# taz.de -- Waldumbau in Deutschland: Auf dem Holzweg
       
       > In Jena stirbt gerade ein Stück Wald, das besonders ökologisch
       > bewirtschaftet wurde. Muss der Waldumbau neu gedacht werden?
       
       Vom Bahnhof Jena-Paradies mitten in der Stadt sind es nur wenige
       Autominuten in ein tatsächliches Paradies: die Wöllmisse ist eine
       Hochebene, die sich an Jena schmiegt, mit Blumenwiesen, Wäldern,
       Wanderwegen. Am Parkplatz Steinkreuz führen viele von ihnen vorbei. Einer
       von ihnen schlängelt sich direkt in den Wald, große Ahorne, Eichen, Buchen
       links und rechts. Wer jetzt Forstbeamter ist, der darf auf diesem Weg mit
       dem Auto fahren. Er muss nicht mal auf der Fahrspur bleiben – er kann
       abbiegen, direkt in den Wald hinein.
       
       Stefan Engeter zum Beispiel und Bernhard Zeiss dürfen das. Engeter ist der
       Revierförster der Wöllmisse. Zeiss arbeitet ihm als Leiter des Forstamts
       Jena-Holzland zu. An einem warmen Tag im Herbst steuert Engeter seinen
       olivgrünen Wagen beherzt vom Weg auf einen schmalen Matschpfad, kurvt einen
       steilen Hang hinunter und ein paar Meter später wieder herauf, Zweige
       streifen die Fenster. Schließlich hält er an, öffnet die Tür: Stille. Kein
       Wind, kein Laut, so schön still, wie es nur mitten im Wald sein kann, mit
       ein wenig Specht-Gequietsche im Hintergrund.
       
       Die beiden Forstleute sind in den „Hirschruf“ gefahren, so heißt diese
       Stelle des Waldes, um sie dem Forstwissenschaftler Henrik Hartmann zu
       zeigen. 16 Baumarten wachsen auf diesem kleinen Plateau im Hügelland,
       Traubeneiche, Rotbuche, Hainbuche, Winterlinde, Bergahorn, Feldahorn,
       Spitzahorn, Esche, Eberesche, Elsbeere, Birke, Gemeine Kiefer,
       Schwarzkiefer, Fichte, Lärche und Eibe. Das gesamte Waldgebiet liegt [1][in
       einem Gebiet der europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH)]. Einige
       der hohen Bäume auf dem lichten Plateau tragen einen Ring aus schwarzer
       Farbe. „Die habe ich vor zwei Jahren ausgesucht und gekennzeichnet, weil
       sie besonders vital waren“, sagt Engeter, „als Zukunftsbäume.“
       
       Sie sollten heranwachsen, die „Zukunftsbäume“, zu stattlichen Exemplaren.
       Sie sollten sich vermehren und irgendwann, vielleicht in 100, 150 Jahren,
       hochwertige Bretter für Möbel liefern. Und jetzt? „In zehn Jahren sind die
       vermutlich tot“, sagt Zeiss. „Oder in fünf“, sagt Hartmann.
       
       Der Forstwissenschaftler leitet das neue Julius-Kühn-Institut für
       Waldschutz, das auf Initiative der ehemaligen Landwirtschaftsministerin
       Julia Klöckner in Quedlinburg gegründet und im Winter von ihrem Nachfolger
       Cem Özdemir eröffnet worden ist. Als Teil des Bundesforschungsinstituts für
       Kulturpflanzen ist es eine Behörde des Agrarministeriums. Auf Hartmann und
       seinen Mitarbeitern liegen große Hoffnungen der Förster:innen, denn unter
       ihnen herrscht derzeit eine große Ratlosigkeit, sagt Zeiss. Die schwarzen
       Ringe auf den Zukunftsbäumen von vor zwei Jahren sehen nämlich aus wie
       Trauerflor: Kahle Äste ragen in den Himmel, einige sind schon abgebrochen,
       hell scheint die Sonne durch die dürren Kronen.
       
       „Vor einigen Jahren sind die Fichtenbestände zusammengebrochen“, sagt
       Zeiss, der mit seinen orangefarbenen Arbeitshosen und dem schmalen Zöpfchen
       am Hinterkopf eher unkonventionell für einen Förster daherkommt. „Sie sind
       Stürmen und Borkenkäfern zum Opfer gefallen.“ Die Buche als typische
       mitteleuropäische Art galt als der Baum der Zukunft. Schnell habe sich
       herausgestellt: „Die schafft es in vielen Gebieten auch nicht mehr.“ An
       ihre Stelle sei die trockentolerantere Eiche gerückt, doch selbst für sie
       war es die vergangenen Jahre zu heiß, fiel die Niederschlagsmenge zu gering
       aus. In einigen Wäldern Thüringens und Sachsen-Anhalts pflanzen sie jetzt
       Weißtannen – die im Schwarzwald gerade großflächig absterben. Es bleibt
       also ein Experimentieren und Nochmalprobieren mit verschiedenen Konzepten.
       Die Frage ist: Was tun, wenn alle Rezepte versagen?
       
       Die beiden Waldexperten haben deshalb bei Hartmann angeklopft, dem
       Wissenschaftler mit dem globalen Blick, der schon in Kanada geforscht und
       gearbeitet hat. „Viele unserer Erkenntnisse über erbliche Trockentoleranz
       stammen gar nicht aus der Forschung an Bäumen“, sagt der 55-Jährige.
       Diskutiert werden deshalb die Chancen der Epigenetik, also der Möglichkeit,
       dass sich die Aktivität von Genen durch Umwelteinflüsse verändert. Die
       Hoffnung: Pflanzen, die unter trockenen und heißen Bedingungen aufwachsen,
       verändern das Auslesen des Erbguts. Damit können sie sich und ihre
       Nachkommen besser an die neuen Bedingungen anpassen.
       
       „Fast so gut wie alles, was wir darüber wissen, wissen wir aus der
       Forschung mit der Ackerschmalwand“, sagt Hartmann. Das kleine Blümchen mit
       den weißen Blüten wächst überall. „Können wir die Forschung von dieser
       Krautpflanze auf Bäume übertragen?“, fragt Hartmann. „Das haben wir noch
       gar nicht geklärt.“ Forschung an Bäumen, selbst systematische Züchtung,
       habe es bislang wenig bis überhaupt nicht gegeben – weil es bisher nicht
       nötig erschien. Und nun seien die Wissenslücken so groß wie die Probleme.
       
       Forstmann Zeiss berichtet von Gesprächen mit Kollegen aus Thüringen und
       Sachsen-Anhalt, die verzweifelt zusehen, wie ihre Buchen- und
       Eichenstandorte selbst an guten Lagen absterben. Hartmann erzählt von
       seinen Joggingrunden durch den Quedlinburger Stadtwald, „schön feucht, von
       der Bode durchflossen, ein wunderbarer Mischwald“. Und trotzdem sehe es
       dort katastrophal aus, fast ein Zehntel der alten Buchen, Ahorne, Eichen,
       Hainbuchen und Eschen sterbe dort gerade ab. [2][Die Trockenjahre seit
       2017] wirkten nach, den einzelnen Tagen mit extremer Hitze mit weit über 30
       Grad seien die Bäume auf Dauer nicht gewachsen.
       
       „Der Wald macht gerade einen Wandel durch, auf den ihn die Evolution nicht
       vorbereitet hat“, sagt Hartmann, „die Verhältnisse ändern sich zu schnell“.
       Die Förster hätten das inzwischen verstanden, aber: „Der Naturschutz tut
       sich da schwerer.“
       
       Mit seinen kurzen Hosen, T-Shirt und Cap könnte der Wissenschaftler selbst
       für den Naturschutzbund Nabu im Wald stehen. Doch den Gedanken von
       FFH-Gebieten, die per Definition und mit Managementplänen einen bestimmten
       „Erhaltungszustand“ erreichen wollen, hält er ökologisch für sinnlos. „Ein
       Ökosystem lässt sich nicht in seiner Entwicklung einfrieren.“ Unter den
       Bedingungen, die der Klimawandel jetzt vorgebe, sei dieser Ansatz überhaupt
       nicht mehr haltbar. „Die Ökosysteme müssen sich anpassen, und viele der
       vorhandenen Arten haben keine Blaupause dafür, was gerade geschieht“, sagt
       er. Deswegen müsse der Naturschutz seine Ziele neu definieren“.
       
       Forstamtsleiter Zeiss hört sich das an und nickt. „Nehmen wir an, wir haben
       hier einen geschützten Waldmeister-Buchenwald“, sagt er, „und die Buchen
       sterben uns weg.“ Was solle er denn dann bitte machen? Immer wieder Buchen
       aufforsten? Mit neuen Arten dürfe er im FFH-Gebiet nicht experimentieren,
       dabei „ist doch der richtige Baum der, der in 50 Jahren noch grün ist,
       oder?“
       
       FFH-Gebiete sind dazu da, ein einmal erfasstes und beschriebenes Ökosystem
       zu erhalten. Sie sind eines der wichtigsten Instrumente im europäischen
       Naturschutz. Hartmann hält es in Anbetracht der schnellen Veränderungen für
       überkommen. „Wir dokumentieren Lebensräume seit etwa 150 Jahren“, sagt er,
       „und obwohl das für einen Wald überhaupt kein Zeitraum ist, ist er die
       Referenz.“ Soll heißen: Was wir heute für schützenswert halten, ist für den
       Wald im Grunde nur eine sehr kurze Phase in der Evolutionsgeschichte.
       
       Anne Arnold guckt sehr skeptisch in die Kamera, als man ihr in einer
       Zoom-Konferenz von diesem Waldgespräch erzählt. „Weil in Thüringen die
       Mischwälder absterben, heißt es nicht, dass das an anderen Standorten auch
       passiert“, sagt sie, und gegen den Schutzstatus nach FFH spreche das schon
       gar nicht. Gerade weil der Wald sich in langen Zeiträumen verändere,
       verfügten wir noch über zu wenig Wissen über die Entwicklung in
       Schutzgebieten. „Wir müssen systematisch vergleichen, zum Beispiel stark
       bewirtschaftete und geschützte Buchenwälder“, sagt sie.
       
       Auch Arnold ist Forstwissenschaftlerin an der Forsthochschule Göttingen und
       arbeitet zudem im Nabu-Projektbüro Waldökosysteme Mittel- und
       Nordostdeutschland. Auch sie forscht zu Wäldern der Zukunft. Ergebnis:
       Geschützte Wälder leiden auch unter Hitze und Wassermangel, sind dabei aber
       stabiler und anpassungsfähiger als stark genutzte Forste. „Sie erholen sich
       schneller“, sagt Arnold, „das macht den Unterschied zwischen Wald oder
       nicht Wald, und darum geht es ja inzwischen.“
       
       Arnold plädiert deshalb dafür, die Waldnutzung neu zu denken und
       Waldbesitzern zu ermöglichen, auch mit stillgelegten Wäldern Geld zu
       verdienen: „Die Serviceleistungen des Waldes etwa als Kohlenstoff- und
       Wasserspeicher müssen honoriert werden“, sagt sie. Wie konkret das
       geschehen könnte, ist seit Längerem Gegenstand von umweltpolitischen
       Debatten.
       
       Aber woher kommt dann das Holz, etwa für die Möbelindustrie? „Das ist ein
       großes Problem“, räumt Arnold ein.
       
       Diese ungelösten Zielkonflikte unter einen Hut zu bekommen, ist Aufgabe des
       Bundeslandwirtschaftsministeriums. Dort arbeiten sie gerade an einem neuen
       Bundeswaldgesetz, das den entsprechenden Landesgesetzen den Rahmen setzen
       soll, um klimastabile Mischwälder zu schaffen – und den Wald samt
       Holzproduktion zu retten. Als Leitmotiv nennt das Ministerium, den Wald und
       seine vielfältigen Ökosystemleistungen wegen ihrer Bedeutung für Klima, für
       Biodiversität und für die Wertschöpfung zu erhalten.
       
       Zurzeit sei noch genug Holz da, sagt Matthias Dieter, der das
       Thünen-Institut für Waldwirtschaft in Hamburg leitet, aber in 20 bis 30
       Jahren könnte einheimisches Holz knapp werden. Zurzeit wisse niemand,
       welche Bestände durch die Trockenheit der letzten Frühjahre genau
       abgestorben seien. „Waren es Bäume, die sowieso bald geerntet worden wären,
       oder ist uns durch die Trockenheit der Zuwachs für die nächsten Jahrzehnte
       verloren gegangen?“ Und wie ändere sich die Versorgung, wenn jetzt statt
       schnell wachsender Nadelhölzer langsam wachsende Laubbäume gepflanzt
       würden? Mit Spannung erwartet Dieter die Veröffentlichung der
       Bundeswaldinventur im nächsten Jahr. Alle zehn Jahre wird der Wald
       vermessen. „Wir werden erfahren, ob es die Bäume überhaupt noch gibt, von
       denen unsere Berechnungen ausgehen“, sagt der Forstökonom.
       
       Das wisse man nicht erst im kommenden Jahr, sondern könne man schon aktuell
       feststellen, widerspricht Anemon Strohmeyer, Geschäftsführerin des Verbands
       der Holzwerkstoffindustrie. Den „Rückgang des Rohstoffes“ Holz versuchten
       die Unternehmen durch den Einsatz von mehr Recyclingholz zu kompensieren
       und sich zudem auch auf den Einsatz von mehr Laubholz vorzubereiten. „Die
       Rohstoff-Frage ist eine Zukunfts- und Existenzfrage der Holzindustrie und
       der von ihr abhängigen nationalen Wertschöpfungskette wie Bau, Möbel,
       Verpackungen“, sagt Strohmeyer. Daran hängt Wertschöpfung, daran hängen
       Arbeitsplätze.
       
       Um den Holzbedarf auch künftig aus heimischen Quellen zu decken, schlägt
       Forstwissenschaftler Hartmann vor, „sich von dem allgegenwärtigen Gedanken
       der Multifunktionalität von Forsten und Wäldern zu verabschieden“.
       Klassischerweise soll der Wald in Deutschland Holz liefern und zugleich der
       Erholung dienen und dem Artenschutz als Wasserpuffer und [3][als CO2-Senke]
       fungieren – alles gleichzeitig. „Vielleicht geht das nicht mehr alles
       zusammen“, sagt Hartmann, „vielleicht müssen wir einige Wälder, die wir
       besonders wertvoll finden, forstwirtschaftlich stilllegen und dafür auf
       anderen, landwirtschaftlichen oder ungenutzten Flächen intensiv in
       Plantagenwirtschaft Holz produzieren“.
       
       Synchron ziehen die Förster Zeiss und Engeter die Augenbrauen hoch, als der
       Wissenschaftler das vorschlägt, und verschränken ihre Arme vor der Brust.
       Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die Förster ihre Wälder in den Dienst der
       rasant wachsenden Volkswirtschaft mit ihrem hohen Rohstoffbedarf gestellt
       und schnell wachsende Fichten gepflanzt. Als in den 60er Jahren die
       Wohlstandsgesellschaft den Wald als Freizeitort entdeckte, haben sie
       Trimm-dich-Pfade und Bänke in die Fichtenforste gestellt, und auf das
       wachsende Umweltbewusstsein in den 80er Jahren mit einem – zögerlichen –
       Waldumbau hin zu mehr Mischwald reagiert. In ihrem Selbstverständnis haben
       die Förster stets den Wald geformt, der nachgefragt wurde.
       
       Und nun: gemanagte Plantagen hier, Urwald dort? Das ist für Engeter und
       Zeiss nicht vorstellbar, sie denken eher in eine andere Richtung. Warum
       muss der Wald immer die Bedürfnisse von Wirtschaft und Gesellschaft
       erfüllen? Warum können diese sich jetzt nicht nach den Bedürfnissen des
       Waldes richten?
       
       ## Vielleicht kommt bald die Zeit der Birken und Pappeln
       
       „Wir haben hier zwar zurzeit ein Überangebot an Fichten- und Buchenholz“,
       sagt Zeiss, „aber es ist ja absehbar, dass das nicht so bleibt.“ Die
       Holzindustrie aber poche weiter auf Stammholz, dass in ihre Sägewerke
       passe. „Wenn die Fichten und Buchen weg sind, vielleicht kommen dann
       Robinien, Birken, Pappeln“, sagt Zeiss, „auch damit muss die Industrie
       zukünftig arbeiten können.“
       
       Das allerdings ist nicht so leicht. „Es gibt 70.000 Holzarten weltweit“,
       sagt Andreas Krause, der Leiter des Thünen-Instituts für Holzforschung in
       Hamburg. Um sie zu verarbeiten, muss man ihre jeweiligen Eigenschaften
       kennen. Einzelne Firmen gingen voran, berichtet er, etwa das Unternehmen
       Pollmeier, das ein Furnierholz aus Buche herstelle. Der Stamm werden
       geschält, die Schichten neu zu einem Produkt verklebt. Damit schafft es der
       Hersteller, Buchen als Bauholz einzusetzen, was bisher unüblich ist. „Ihr
       Werk haben sie völlig neu aufgebaut, extra mitten in ein Buchengebiet“,
       sagt Krause. „Die aktuelle Diskussion, alte Buchenwälder aus der Nutzung zu
       nehmen, beobachten andere Sägewerke ganz genau“, sagt Krause. „Die fragen
       sich, worauf lasse ich mich da ein?“, wenn die Buchenwälder für die
       Holzwirtschaft ausfallen?
       
       Der wichtigste Grund, warum die Unternehmen nicht noch stärker in
       innovative stoffliche Nutzungen von Holz investierten, sei aber die hohe
       Nachfrage nach Holz als Brennmaterial, so Krause. Die Lobbyverbände der
       erneuerbaren Energien betonen stets, es würden nur Qualitäten verbrannt,
       die als Bau- oder Möbelholz sowieso nicht genutzt werden könnten. „Das ist
       ein Märchen“, sagt Krause. Vor allem Pellet-Werke arbeiteten nur mit
       frischem, sauberen Material, aus dem etwa auch Spanplatten für den Gebäude-
       oder Möbelbau hergestellt werden. „Die konkurrieren um genau die gleichen
       Sortimente“, sagt Krause.
       
       Hier treffen sich Krause, Arnold und Hartmann: Die großflächige
       energetische [4][Nutzung des Holzes in Pelletheizungen] oder gar
       -kraftwerken verkraftet der Wald nicht – nicht hierzulande, nicht global,
       da sind sie sich einig.
       
       „Wir müssen jetzt versuchen, so viel Wald zu erhalten wie möglich“, sagt
       Wissenschaftlerin Arnold. Dafür seien längst nicht alle Mittel
       ausgeschöpft. Dazu gehöre etwa ein Wassermanagement, das nicht nur auf den
       Forst ziele, sondern die gesamte Landschaft in den Blick nehme: „Wer Moore
       entwässert, um Ackerflächen zu gewinnen, entzieht auch dem benachbarten
       Wald Wasser.“ Außerdem müsse man versuchen, die Kronendächer der Wälder
       geschlossen zu halten, sagt Arnold. Überall dort, wo Lücken entstünden,
       erhitze sich der Waldboden zu stark, was zu noch mehr Schäden führe.
       
       Derzeit bestimme der Preis für Industrie- oder Energieholz den Wert eines
       Waldes: „Wenn wir das volkswirtschaftlich anders berechnen, kommen wir doch
       auf ganz andere Werte.“ Sie schlägt vor, landwirtschaftliche Flächen mit
       naturschutzfreundlichen Agroforst-Konzepten zu bewirtschaften, also etwa
       Ackerflächen zwischen Hecken aus schnell wachsenden Gehölzen anzulegen.
       Nötig sei nicht bloß eine Waldnutzungs-, sondern eine Landnutzungswende. So
       könne Holzproduktion stattfinden, die wichtig für den Artenschutz sei und
       zugleich gegen Bodenerosion schütze. „Wir müssen nicht alles aus dem Wald
       holen“, sagt sie. Es gehe darum, den Wäldern mit einem besseren
       Wassermanagement und Stilllegungen Zeit zu erkaufen, damit sie sich auf die
       neuen Verhältnisse einstellen könnten.
       
       „Wir müssen uns Zeit erkaufen“ – diesen Satz sagt auch Henrik Hartmann, als
       er zwischen den kranken Bäumen am Hirschruf steht. Aber er meint etwas
       anderes als Arnold: „Artenreiche Wälder streuen die Risiken“, sagt er, und
       natürliche Waldentwicklung sei unsere größte Chance: „Aber langfristig
       werden wir uns in einigen Regionen von den Wäldern, wie wir sie kennen,
       verabschieden müssen.“ Das heiße nicht, dass die Baumarten, die jetzt hier
       wüchsen, komplett verschwinden müssten. Aber sie würden nicht mehr so hoch
       wachsen, lichter vielleicht. Förster Engeter blickt nach oben. „Aber ein
       Wald bleibt das“, sagt er, „das ist schon mein Ziel, dass ich den erhalte.“
       
       14 Oct 2023
       
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