# taz.de -- Wissenschaft in Großbritannien: Ein Schritt zurück nach Europa
       
       > Das EU-Programm „Horizon“ bietet wichtige Kooperationen. Durch den Brexit
       > war Großbritannien raus – bis jetzt.
       
 (IMG) Bild: Premierminister Rishi Sunak beim Besuch der Universität Warwick
       
       LONDON taz | An so manchen Fakultäten britischer Universitäten und
       wissenschaftlicher Institute dürfte bei Wissenschaftler:innen am
       Donnerstag Feierlaune ausgebrochen sein. Seit 7 Uhr morgens Ortszeit hat
       das Vereinigte Königreich wieder Zugang zu [1][den europäischen Programmen
       „Horizon“] und „[2][Copernicus]“ – jetzt jedoch als Partner außerhalb der
       EU, so wie Neuseeland, Kanada, Korea und Israel.
       
       Die britische Teilnahme am europäischen auf 100 Milliarden Euro geschätzten
       [3][„Horizon“-Programm], eins der wichtigsten kooperativen
       wissenschaftlichen Netzwerke der Welt, lag seit dem Brexit auf Eis. Der
       Grund dafür war insbesondere Uneinigkeit hinsichtlich der [4][Regelungen
       zwischen Großbritannien und der EU über Nordirland].
       
       Diese Streitpunkte konnten erst im vergangenen Februar unter Rishi Sunak,
       dem Nachfolger von Ex-Premierminister Boris Johnson, mit dem
       Windsor-Übereinkommen aus der Welt geschafft werden. Das war der
       Startschuss von Verhandlungen über die Rahmenbedingungen der britischen
       Mitbeteiligung an „Horizon“ – insbesondere eine Frage des finanziellen
       Beitrages des Vereinigten Königreichs.
       
       Des Weiteren gab es technische Fragen, da „Horizon“ mitten in einer
       Programmphase steckt. Bis 2027 können sich britische Universitäten,
       wissenschaftliche Institute und Unternehmen nun an bereits laufenden
       Projekten mitbeteiligen, ab 2027 können sie sich für britisch geführte
       Projekte bewerben. Ausgenommen von dieser Entwicklung ist eine britische
       Mitgliedschaft an Euratom. Hier will die britische Regierung teilweise
       eigene Wege gehen.
       
       ## Richtiger Deal
       
       Premierminister Rishi Sunak sagte, er habe einen Deal geliefert, der
       britischen Wissenschaftler:innen erlaube, sich mit Zuversicht am
       größten Kooperationsprogramm der Welt zu beteiligen. „Wir haben mit unseren
       EU-Partner:innen gearbeitet, um sicherzustellen, dass dies die richtige
       Übereinkunft für das Vereinigte Königreich ist und damit Möglichkeiten für
       wissenschaftliche Forschung ohnegleichen eröffnet werden. Aber es ist auch
       der richtige Deal für britische Steuerzahler:innen.“
       
       In einer Erläuterung zu diesem Punkt von 10 Downing Street heißt es, dass
       britische Steuerzahler:innen vor allem in den ersten Jahren nicht für
       jene zeitliche Periode aufkommen müssten, während der sich britische
       Wissenschaftler:innen wegen der Nichtmitgliedschaft in den vergangenen
       drei Jahren nicht an Projekten hätten beteiligen können.
       
       Außerdem gäbe es ein neues finanzielles Rückerstattungsrecht, falls
       britische Wissenschaftler:innen, zumindest in den ersten Jahren der
       Mitgliedschaft, spürbar weniger aus dem Programm erhielten, als das
       Vereinigte Königreich in das Programm einzahle.
       
       Die Rektorin und Biochemikerin der Oxford University, Irene Tracey, sagte
       der BBC, dass sie begeistert und dies ein sehr guter Tag für die britische
       wissenschaftliche Gemeinschaft sei. Endlich könnten sich britische
       Wissenschafler:innen wieder an der Formulierung und Führung von
       wissenschaftlichen Projekten mitbeteiligen. Auch viele Unternehmen würden
       von der Mitgliedschaft profitieren.
       
       Politische Bedeutung 
       
       Verteter:innen zahlreicher Verbände und Organisationen – darunter der
       Verband britischer Universitäten, der Medizinverband, The Academy of
       Medical Sciences, die British Academy, der Ingenieursverband Royal Academy
       of Engineering, der Wissenschaftsverband The Royal Society und die
       Organisation Cancer Research – begrüßten die erneute Beteiligung am
       „Horizon“-Programm.
       
       Der Zeitpunkt der Ankündigung dürfte einen politischen Aspekt haben. Am
       Mittwochnachmittag hatte die Labour-Partei eine Pressemeldung mit einer
       Sperrfrist bis Mittwochabend, 22.30 Uhr herausgegeben. Darin kündigte die
       Oppositionspartei an, dass Labour eine Beteiligung an „Horizon“
       wiederherstellen werde, sollte die Partei die nächsten Nationalwahlen
       gewinnen.
       
       Die Möglichkeit, sich nicht an dem Milliardenfonds beteiligen zu können,
       hatte Labour da noch als kriminell bezeichnet. Sunak ist dem nun
       zuvorgekommen. Im Vereinigten Königreich werden Nationalwahlen aller
       Wahrscheinlichkeit nach im Frühjahr 2024 stattfinden.
       
       8 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Sorgen-britischer-Unis-vor-dem-Brexit/!5656758
 (DIR) [2] https://www.copernicus.eu/de
 (DIR) [3] https://commission.europa.eu/funding-tenders/find-funding/eu-funding-programmes/horizon-europe_de
 (DIR) [4] /Abkommen-fuer-Nordirland/!5917222
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
       
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