# taz.de -- Vorwahlen in Argentinien: Kehrtwenden und Schockwellen
       
       > Argentiniens Staatshaushalt steckt in der Krise. Die Ankündigung Javier
       > Mileis, die Zentralbank abzuschaffen, könnte die Spannungen noch
       > verschärfen.
       
 (IMG) Bild: Die Folgen der Kehrtwenden werden noch mehr Inflation, noch mehr Kaufkraftverlust sein
       
       Am Montag erreichten die Schockwellen Argentiniens Finanzmärkte. Zuerst
       wertete die Regierung die Landeswährung ab. Der offizielle Umtauschwert für
       einen Dollar stieg um 22 Prozent auf 365,50 Pesos. Dann erhöhte die
       Zentralbank den Jahresleitzins von 97 auf 118 Prozent. Was als Eindämmung
       einer Flucht aus dem Peso in den Dollar veranlasst worden war, stieß in den
       klandestinen Wechselstuben auf keine Resonanz. Der Preis für die US-Währung
       sprang um satte 80 auf 685 Pesos. Und an der Börse sackten die Aktienkurse
       argentinischer Unternehmen und Staatsanleihen um 11 Prozent ab.
       
       Das eigentliche Beben aber hatte sich bereits am Sonntag bei den Vorwahlen
       zu der Präsidentschaftswahl im Oktober ereignet. Völlig überraschend war
       [1][der selbst erklärte Anarcho-Kapitalist Javier Milei] mit 30 Prozent der
       Stimmen als Bester aus der Kandidat*innenkür hervorgegangen.
       
       Die rechtsliberale Oppositionsallianz Juntos por el Cambio erhielt nur 28
       Prozent und die linksprogressive Regierungsallianz Unión por la Patria
       lediglich 27 Prozent der Stimmen. Jedes Ergebnis hätte sich auf die
       verunsicherten Finanzmärkte ausgewirkt, doch Mileis Ankündigung, die
       Zentralbank abzuschaffen und den Dollar als alleinige Währung installieren
       zu wollen, sorgte erst recht für Hektik und Nervosität.
       
       Vor der Wahl hatte [2][Sergio Massa, Wirtschaftsminister und seit
       Sonntagabend Spitzenkandidat] der linksprogressiven Regierungsallianz Unión
       por la Patria für die Präsidentschaftswahl, gebetsmühlenartig versichert,
       mit ihm werde es keine Abwertung geben. Dann, am Tag danach, die
       Kehrtwende. Die Folgen werden noch mehr Inflation, noch mehr
       Kaufkraftverlust sein. Schon jetzt leben 40 Prozent der
       Argentinier*innen in Armut. Als ob die Regierung die
       Präsidentschaftswahl bereits abgeschrieben hätte.
       
       ## 8 Milliarden Dollar nach Buenos Aires
       
       Massas Kehrtwende ist nichts weniger als ein Offenbarungseid. Bei den
       Staatsfinanzen sieht es düster aus. Seit Wochen verwaltet die Zentralbank
       sogenannte Negativreserven. Alte Dollarschulden können nur mit neuen
       Übergangskrediten getilgt werden. Es ist ein Leben von der Hand in den
       Mund. [3][Nur die Notenpresse läuft mit voller Kraft] und liefert immer
       wertloser werdende Pesos-Scheine. Ausgerechnet der Internationale
       Währungsfonds sorgte am Montag für etwas Beruhigung, als er ankündigte, in
       den nächsten zwei Wochen 8 Milliarden Dollar nach Buenos Aires zu
       überweisen.
       
       Was sich mit dem Ergebnis der Vorwahlen außenpolitisch ändern könnte, wird
       sich bereits beim [4][Gipfeltreffen der Brics-Staaten] (Brasilien,
       Russland, Indien, China und Südafrika) in einer Woche zeigen. Die
       argentinische Regierung bemüht sich bisher um einen Beitritt zu dem
       Schwellenländerbündnis – mit guten Erfolgsaussichten. Sollte im Dezember
       ein rechtsgerichteter Präsident ins Amt kommen, dürften diese Bemühungen
       eingestellt werden und eine stärkere Ausrichtung auf die USA erfolgen.
       
       15 Aug 2023
       
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