# taz.de -- Mehr Anerkennung für Korsika: Autonomie von Macrons Gnaden
       
       > Frankreichs Präsident konkretisiert seine Pläne für die Insel Korsika.
       > Manchen gehen die Zugeständnisse an die Insel nicht weit genug, anderen
       > zu weit.
       
 (IMG) Bild: Emmanuel Macron besucht Korsika, das auf mehr Unabhängigkeit pocht
       
       PARIS taz | Die Frage der Autonomie für Korsika soll nicht länger „ein
       Totem für die einen und ein Tabu für die anderen“ sein, sagte der
       französische Präsident Emmanuel Macron am Donnerstag vor der Korsischen
       Versammlung. Macron war aus Anlass der Feierlichkeiten für den Aufstand
       gegen die Besetzung und die Befreiung Korsikas vor 80 Jahren gekommen.
       
       Doch das eigentliche Thema seines Besuchs war eine institutionelle
       Reform, die den lokalen Inselbehörden nicht nur zusätzliche Zuständigkeiten
       übertragen, sondern auch die Besonderheiten Korsikas mit einem Artikel in
       der Verfassung der französischen Republik verankern soll. Macron sprach in
       der Inselhauptstadt Ajaccio von einer „historischen Etappe“. Seine Rede
       möchte er als „gereichte Hand“ verstanden wissen.
       
       Bisher war allein schon [1][das Wort „Autonomie“] für die jeweils
       Regierenden auf dem französischen Festland ein Tabu gewesen. Die korsischen
       Nationalisten, die derzeit über eine Mehrheit in der Korsischen Versammlung
       verfügen, hatten lange sogar ultimativ eine Unabhängigkeit gefordert. Schon
       die Tatsache, dass Macron seine Ansprache mit dem Ruf „Vive la Corse, vive
       la France et la République!“ beendete, verdient also Beachtung.
       
       Fast dieselben Worte hatte vor zehn Jahren schon sein Vorgänger François
       Hollande in den Mund genommen, das war damals politisch mutig und ein
       kleiner Skandal. Heute scheint der Weg zu einer Autonomie nach
       vorbereitenden Diskussionen zwischen den Nationalisten in Ajaccio und der
       Pariser Regierung fast eine Selbstverständlichkeit geworden zu sein.
       
       ## Macron versucht die Tragweite zu relativieren
       
       Für die Konkretisierung mit einem gemeinsamen Text der institutionellen
       Reform hat [2][Macron] eine Frist von sechs Monaten angesetzt. Bis dann
       sollte die Korsische Versammlung der ausdrücklichen Anerkennung der
       historischen, kulturellen und sprachlichen Besonderheiten sowie der
       Übertragung der politischen und administrativen Kompetenzen zustimmen – was
       kaum ein Problem darstellen dürfte. Danach aber ist eine Revision der
       französischen Verfassung erforderlich, für die es eine qualifizierte
       Dreifünftelmehrheit braucht.
       
       Da selbst diese Perspektive einer Autonomie für die Mittelmeerinsel in den
       beiden Kammern in Paris vor allem bei der rechten Opposition auf Ablehnung
       stoßen dürfte, versucht Macron bereits die Tragweite zu relativieren.
       Korsika bleibe Teil der Republik, und die Entscheidungen der Inselbehörden
       würden auch in Zukunft unter der Aufsicht der Verwaltungsjustiz und der
       Verfassungsrichter getroffen. Von einer Loslösung von der Republik oder
       umgekehrt von einem Ende der finanziellen Unterstützung Korsikas aus Paris
       solle keine Rede sein.
       
       Wie dies zu erwarten war, gehen aber Macrons symbolische Gesten und Worte
       einem Teil der [3][korsischen Nationalisten] nicht weit genug. Für den
       früheren Vorsitzenden der Korsischen Versammlung, Jean-Guy Talamoni (von
       der Parti Corsica libera) gebe sich Macron nur „offen in der Form“, er
       komme aber den „eigentlichen Forderungen der Nationalisten“ nicht entgegen.
       Außer der von Macron versprochenen Förderung der korsischen Sprache in den
       Schulen und der Verwaltung wünschen sie unter anderem einen Schutz der
       korsischen Einheimischen gegen die Immobilienkäufe von Festlandfranzosen.
       
       29 Sep 2023
       
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