# taz.de -- taz-Sonderausgabe zu Utopie: Don’t worry, bee happy
       
       > Vergiftete Felder, laute Straßen und lichtverschmutzte Dörfer, das war
       > einmal. Denn die Bienen wurden erhört.
       
 (IMG) Bild: „Früher war alles schlechter“. Davon ist die Rotpelzige Sandbiene überzeugt
       
       Meine Antennen stehen kerzengerade. Aus allen Richtungen strömen himmlische
       Düfte: Kapuzinerkresse, Lavendel und Thymian. Auf der Straße unter mir ist
       es fast still. Nur gelegentlich höre ich Fahrradschlösser klicken und
       E-Busse surren. Aus den Stadtteichen quaken die Frösche. Es ist ein guter
       Tag, um eine Wildbiene zu sein.
       
       Euretwegen wären wir fast ausgestorben. Vor wenigen Jahren noch fraßen sich
       Häuser und Straßen durch die Landschaft wie die Larven der Wachsmotte durch
       Honigwaben. Stundenlang flog ich über Kornfelder, ohne Pollen und Nektar zu
       finden.
       
       Einmal entdeckte ich eine Blume, die so stark nach eurem Insektengift
       schmeckte, dass mir ganz übel wurde. Weil es ständig, nicht nur am Tag,
       sondern auch in der Nacht, so verdammt hell war, fand ich nicht mehr zurück
       zu meiner Familie. Verloren und krank summte ich umher.
       
       Es musste sich etwas ändern. Seit es uns Bienen gibt, bestäuben wir
       Blütenpflanzen und bewahren die Artenvielfalt. Die Pflanzen, die wir
       bestäuben, landen später oft in euren Mäulern, wie auch der Honig unserer
       Schwestern. Ich will sagen: [1][Wir sind wichtig. Für euch, und für viele
       andere Lebewesen.]
       
       ## Als Aushängeschild triumphiert
       
       Zum Glück habt ihr uns erhört. Und uns zur Greta Thunberg unter den
       Insekten gemacht, zum Aushängeschild eurer Naturschutzkampagnen.
       
       Gerade noch rechtzeitig reagierte eure Königin aus dem Bundesministerium
       für Ernährung und Landwirtschaft, indem sie die nationale Strategie zum
       Erhalt der Familie der Hautflügler beschloss. Daraufhin habt ihr
       angefangen, eure Balkone zu begrünen. Nicht wie früher mit Kunstrasen und
       Plastikblumen, sondern nach der Balkonpflanzenpflicht mit Basilikum und
       Glockenblumen.
       
       [2][Mittlerweile fliege ich sogar gerne nach Berlin], Köln oder München.
       Denn neben den fast 60 Millionen Balkonen wachsen in deutschen Städten
       vertikale Gärten an den Hauswänden empor. Auf den grünen Dächern stehen
       tiefe Sandkästen. Darin nisten meine Artgenossen und die Menschenkinder
       halten sich fern. Am Stadtrand bewohnen wir die Hecken der Kleingärten.
       Denn nach der Heckenschnittverordnung ist es euch verboten, sie jeden
       Sommer in Herzen, Bögen oder Quadrate zu schneiden.
       
       ## Oh wie schön ist das Landleben
       
       Auch das Leben auf dem Land hat sich verändert. In Niedersachsen wachsen
       meterbreite Wildblumenstreifen am Rand von Getreidefeldern und Landstraßen.
       Ihr nennt sie Bienen-Highways. Weil [3][Landwirt:innen weniger Pestizide
       spritzen, wird mir nicht mehr schlecht], wenn ich auf dem Highway Nektar
       sauge.
       
       Dicht an dicht wachsen auf den Dünen der Nordseeküste Wildrosen und
       Besenheide. Seitdem nicht mehr vor jeder Sandwand ein Strandkorb steht,
       trauen sich meine Artgenossen wieder dort zu nisten. Und im Süden gibt es
       ein gigantisches Lichtschutzgebiet, so groß, dass im Zentrum kein
       künstliches Licht leuchtet. Die wenigen Träumer:innen, die nachts dorthin
       fahren und in die Sterne schauen, bemerken uns nicht.
       
       26 Oct 2023
       
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