# taz.de -- „Master Gardener“ auf DVD: Das Gegenteil eines Zynikers
       
       > Als Drebuchautor von „Taxi Driver“ wurde er bekannt. Als Regisseur setzt
       > Paul Schrader weiter auf Männer mit einschlägigen Vergangenheiten.
       
 (IMG) Bild: Joel Edgerton als Narvel Roth in Master Gardener mit Quintessa Swindell von 2022
       
       Die Tattoos des Körpers des Gärtners lehren einen das Fürchten:
       Hakenkreuze, der Schriftzug „White Pride“ in kantiger Schrift, dieser Mann
       ist ohne Zweifel ein radikaler Rassist. Oder war es. Mit Narvel Roth (Joel
       Edgerton), dem Mann, der nun Gärtner ist, bekommt man das nicht zusammen.
       Ruhig und geduldig ist er.
       
       Kundig informiert er über die Form und Geschichte englischer, französischer
       und anderer Gärten. Traumhaft schön sind die digitalen Bilder von Gracewood
       Gardens, in Louisiana gelegen, die Kameramann Alexander Dynan von Haus,
       Anwesen, Garten streng und doch mit großzügigem Sinn für Farb- und
       Ornamentkunst der Flora komponiert hat.
       
       Fast könnte es scheinen, als habe ein Neonazi die Hintertür zurück in den
       Garten Eden gefunden, den er nun geduldig und kenntnisreich pflegt. Dieses
       Paradies hat keine Schlangen und doch seine Tücken. Die bedrohlichste sitzt
       gelegentlich auf der Veranda: Norma Haverhill, die Eigentümerin von Garten
       und Anwesen, von Sigourney Weaver als hochfahrende Südstaaten-Seniorin
       gespielt. Sie lädt Narvel Roth zum Essen, sagt nur halb zärtlich
       „Zuckererbse“ zu ihm und lädt ihn nach dem Mahl nach oben ins Bett.
       
       Kurze Flashbacks sorgen dafür, dass man Narvels Vergangenheit nicht nur
       ahnt, sondern sieht. Er trug einen anderen Namen, außerdem Bart, ist
       tatsächlich Neonazi gewesen und hat gehasst und gemordet, bis er sich gegen
       seine Proud Boys gewandt und als Belastungszeuge ausgesagt hat. Zehn Jahre
       ist er nun im Zeugenschutzprogramm, das ihn bei Norma Haverhill in
       Gracewood Gardens untergebracht hat.
       
       ## „We Should All Be Feminists“-Shirt für die Polizei
       
       Zehn Jahre lang war das Leben in Eden gefährdet, aber stabil. Nun aber
       taucht Normas Großnichte auf, Maya (Quintessa Swindell), Vollwaise, PoC,
       jung und schön. Und mit einer Drogengeschichte. Auch sie soll im Garten
       eine problematische Vergangenheit hinter sich lassen. Was in ihrem Fall
       nicht wirklich gelingt. Eines Tages erscheint sie verletzt, und Narvel
       sieht sich veranlasst, seinen Polizei-Verbindungsmann etwas gegen Mayas
       Dealer unternehmen zu lassen.
       
       Das ist der Auftakt zu Dingen, die erst einmal nicht so gut laufen. Der
       Polizist trägt ein T-Shirt, quasi als Gegen-Tattoo, mit der Aufschrift „We
       Should All Be Feminists“. Das gehört zu den leise komischen Pointen des
       sonst fast feierlich ernsten Films, den die sphärischen Klänge des
       Soundtracks von Devonté Hynes noch unterstreichen.
       
       Regisseur Paul Schrader ist bis heute vor allem als Drehbuchautor von
       [1][Martin Scorseses] Klassiker „Taxi Driver“ berühmt. Dabei hat er seit
       den Siebzigern bei vielen, mal sehr, mal weniger guten Filmen selbst Regie
       geführt, von denen „American Gigolo“ mit dem jungen Richard Gere der
       bekannteste ist.
       
       ## Männer mit Dämonen
       
       Mit seinem außerhalb Hollywoods entstandenen Spätwerk, an dem alles formale
       Bändigung ist, hat er noch einmal vermehrt Aufmerksamkeit gefunden,
       zumindest bei großen Filmfestivals und der Kritik. Die Filme „First
       Reformed“ (2017), [2][„The Card Counter“ (2021]) und nun „Master Gardener“
       bilden eine Art Trilogie, und wer weiß, was noch kommt.
       
       Im Zentrum stehen stets Männer wie dieser Narvel Roth. Männer, die mit
       Dämonen aus der Vergangenheit kämpfen, Männer wie der von Oscar Isaac
       gespielte William Tell („The Card Counter“), der ein Folterer in Abu Ghraib
       war, Männer wie der von Ethan Hawke gespielte Ernst Toller in „First
       Reformed“, ein Priester, der fast zum Selbstmordattentäter wird.
       
       Und nun Narvel Roth, der Mann, der Leben zerstört hat und dem Schrader nun
       in einem paradiesischen Garten Erlösung gewährt. Aus deren Gefährdung zieht
       der Film seine Spannung. Am Ende jedoch ist es ein Glück, dass der späte
       Schrader das Gegenteil eines Zynikers ist.
       
       5 Oct 2023
       
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