Mich ärgert es natürlich auch, wenn mir jemand nicht antwortet. Dieses
       Wissen hilft mir allerdings nicht dabei, anderen Leuten das Ärgernis zu
       ersparen. Es ist ein Teufelskreis. Der Stress fängt an, wenn eine
       Benachrichtigung eintrifft, die mehr als einen Daumen hoch als
       Zurkenntnisnahme erfordert. Beantworte ich später, denk ich mir. Sehr
       lustig, im Moment danach. Aber die Antwort-Paralyse hat schon eingesetzt.
       Dann beginnt das Schuldgefühl.
       
       Ich ignoriere die Nachrichten nicht einmal, um sorglos und unerreichbar zu
       sein. Nein, solange ich sie nicht beantworte, kommen sie mir immer und
       immer wieder in den Sinn. Wie kleine Briefchen liegen sie im Briefkasten
       meines Hinterkopfs und machen den immer schwerer, bis die angestaute Schuld
       überwiegt und ich versuche, die Lähmung zu überwinden – oft vergeblich.
       
       Noch schlimmer ist das, was ich intuitives Antworten nenne. Das ist, wenn
       ich in der Panik merke, dass eine Antwort von mir verlangt wird, und ich
       diese dann im Autopilot versende. Stunden später schaue ich mir den Verlauf
       an: „Bin übers Wochenende krank geworden.“ Ich: „Nice.“ Dann drei fette und
       berechtigte Fragezeichen von der anderen Person. Ich kann mich nicht
       erinnern, das getippt zu haben. Hätte besser vielleicht gar nichts
       geschrieben.
       
       „Da es immer mehr zur Norm wird, später zu antworten, befinden sich
       Personen ständig mit einem Rückstand, auf den sie reagieren müssen“ besagt
       die oben erwähnte Studie. Oft lasse ich so viele Nachrichten ins Netz
       laufen, bis ich den Eindruck habe, es würde sich jetzt lohnen, sie zu
       beantworten. Dann nehme ich mir ein paar Stunden Zeit, gehe auf alles
       fürsorglich ein und fühle mich wie ein neuer Mensch, frisch aus dem Ei
       gepellt.
       
       Doch die, denen ich da antworte, sind von keiner Antwort-Paralyse
       betroffen. Schon bald kommen die ersten Antwortsantworten: [3][Mein Handy
       pingt], mein Bildschirm leuchtet auf, immer und immer wieder, und das Spiel
       beginnt von vorne.
       
       25 Aug 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Arbeitsethos-der-Generation-Z/!5947742
 (DIR) [2] https://link.springer.com/article/10.1007/s10588-020-09314-9#Sec14
 (DIR) [3] /Studie-zu-Social-Media-Abhaengigkeit/!5874953
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Valérie Catil
       
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