# taz.de -- „Jägerdenkmal“ in Hohenlockstedt: Finnlands Anker im deutschen Norden
       
       > Das „Jägerdenkmal“ im schleswig-holsteinischen Hohenlockstedt erinnert an
       > militärische Allianzen mit Finnland. Diese gelten bis heute als Erfolg.
       
 (IMG) Bild: Unter die Fittiche genommen vom großen Bruder Deutschland: So steht's seit 1939 in Stein gemeißelt
       
       HOHENLOCKSTEDT taz | Ein Halbrund, darum niedrige Hecken und etwas Zaun,
       davor ein paar Masten zum Flaggenhissen. Gekrönt von einem steinernen
       Stahlhelm, erinnert eine Säule an jene, die 1918 nicht zurückkehrten von
       der Front; eine backsteinerne „Mahnmauer“ soll die Gefallenen aus dem
       Zweiten Weltkrieg vor dem Vergessen bewahren; einem Findling ist in
       Beinahe-Runenschrift eingemeißelt: „Ewig lebt der Toten Tatenruhm“, weitere
       solcher knubbeligen Brocken erwähnen lange verblichene Infanterieregimenter
       von 1917 – oder erinnern an die deutsche [1][Wiedervereinigung] von 1990.
       
       Was wirkt wie ein Schnelldurchgang durchs deutsche 20. Jahrhundert, hier
       vor Ort nennen sie es ihren „Ehrenhain“. 1955 wurden, neben Sportplatz und
       Freiwilliger Feuerwehr, „alle im Ort stehenden Denkmäler“ zusammengeführt,
       [2][verrät die Homepage] des kleinen Museums im Hohenlockstedter
       Wasserturm.
       
       Dass für einen (heute) 6.000-Seelen-Ort auffällig viele an Kriege und,
       verklausuliert, ihre Opfer erinnern, hat mit seiner besonderen Geschichte
       zu tun: Ebenfalls bis Mitte der 1950er-Jahre hieß der Ort „Lockstedter
       Lager“, angelehnt an den Truppenübungsplatz, der hier existierte, lange
       bevor 1927 die Gemeinde gegründet wurde. Ab 1872 übte hier die preußische
       Armee, in Weimarer Zeiten tummelten sich hier demokratiefeindliche
       Rechtsextremisten, Lockstedter Lager gilt als „Wiege der
       schleswig-holsteinischen SA“. Auf dem 1936 gegründeten Flugplatz „Hungriger
       Wolf“ war nach der NS-Zeit dann auch die bundesdeutsche Luftwaffe
       stationiert.
       
       Man kann also den ganzen Ort als Denkmal betrachten – inklusive seiner
       Umbenennung aus Sorge um den, nun ja, guten Ruf; „Lager“ klang 1956 doch
       arg nach der eben erst gestoppten deutschen Vernichtungsmaschinerie.
       
       Tatsächlich: Einen guten Ruf hat das Örtchen bis heute – in Finnland. Das
       Zentrum des „Ehrenhains“, gelegen an einer „Finnischen Allee“, stiftet
       [3][ein 1939 enthüllter, rechteckiger schwarzer Stein] mit eingemeißelten
       Soldatendarstellungen sowie Text auf Deutsch und Finnisch: „Das mächtige
       Deutschland nahm Finnlands junge Männer auf und erzog sie in seinem
       ruhmreichen Heere zu Soldaten.“
       
       Tatsächlich bildete das Deutsche Reich im Lager Lockstedt ab 1915
       Kriegsfreiwillige aus, oft höhere Söhne. Diese „Finnischen Jäger“ sollten
       später den Kern der finnischen Armee bilden: 1917 löste sich das
       „Großfürstentum Finnland“ von Russland – auch mit Hilfe der hier geformten
       „Jäger“.
       
       Den Feind der Feinde stärken – das versuchte das Kaiserreich auch in Afrika
       und dem Nahen Osten, wo es bei den vielfach muslimischen Menschen in den
       Kolonien nach Bündnispartnern gegen Frankreich, Großbritannien und Russland
       suchte. Der Erfolg dieser nachträglich als „Djihad-Strategie“ bezeichneten
       Schritte blieb überschaubar, es erhoben sich nicht massig Unterjochte gegen
       ihre – von Berlin aus gesehen falschen – Kolonisierer.
       
       Dagegen gilt die militärische Entwicklungshilfe im Norden bis heute als
       Erfolg. Freilich: Deutschland hatte sich gleich auch noch einen
       Bündnispartner verschafft für den nächsten Weltkrieg. Es führen mindestens
       einzelne biografische Linien vom Lockstedter Lager auch zum späteren
       „weißen Terror“, als die Wehrmacht, diesmal in Hitlers Auftrag, im
       europäischen Osten wütete.
       
       Schon im Finnischen Bürgerkrieg, Ende 1917 bis Mitte 1918, hatten die
       Deutschen mit ihrer Ausbildung Partei genommen, gegen die „Roten“, die
       vergleichsweise moderaten finnischen Sozialisten, und für die teils brutal
       Vergeltung übenden „Weißen“. Daran aber wird nicht so sehr erinnert, wenn
       alljährlich deutsche und finnische Gäste zum [4][„Finnentag“] anreisen,
       Reden halten, Kränze ablegen, Geschenke austauschen.
       
       Einen kleinen Partner zu stärken gegen einen großen Gegner im Osten, den
       selbst zu bekämpfen sehr viel komplizierter wäre, riskanter auch: Das
       klingt seit dem [5][russischen Überfall auf die Ukraine] wieder sehr
       aktuell. Als Anfang März das vorerst letzte Mal finnische Fahnen in der
       Finnischen Allee wehten, liefen die Verhandlungen über den Nato-Beitritt
       des lange neutralen Landes.
       
       Aber all das Finnische, das eingefriedete Halbrund, ganz Hohenlockstedt
       stehen nicht nur für vergangene Glorie. Gegen alle offiziösen
       Zuschreibungen (wie auch Auslassungen) weist dieser Ort mit den vielen
       Verbindungen zum gewaltsamen Tod immer auch hin auf die Frage selbst: Was
       finden wir glorreich, woran erinnern wir uns – und wie tun wir das? Im
       besten Sinne anstößig also, der schwarze Stein und das, was ihn umgibt.
       
       4 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Wiedervereinigung/!t5021942
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 (DIR) [4] https://www.reservistenverband.de/niedersachsen/lueneburg/aktuelles/526588/
 (DIR) [5] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150
       
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