# taz.de -- Alltäglicher Rassismus in Deutschland: Rassismus vermeiden ist schwieriger
       
       > Rassismus ist für viele Betroffene ganz alltäglich. Oft versuchen sie –
       > so wie unsere Autorin – rassistischen Begegnungen aus dem Weg zu gehen.
       
 (IMG) Bild: Eine Vermeidungsstrategie: Nicht mehr Bus fahren
       
       Über eigene [1][Rassismuserfahrungen] spreche ich nicht öffentlich. Klar:
       Ich rede und schreibe auch darüber, dass Rassismus mir auf verschiedenen
       Ebenen begegnet und mein Leben beeinflusst. Doch konkreter werde ich nicht.
       Zum einen ist es einfach verdammt persönlich.
       
       Eine rassistische Beleidigung entgegengeschleudert zu bekommen, angegriffen
       oder aus rassistischen Motiven ausgeschlossen zu werden, ist jedes Mal auch
       eine schmerzhafte persönliche Erfahrung.
       
       Auf [2][struktureller Ebene] wird eine ganze Gruppe abgewertet. In diesem
       spezifischen Moment jedoch werde ich es selbst, in meinem Sein. Das geht
       einher mit vielen Gefühlen. Angst, Trauer, Wut, Scham. Und Wut und Scham
       darüber, dass ich all diese Gefühle empfinde.
       
       Der wichtigere Grund: So persönlich betroffen ich auch sein mag – wenn es
       um Rassismus geht, dann geht es nicht um mich, sondern um einen politischen
       Komplex, der sich ganz unterschiedlich präsentiert und in diversen
       Bereichen auf unterschiedliche Gruppen einwirkt.
       
       Oft heißt es, persönliche Erfahrungsberichte seien wichtig, damit
       Nicht-Betroffene verstehen können, dass es Rassismus gibt. Angesichts der
       vielen Toten [3][im Mittelmeer] und des rechten Terrors von NSU über Halle
       bis nach Hanau ist diese Haltung einfach zynisch.
       
       ## Relativ heller Hautton
       
       Meine Erfahrung ist nicht repräsentativ. Nehmen wir Racial Profiling: Auch
       ich wurde schon eindeutig nur deshalb von Polizei oder Sicherheitskräften
       kontrolliert, weil ich Schwarz bin.
       
       Aber es ist eines meiner geringsten Rassismusprobleme. Als Frau bin ich
       weniger betroffen, dazu habe ich für eine Schwarze Person einen relativ
       hellen Hautton und werde eher als „von hier“ gelesen. Das Gleiche gilt für
       die Art, wie ich mich im öffentlichen Raum bewege.
       
       Sobald ich den Mund aufmache, hört man es auch. Und außerdem: Ich habe das
       Privileg, sehr frei entscheiden zu können, welche Wege ich nehme und wo ich
       mich aufhalte. Ich meide zum Beispiel alle Orte mit einer erhöhten
       Polizeipräsenz.
       
       ## Aufgehört, den Bus zu nehmen
       
       Die meisten haben gute Rassismus-Vermeidungs-Strategien, doch nicht alle
       können sie nutzen. Je mehr Ressourcen wir haben, desto eher können wir
       unangenehmen Situationen aus dem Weg gehen. Die Vermeidung von
       Rassismuserfahrungen hat eine Rolle gespielt bei der Wahl meines Wohnortes
       und meines Berufs.
       
       Es ist ein fast unbewusster, automatischer Teil bei jedem meiner
       Entscheidungsprozesse. Nachdem ich beispielsweise mehrmals kurz
       hintereinander im Bus angepöbelt wurde, habe ich einfach aufgehört, diesen
       Bus zu nehmen.
       
       Ich komme auch anders zur Arbeit, aber die wenigsten können sich das
       aussuchen. Ich habe inzwischen so viele Anpassungen vorgenommen, dass ich
       bei einigem nicht mehr mitreden kann. Aber ich kann gegen die Strukturen
       kämpfen, die diese Anpassungen immer wieder notwendig machen, und mich für
       diejenigen einsetzen, die mehr leiden als ich.
       
       Persönlich fällt mir auf: Ich kann mich auf meine
       Rassismus-Vermeidungs-Strategien immer weniger verlassen. Die Angriffe
       kommen aktuell immer häufiger aus Ecken, mit denen ich nicht gerechnet
       hätte.
       
       6 Oct 2023
       
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       ## AUTOREN
       
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