# taz.de -- Kunstwerk am Amazon-Tower: Interpretation mit der Spraydose
       
       > Um den öffentlichen Raum zu bereichern, enthüllt der Immobilienentwickler
       > Edge ein mysteriöses Kunstwerk. Doch das scheint nicht allen zu gefallen.
       
 (IMG) Bild: 23 Meter hoch, doch vor dem riesigen Amazon-Tower kaum zu erkennen: Die Skulptur „Reversed Dunk“
       
       An kaum einem Ort in Berlin lassen sich die Blüten der kapitalgetriebenen
       Stadtentwicklung besser bewundern als an der Warschauer Brücke. Nachdem
       erst 2018 mit der [1][East Side Mall] ein architektonisches Juwel
       geschaffen wurde, das an eine Mischung aus WLAN-Router und Raumschiff
       Enterprise erinnert, baut der niederländische Projektentwickler Edge gerade
       an einem 140 Meter hohen Büroturm aus Glas und Beton – der vielen wegen
       seines zukünftigen Hauptmieters unter dem Namen [2][„Amazon Tower“] bekannt
       ist.
       
       Wenig überraschend [3][lösten Mall und Turm im alternativ geprägten Bezirk
       Friedrichshain nur mäßige Begeisterung aus]. Edge, sich dieses Umstands
       vermutlich bewusst, versuchte nun in der vergangenen Woche zumindest die
       kunstaffinen Anwohner:innen mit den in Beton gegossenen Anlageobjekten
       zu versöhnen: Enthüllt wurde das Ergebnis ihres „Kunst am Bau“-Wettbewerbs.
       
       ## Einkaufswagen auf der Spitze
       
       Bei der „Reversed Dunk“ betitelten Skulptur – unübersehbar platziert auf
       der Plattform zwischen Mall und Warschauer Brücke – handelt es sich um eine
       23 Meter hohe schwarze Säule, die in ihrer Form einer Exponential-Kurve
       nachempfunden ist. Auf der Spitze, von unten kaum noch erkennbar, ist ein
       Einkaufswagen platziert, am Fuße der Säule sind Markierungen eines
       Basketball-Courts gezogen.
       
       Nun erschließt sich die Intention von Künstler:innen in den seltensten
       Fällen nach einem flüchtigen Blick auf das Werk. Gute Kunst ist
       vielschichtig und bedarf einiger Interpretationsarbeit. Ein Blick auf die
       Website der Urheber:innen, dem Kunstkollektiv “KIM/ILLI, verrät dann auch:
       „‚Reversed Dunk‘ erkundet die komplizierten Verflechtungen von urbanen
       Dynamiken, historischen Sichtweisen und monumentalen Manifestationen des
       Kapitalismus.“
       
       Elaborierte Kapitalismuskritik also. Doch wie glaubwürdig lässt sich der
       Kapitalismus kritisieren zwischen Berlins 69. Shoppingmall und dem
       zukünftigen Deutschland-Hauptquartier des weltweit größten
       Onlineversandhändlers? Wird der tägliche Anblick einer von einem
       Einkaufswagen gekrönten Wachstumskurve auch nur bei einem der 3.000
       Amazon-Beschäftigten, die hier bald arbeiten werden, irgendetwas anderes
       als Selbstbestätigung auslösen? Eher unwahrscheinlich.
       
       ## Noch so ein Beton-Phallus
       
       Was bleibt, ist ein weiterer Beton-Phallus, der ungewollt den Kapitalismus
       abfeiert. Zum Glück nehmen einige kunstbegeisterte
       Friedrichshainer:innen fortlaufend Verbesserungen an der Skulptur vor:
       Nachdem Unbekannte zunächst in silberner Farbe „Kann weg“ auf die Säule
       gesprüht hatten, wurde sie nur wenige Tage später auch noch mit Farbbomben
       beworfen. Wenn sich die kapitalgetriebene Stadtentwicklung im Herzen
       Berlins schon nicht so leicht verhindern lässt, bleibt sie wenigstens nicht
       unkommentiert.
       
       7 Sep 2023
       
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 (DIR) Jonas Wahmkow
       
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