# taz.de -- Deutschland und Bergkarabach: Zynisch und geschichtsvergessen
       
       > Die deutsche Bundesregierung nimmt Warnungen vor einem Genozid an
       > Armenier:innen nicht ernst. Ein Skandal, der allerdings nicht
       > verwundert.
       
 (IMG) Bild: Bundeskanzler Olaf Scholz und Regierungssprecher Steffen Hebestreit (rechts)
       
       Seit Dezember 2022 leben im südkaukasischen [1][Bergkarabach/Arzach]
       120.000 Armenier:innen in Isolation. Vorsätzlich blockiert
       Aserbaidschan den Latschinkorridor, die einzige Straße, die Armenien und
       Bergkarabach verbindet. Die humanitäre Katastrophe nimmt ihren Lauf: Es
       gibt einen ersten Hungertoten, einen massiven Anstieg von Fehlgeburten und
       enorme medizinische Versorgungsengpässe.
       
       Obwohl Journalist:innen keinen Zugang zum betroffenen Gebiet haben,
       dringen Informationen über die katastrophale Lage über soziale Medien nach
       außen. Zahlreiche internationale Menschenrechtsorganisationen,
       Forscher:innen sowie der frühere erste Chefankläger des
       [2][Internationalen Strafgerichtshofs], Luis Moreno Ocampo, [3][warnen vor
       einem neuen Genozid].
       
       Tatsächlich weckt die Situation bei Betroffenen dunkle Erinnerungen an den
       „Aghet“, den Genozid an armenischen Christ:innen 1915, dem etwa 1,5
       Millionen Menschen zum Opfer fielen. Schon damals nahm das Deutsche
       Kaiserreich diesen in Kauf, als es auf der Seite des osmanischen Reiches
       stand. Nicht zuletzt deshalb mutet die Reaktion der Bundesregierung, genau
       genommen des Regierungssprechers [4][Steffen Hebestreit], zynisch und
       geschichtsvergessen an. Warnungen vor einem erneuten Genozid bezeichnete
       dieser während einer Bundespressekonferenz als „Kampfbegriff“ und
       „Propaganda“ und leitete seine Antwort mit einem arroganten „Na ja“ ein.
       
       Ein Skandal, doch angesichts der zahlreichen Aserbaidschan-Connections von
       über zwei Dutzend Abgeordneten aus allen Parteien und der Bezeichnung des
       Energielieferanten Aserbaidschan als „verlässlicher Partner“ durch Olaf
       Scholz nicht überraschend. Dabei sollte man aus der Erfahrung mit Russland
       gelernt haben, dass günstiges Öl und Gas nicht höher wiegen dürfen als der
       Schutz von Menschenrechten. Bis 2022 betrieb man entgegen allen Warnungen
       aus Ostmitteleuropa und der russischen Opposition Handel mit Putins
       fossiler Autokratie – den gleichen Fehler begeht man heute erneut. Mit
       Sanktionen oder Ähnlichem gegen Ilham Alijews Diktatur wird vorerst nicht
       zu rechnen sein. Den Preis zahlen die Armenier:innen.
       
       24 Aug 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Schwerpunkt-Bergkarabach/!t5217138
 (DIR) [2] /Internationaler-Strafgerichtshof-IStGH/!5746993
 (DIR) [3] /Konflikte-in-Bergkarabach/!5950507
 (DIR) [4] /Regierungssprecher-Steffen-Hebestreit/!5819050
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anastasia Tikhomirova
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Bergkarabach
 (DIR) Bundesregierung
 (DIR) Armenien
 (DIR) Belagerung
 (DIR) Genozid
 (DIR) Schwerpunkt Bergkarabach
 (DIR) Nikol Paschinjan
 (DIR) Schwerpunkt Bergkarabach
 (DIR) Schwerpunkt Bergkarabach
 (DIR) Nikol Paschinjan
 (DIR) Schwerpunkt Bergkarabach
 (DIR) Schwerpunkt Bergkarabach
 (DIR) Schwerpunkt Bergkarabach
 (DIR) Armenien
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Trotz Waffenstillstands in Bergkarabach: Weiter unter Beschuss
       
       Aserbaidschans Artillerie feuert weiter auf Bergkarabach. Armeniens Premier
       Paschinjan bleibt untätig. Beobachter fürchten schlimme Folgen.
       
 (DIR) Nach dem Krieg um Bergkarabach: Ist Paschinjan oder Putin Schuld?
       
       In Armenien ist die Bevölkerung gespaltener Ansicht: Hat der armenische
       Premier Paschinjan das unabhängige Gebiet verraten? Und welche Rolle
       spielte Moskau?
       
 (DIR) Feuerpause in Bergkarabach vereinbart: Armenier in Bergkarabach kapitulieren
       
       Nach dem Angriff Aserbaidschans auf das armenisch besiedelte Bergkarabach
       gilt nun eine Waffenruhe. Die Armenier haben zugestimmt, ihre Waffen
       abzugeben.
       
 (DIR) Kämpfe in Bergkarabach beunruhigen UN: Aserbaidschan schießt weiter
       
       Aserbaidschan solle die Offensive sofort beenden, fordern mehrere Länder
       bei der UN-Generalversammlung. Doch Baku will nur verhandeln, wenn Armenien
       kapituliert.
       
 (DIR) Krieg um Bergkarabach ausgebrochen: Aserbaidschan startet Großangriff
       
       Die Boden- und Luftoffensive richtet sich gegen die armenisch besiedelte
       Enklave Bergkarabach. In Armenien brechen Proteste gegen die untätige
       Regierung aus.
       
 (DIR) Deutschland trägt Mitschuld: Der hingenommene Genozid
       
       Das armenische Bergkarabach wird von der Welt abgeschnitten, die
       Bevölkerung ausgehungert. Das gasreiche Aserbaidschan ist dem Westen
       wichtiger.
       
 (DIR) Konflikte in Bergkarabach: Droht ein Völkermord?
       
       Der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan schwelt, die kleine Region
       Bergkarabach ist zwischen den Gegnern eingekeilt und gefährdet wie nie.
       
 (DIR) Aserbaidschan und Armenien im Krieg: Sie wollen bleiben
       
       In Armenien, nahe der Grenze zu Aserbaidschan, leiden Bewohner unter den
       Angriffen des Nachbarlands. Dennoch wollen sie nicht gehen. Ein Ortsbesuch.
       
 (DIR) Verhältnis zu Russland: Armenien geht auf Distanz
       
       Armenien fühlt sich von Russland im Konflikt mit Aserbaidschan im Stich
       gelassen. Die Absetzbewegungen werden stärker – was den Kreml erzürnt.