# taz.de -- Russisch-chinesische Beziehungen: Wang Fangs Ständchen für Putin
       
       > Es ist ein absurder Akt der Solidarität. Auf den Trümmern des
       > Konzertsaals in Mariupol singt eine chinesische Opernsängerin ein
       > russisches Lied.
       
 (IMG) Bild: Junge Russinnen und Russinen halten russische Fähnchen in der besetzten Stadt Mariupol
       
       Die Apfel- und die Birnbäume erblühten, Nebelschwaden lagen über dem Fluss,
       da ging Katjuscha hinaus aufs Ufer, auf das hohe, steile Ufer....“ Dieses
       russische Lied entstand 1938 und wurde binnen weniger Jahre weltweit
       bekannt. Der Name des sowjetischen Katjuscha-Raketenwerfers geht auf das
       Lied zurück. Historiker vergleichen die Rolle Katjuschas für die Soldaten
       an der Front mit der „Lilli Marleen“ für die Deutschen.
       
       [1][Die gefällige Melodie] und das schnulzige Liebesgemurmel einer hübschen
       Russin an die Frontsoldaten im Krieg gegen Hitlerdeutschland brachte doch
       etlichen, kriegsmüden Männern wieder ein wenig Hoffnung, dass für sie noch
       ein Morgen denkbar wäre. Als jüngst dasselbe Lied in der von Russland
       besetzten Stadt Mariupol erklang, erregte es wieder Gemüter. Doch diesmal
       erzürnte es die Menschen.
       
       In Kyjiw protestierte das ukrainische Außenministerium gegen diese
       geschmacklose Aktion, die nichts anderes widerspiegele als einen tiefen
       moralischen Verfall derer, die das Lied vortrugen. Kyjiw verlangte von
       Peking eine offizielle Entschuldigung. Denn es war keine junge Russin, die
       auf den Ruinen eines Konzertsaals [2][in der zerstörten Stadt] die Zeilen
       aus dem Großen Vaterländischen Krieg zum Besten gab, sondern die
       chinesische Opernsängerin Wang Fang.
       
       Sie gehörte zusammen mit ihrem Mann Zhou Xiaoping zu einer Delegation aus
       offiziell zugelassenen Journalisten und Künstlern. Die Gruppe kam, um der
       Republik Donezk, die von Moskaus Segen abhängig ist, einen Besuch
       abzustatten. Bei dem Auftritt handelte es sich keineswegs um den
       Ausrutscher einer einzigen Sängerin. Es ging dabei auch nicht nur um
       Nostalgie oder den Versuch, aus [3][russisch-chinesischer Freundschaft] nun
       die kriegsmüden Kämpfer Wladimir Putins anzuspornen.
       
       ## Solidarität durch die Blume
       
       Zhou Xiaoping, Wang Fangs Ehemann und Mitglied der Politischen
       Konsultativkonferenz Chinas, ließ gar nicht erst Zweifel aufkommen. Bei
       einer Pressekonferenz warf Zhou der Ukraine vor, einen so schönen
       Konzertsaal zerbombt zu haben. Auch das Wort „faschistisch“ war gefallen.
       Damit untermalte Zhou Putins Kriegsrechtfertigung wortgetreu: Er, Putin,
       wolle doch bloß die Ukraine entnazifizieren.
       
       Mehr noch: Zhou Xiaoping ist einer der schärfsten Propagandisten im
       heutigen China, die keine noch so schmierigen Lobhymnen scheuen, um Xi
       Jinping, Chinas starkem Mann und Putins „bestem Freund“, zu huldigen. So
       hatte es fast den Anschein, Zhou und seine Frau hätten nicht nur im Auftrag
       des chinesischen Parteistaats gehandelt, sondern auf Kommando von Xi
       persönlich. Anrüchig war die Episode aus einem weiteren Grund: Bislang
       scheute Peking offiziell keine Mühe, um dem russischen Aggressionskrieg
       Vorschub zu leisten.
       
       Noch Anfang 2023 klopfte Xi seinem Freund Putin auf die Schulter. Mitte
       April sprach Chinas Botschafter in Paris, Lu Shaye, allen ehemaligen
       Sowjetrepubliken, die Ukraine inklusive, vollständige Souveränität ab, um
       Putins Angriffskrieg als Maßnahme zu interpretieren, die lediglich darauf
       abzielte, die russische Souveränität wiederherzustellen. War die jüngste
       Episode nur ein begleitendes Geplänkel eines Künstlerehepaars, um Pekings
       offizielle Russlandpolitik zu untermalen?
       
       Oder entsandte Peking, um den Westen nicht weiter zu provozieren,
       „Privatpersonen“ aus, die „persönlich“ ihre Solidarität bekunden? Wenn
       nötig, könnte sich Peking von jeglicher Beteiligung wieder reinwaschen? So
       wurden vor wenigen Tagen das Video von Wang Fangs Darbietung wie auch Zhous
       Statement zu den „ukrainischen Faschisten“ aus dem Internet gelöscht und
       jegliche Kommentare dazu zensiert. Ganz so, als sei nichts geschehen.
       
       17 Sep 2023
       
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