# taz.de -- EU-Hilfen für Armenien: Traurige Gleichgültigkeit
       
       > Die zugesagten Hilfen reichen bei Weitem nicht. Die Befürchtung
       > Armeniens, vom Westen alleingelassen zu werden, bestätigt die EU erneut.
       
 (IMG) Bild: Die Flüchtenden aus Bergkarabach mussten nahezu alles zurücklassen
       
       Der [1][letzte Bus mit Geflüchteten aus Bergkarabach] ist nun in Armenien
       angekommen. 100.514 Menschen haben nach offiziellen Angaben ihre Heimat
       verlassen, Jahrhunderte der armenischen Präsenz in dem Gebiet sind im
       September 2023 zu Ende gegangen. Viele der geflüchteten Menschen sind mit
       leeren Händen in Armenien angekommen; was sie sich zeit ihres Lebens
       erarbeitet hatten, mussten sie hinter sich lassen. Sie schlafen nicht mehr
       in ihren Häusern, sondern in Notunterkünften, in Hotels, bei Verwandten.
       
       Knapp 2,8 Millionen Menschen lebten vor dem erzwungenen Exodus der
       ethnischen Armenier aus Bergkarabach in Armenien, der plötzliche Zugang von
       über 100.000 Menschen innerhalb weniger Tage ist im Verhältnis dazu sehr
       hoch.
       
       Nun ist Armenien allerdings keine Wirtschaftsmacht, die in der Lage ist,
       dies problemlos aufzufangen. Man könnte sogar sagen, das Land ist arm. Das
       Bruttoinlandsprodukt pro Kopf betrugt im Jahr 2022 etwa 6.500 US-Dollar.
       Zudem ist Armenien regional isoliert: Nur zu zwei der insgesamt vier
       Nachbarländer gibt es offene Grenzen, nach Georgien und in den Iran. Die
       Beziehungen zur ehemaligen Schutzmacht Russland kriseln gewaltig, die zu
       den anderen beiden Nachbarländern Türkei und Aserbaidschan sind von
       Feindseligkeit und Jahrzehnten des Konflikts bestimmt.
       
       Ohne nennenswerte Hilfen aus dem Ausland wird [2][die Erstversorgung der
       aus Bergkarabach Geflohenen] – und vor allem das mittelfristige Schaffen
       von Perspektiven, von Wohnraum und Arbeitsplätzen – kaum möglich sein. 5
       Millionen Euro Hilfe wolle man bereitstellen, hatte die Europäische Union
       vor einer Woche mit einem gewissen Stolz bekannt gegeben – 4,5 Millionen
       mehr als die ursprünglich zugesagten 500.000.
       
       Damals wären das etwa 5 Euro pro Person gewesen, nun sind es eben rund 50.
       Die USA haben 11,5 Millionen zugesagt, das macht dann pro Person insgesamt
       164 Euro und 16 Cent. Dieser Betrag reicht nicht einmal für die
       Grundbedürfnisse eines Menschen in einem einzelnen Monat.
       
       Nachdem die EU Aserbaidschans Blockade des Latschin-Korridors – der
       einzigen Verbindungsstraße zwischen Armenien und Bergkarabach – in den
       vergangenen Monaten fast kommentarlos hinnahm und bei der Fossildiktatur –
       obwohl alle Zeichen auf Eskalation standen – munter weiterhin Gas
       einkaufte, zeigt sie damit erneut: Die Situation der Armenier ist der EU
       gleichgültig. Und zwar nicht nur die politische, sondern traurigerweise
       auch die humanitäre. Die Befürchtung Armeniens, weiterhin vom Westen
       alleingelassen zu werden, hat die EU wieder einmal selbst bestätigt.
       
       3 Oct 2023
       
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