# taz.de -- Schulabschlüsse in Deutschland: Mehr Menschen ohne Qualifikation
       
       > Der Anteil der jungen Erwachsenen mit höherem Bildungsabschluss ist
       > gesunken. Vor allem die Zahl der Berufsausbildungen geht zurück.
       
 (IMG) Bild: Auszubildende im Elektrobereich im Berufsbildungszentrum des Stahlproduzenten ArcelorMittal
       
       BERLIN taz | Weniger junge Menschen in Deutschland machen Abitur oder einen
       vergleichbaren Abschluss wie etwa eine Berufsausbildung. Hatten 2015 nur 13
       Prozent der 25- bis 34-Jährigen keinen Abschluss im Sekundarbereich II,
       waren es vergangenes Jahr 16 Prozent. Das teilte die Organisation für
       wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in [1][ihrem
       jährlichen Bildungsbericht] „Bildung auf einen Blick“ mit.
       
       Der Trend in Deutschland läuft der Entwicklung in den anderen OECD-Staaten
       entgegen. Im Schnitt stieg der Anteil der Menschen, die einen Abschluss in
       der Sekundarstufe II machen, von 82 auf 86 Prozent. Länder wie Mexiko,
       Portugal und die Türkei verzeichneten sogar einen Anstieg um mehr als 10
       Prozentpunkte. Nur in Tschechien sank die Zahl der jungen Menschen ohne
       solchen Abschluss ebenfalls um einen Prozentpunkt.
       
       Dabei investiert Deutschland umgerechnet rund 14.700 Euro pro Person in die
       Bildung und liegt damit fast 3.000 Euro über dem OECD-Durchschnitt.
       Gemessen am Bruttoinlandsprodukt sind die Ausgaben mit 4,6 Prozent aber
       etwa 0,5 Punkte niedriger als der Schnitt in der OECD. Besonders in
       Grundschulen und in der Primarstufe fehlt es an Geld.
       
       ## Bundesregierung will Schulen gezielt fördern
       
       Der Staatssekretär im Bildungsministerium, Jens Brandenburg (FDP), äußerte
       sich auf einer Pressekonferenz des OECD Berlin Centre besorgt. „16 Prozent
       – das sind fast 1,7 Millionen junge Erwachsene, die nicht als dringend
       benötigte Fachkräfte zur Verfügung stehen“, sagte er.
       
       Die Bundesregierung plant deshalb das sogenannte Startchancen-Programm:
       Etwa 4.000 Schulen mit Schüler*innen aus prekären Familienverhältnissen
       sollen ab 2024 zehn Jahre lang Geld erhalten. Die Förderung richtet sich
       besonders an Grundschulen.
       
       Eines der größten Probleme kann das geplante Startchancen-Programm aber
       nicht lösen: den [2][Lehrkräftemangel]. Laut der Leiterin des OECD Berlin
       Centre, Nicola Brandt, lässt sich der Rückgang an Abschlüssen in
       Deutschland auch auf fehlendes Personal zurückführen – ebenso wie auf die
       hohen Einwanderungszahlen. „Das Ergebnis zeigt, dass hier wirklich
       politisches Handeln erfordert ist.“
       
       ## Weniger junge Menschen lassen sich ausbilden
       
       Obgleich Fachkräfte hierzulande fehlen, absolvieren auch immer weniger
       junge Menschen eine Berufsausbildung. Waren es 2015 noch 51 Prozent, so
       sank der Wert vergangenes Jahr auf 38 Prozent – ein Minus von 13
       Prozentpunkten. Kein anderes OECD-Industrieland verzeichnet einen solchen
       Rückgang.
       
       Holger Schwannecke, der Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen
       Handwerks (ZDH), verwies auf einen Mangel in seinem Metier: „Im Handwerk
       gibt es aktuell noch über 31.000 offene Ausbildungsplätze, das sind
       tausendfach ungenutzte [3][Bildungs- und Karrierechancen] für junge
       Menschen.“ Auch er sieht die Politik in Bund und Ländern in der Pflicht,
       die berufliche Ausbildung zu stärken. Sie müsse bei der Berufsorientierung
       an Gymnasien stärker berücksichtigt werden.
       
       Diese Unwucht führt dazu, dass die Ausgebildeten rasch Arbeit finden.
       Innerhalb von zwei Jahren haben 94 Prozent einen Job – nur Island steht
       unter den OECD-Ländern noch besser da. Die Ausgebildeten [4][in
       Deutschland] verdienen im Schnitt zwei Drittel mehr als Menschen mit
       niedrigerem Bildungsstand.
       
       Statt einer Berufsausbildung nachzugehen, entscheiden sich junge Erwachsene
       in Deutschland vermehrt für den sogenannten tertiären Bildungsweg – also
       Abschlüsse an Hochschulen sowie Meister-, Techniker- oder
       Fachschulabschlüsse. Etwa 37 Prozent der 25- bis 34-Jährigen konnten im
       vergangenen Jahr einen solchen vorweisen. 2015 waren es nur 30 Prozent.
       
       ## OECD will Ausbildung attraktiver machen
       
       OECD-Generalsekretär Mathias Cormann macht sich in dem Bericht deshalb für
       eine Stärkung der Berufsausbildung stark. In vielen Ländern gelte dieser
       Bildungsweg „immer noch als letzter Ausweg“ und nicht als erste Wahl, „die
       attraktive berufliche Laufbahnen eröffnet“.
       
       Cormann zufolge sollte daher die Industrie stärker in die Berufsausbildung
       eingebunden werden. Arbeitgeber könnten Lehrpläne validieren, um
       sicherzustellen, dass die Inhalte der Ausbildung für die späteren
       Anforderungen am Arbeitsmarkt relevant bleiben. Ferner sollten junge
       Menschen ermutigt werden, schon früh mögliche Arbeitsplätze zu besuchen und
       sich mit Beschäftigten auszutauschen, um einen besseren Überblick über
       verschiedene Berufswege zu bekommen.
       
       Hinweis: In der ursprünglichen Fassung dieses Artikels stand, es gebe immer
       weniger Menschen mit Abitur. Das ist falsch. Laut OECD ist der Anteil von
       Menschen, die weder Abitur noch eine Berufsausbildung haben, gestiegen. Der
       Anteil der AbiturientInnen liegt [5][laut Statistischem Bundesamt] seit gut
       zehn Jahren recht stabil bei rund 34 Prozent. Wir haben den Artikel
       entsprechend geändert. d.Red.
       
       12 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://read.oecd-ilibrary.org/education/bildung-auf-einen-blick-2023_34087b82-de#page1
 (DIR) [2] /Lehrermangel/!5943187
 (DIR) [3] /Lehrerverbandschef-ueber-Bildungskrise/!5938941
 (DIR) [4] /Studie-zu-Lesekompetenz/!5931959
 (DIR) [5] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/Zahl-der-Woche/2023/PD23_27_p002.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Leon Holly
       
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