# taz.de -- Teure Verkehrwende in Hamburg: Eine U-Bahn für über 16 Milliarden
       
       > Hamburgs Senat legt eine Kostenschätzung für die neue U5 vor und hofft,
       > dass der Bund 75 Prozent trägt. Kritiker finden das Vorhaben so oder so
       > zu teuer.
       
 (IMG) Bild: Viele Spaten, viele Milliarden: Bagger-Inszenierung zum Baubeginn der U-Bahn im September 2022
       
       HAMBURG taz | Die Zahlen sähen groß aus, aber die Hamburger müssten sich
       nicht sorgen, so lautete die Botschaft, mit der Bürgermeister Peter
       Tschentscher, Finanzsenator Andreas Dressel (beide SPD) und Verkehrssenator
       Anjes Tjarks (Grüne) am Dienstag im Rathaus vor die Presse traten. Es ging
       um die Kosten der [1][neuen U-Bahn-Linie 5]. Deren 24 Kilometer Strecke vom
       Nordosten über den Jungfernstieg bis zu den Sport-Arenen im Westen soll –
       wenn sie in den 2040ern fertig ist – 14 bis 16,5 Milliarden Euro kosten.
       
       Es handele sich dabei um eine „langfristige Schätzung“, schränkten die drei
       ein. Derzeit lägen die Kosten noch bei 8,8 Milliarden Euro, auf die je nach
       Inflationsrate bis 2041 zwischen 5,3 und 7,7 Milliarden Euro oben drauf
       kämen.
       
       Die zweite gute Botschaft aus Sicht der U-Bahn-Befürworter war, dass dieses
       Projekt laut einem Gutachten der Firma Interplan einen
       „Nutzen-Kosten-Faktor“ von 1,23 hat. Das heißt, jeder investierte Euro
       bringt einen Nutzen von 1,23 Euro. Und weil diese Zahl über dem Faktor 1
       liegt, gilt der U-Bahn-Bau als „förderfähig“ durch den Bund, der
       [2][theoretisch] bis zu 75 Prozent bezahlt. Darauf, dass es diesen Faktor
       gibt, habe man sich mit dem Bundesverkehrsministerium „verständigt“, sagte
       Tjarks.
       
       Den Förderantrag für die ersten 5,8 Kilometer von Bramfeld zur City-Nord
       hat Hamburg bereits gestellt. Noch im November rechnet der Senat mit einer
       Entscheidung des Bundes darüber. Und es sehe so aus, als würde der Bund 70
       Prozent der 2,8 Milliarden Euro Kosten zahlen, die allein für dieses
       Teilstück mit fünf Stationen anfallen. Das würde dann Hamburgs Haushalt nur
       noch mit 900 Millionen Euro belasten. Und da der Finanzsenator schon seit
       2018 dafür Geld auf einem „Sparbuch“ hortet, wäre die Sache im Grunde
       finanziert. „Wir müssen nicht an anderer Stelle kürzen, um uns die U-Bahn
       leisten zu können“, sagte Dressel.
       
       Dieser „Nutzen-Kosten-Faktor“ komme zustande, weil Tausende Menschen durch
       die U5 schneller an ihre Ziele gelangten, erklärte [3][die Hochbahn] in
       einem „Faktenpapier“. Die ohne Fahrer betriebene U-Bahn ermögliche
       „minimale Wartezeiten“ und spare jährlich 17,5 Millionen Stunden Reisezeit.
       Monetarisiert entspräche das einem Nutzen von 115 Millionen Euro im Jahr.
       Der Rückgang des Autoverkehrs soll 9.400 Tonnen CO2 im Jahr sparen, was
       sechs Millionen Euro wert sei.
       
       An dieser [4][Nutzen-Betrachtung gibt es Zweifel], die die
       Nahverkehrsexperten Jens Ode und Dieter Doege 2022 mit einer [5][Studie im
       Auftrag der Linksfraktion] zu Papier brachten. Demnach führe die neue
       U5-Linie im ersten Abschnitt in Ost-West-Richtung an den
       Beförderungswünschen der Fahrgäste vorbei, weil sie wichtige Ziele der
       heutigen Buslinien in Nord-Süd-Richtung wie den S-Bahnhof Rübenkamp nicht
       anfährt. Zudem seien die mit 20 bis 35 Metern sehr tief gelegenen
       U-Bahnhöfe für die Fahrgäste umständlich zu erreichen. Und die im Vergleich
       zu Bus oder Straßenbahn etwa doppelt so großen Abstände dieser Haltestellen
       verursachten längeren Fußwege und wirkten sich ungünstig auf Fahrzeit und
       Fahrgastpotential aus.
       
       Doege und Ode gehören zur [6][Initiative „Pro Stadtbahn Hamburg“] und haben
       ihre Bedenken nun noch mal in vier „Kernthesen“ zusammengefasst und darauf
       verwiesen, dass der „Nutzen-Kosten-Faktor“ für diese ersten 5,8 Kilometer
       deutlich unter dem für die Bundesförderung nötigen Faktor 1 gelegen habe.
       Zudem zweifeln die beiden, dass der Bund einen so großen Anteil seines
       begrenzten Förderetats allein für Hamburg ausgibt.
       
       Nach dem Faktor für diese Teilstrecke gefragt, sagte Hochbahn-Chef Henrik
       Falk vor der Presse, den habe man gar nicht erhoben, sondern nur einen
       Faktor für die ganzen 24 Kilometer. Die Option, dass der Bund, der nun für
       dieses erste Teil seine Finanzierung zusagen soll, es sich noch anders
       überlegt, schloss Tjark nahezu aus. Bei großen Bauprojekten sage man nicht
       heute Hü und morgen Hott: „Ich gehe davon aus, dass der Bund die erste
       Förderung bewilligen wird.“ Der Antrag für die nächsten zwei Stationen soll
       dann 2024 folgen.
       
       ## Steuerzahlerbund ist nicht erfreut
       
       Tschentscher führte noch mal aus, wie wichtig es sei, die Bahn unter die
       Erde zu legen, da man oben den Platz für anderes brauche. Indes sprechen
       die nun bekannt gewordenen Zahlen nicht gerade gegen die Alternative einer
       Straßenbahn. „Bei diesen Kosten wird mir schwindelig“, sagte die
       Linken-Verkehrspolitikerin Heike Sudmann und rechnete vor, dass ein
       Kilometer U5 nun bis zu 688 Millionen Euro koste, ein Kilometer der neuen
       Berliner Tram M10 dagegen nur 15 Millionen Euro.
       
       „Einfach nur frech“, nannte [7][Petra Ackmann vom Bund der Steuerzahler],
       dass die drei Amtsträger zwischen Geld der Stadt und des Bundes
       unterscheiden, sei doch beides Geld der Steuerzahler. „Um es klar zu sagen:
       Für uns ist die Diskussion um die Sinnhaftigkeit des Projektes noch nicht
       gänzlich abgeschlossen.“ Der Senat wäre gut beraten gewesen, abzuwägen, „ob
       das Konzept der Stadtbahn nicht deutlich besser ist“.
       
       20 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Debatte-um-geplante-U-Bahn-in-Hamburg/!5899969
 (DIR) [2] https://bmdv.bund.de/SharedDocs/DE/Artikel/E/schiene-schienenpersonenverkehr/gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz-gvfg.html
 (DIR) [3] https://www.hochbahn.de/de/presse/pressemitteilungen/u5-hamburg-beantragt-gvfg-foerderung-62324
 (DIR) [4] /Hamburger-Debatte-um-Nahverkehr/!5858347
 (DIR) [5] https://www.linksfraktion-hamburg.de/wp-content/uploads/2022/06/U5-Studie.pdf
 (DIR) [6] http://www.pro-stadtbahn-hamburg.de/index.php/stadtbahn-hamburg-medienspiegel
 (DIR) [7] https://steuerzahler.de/hamburg/?L=0
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kaija Kutter
       
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