# taz.de -- Im Zug von Hamburg zum Bodensee: Den ICE müssen wir vorlassen
       
       > Das Deutschland-Ticket beim Wort genommen: Ohne einen einzigen schnellen
       > Zug zu besteigen, reist unsere Autorin von Hamburg an den Bodensee.
       
 (IMG) Bild: Deutschland, vom Regionalzug aus betrachtet
       
       Da war dieser Wunsch, einmal den Bodensee zu bereisen, von dem man so viel
       in Romanen liest. Von Hamburg aus ratschen die ICEs auf eigenen Trassen in
       den Süden, über Kassel-Wilhelmshöhe und Würzburg. Oder weiter östlich über
       Berlin, Leipzig, Erfurt. In nur fünf, sechs Stunden wären wir dort. Aber
       die Landschaft, die Häuser, die Flüsse, die Tiere auf den Feldern: Es
       rauscht alles so schnell vorbei, in einem irgendwann nur noch grauen
       Bilderbrei.
       
       Warum nicht langsamer reisen? Die Fahrplanauskunft der Deutschen Bahn lässt
       sich so einstellen, dass ein Ziel ohne ICE und Intercity erreicht wird.
       Also so nur mit Nahverkehrszügen, sodass das Deutschlandticket als
       Fahrkarte reicht. Von Hamburg-Hauptbahnhof zur Insel Lindau am Bodensee,
       das ist so theoretisch in 14 Stunden und 7 Minuten zu schaffen, Abfahrt
       7.57 Uhr, Ankunft 22.04 Uhr – und acht Mal umsteigen.
       
       Nur muss das ja gar nicht an ein- und demselben Tag passieren. Mit den
       Regionalexpresslinien 3, 2, 1, 7, 80, 73 und 70 sowie einmal S-Bahn, ganz
       unten im Süden, führt unsere Reise durch 75 Städte, die wir uns alle
       ansehen können. Die Vorbereitung macht Spaß, versetzt uns schon ein
       bisschen in Hochstimmung, lange bevor wir aufbrechen. An den Bodensee in
       fünf Tagen, so planen wir. Das ist immer noch sportlich, wenn man bedenkt,
       dass diese Reise Wochen gedauert hätte, als es noch gar kein Bahn gab.
       
       ## Celle, 30. September
       
       Celle ist unsere Teststadt: Hier haben wir unseren ersten Mittagsstopp.
       Gemütlich sind wir um kurz vor elf in Hamburg in den Metronom gestiegen und
       gut vorangekommen. Gut, als um 12 in Uelzen alle Passagiere aufgefordert
       wurden, in einen anderen Zug umzusteigen, kam schon ziemlich Hektik auf in
       der engen Unterführung.
       
       Celles Bahnhof liegt eher trist und autogerecht am Rand der Stadt. Das
       erste Bauwerk, das schon beim Aussteigen ins Auge springt, ist ein lang
       gezogenes Park-and-Ride-Haus. Ein ehemaliges Hotel mit hübscher
       Stuckfassade, auf dessen Historie ein Plakat der Stadtwerke hinweist,
       beherbergt inzwischen ein Friseurgeschäft. Dass Reisende in Celle nächtigen
       könnten, gehört hier offenbar zur Vergangenheit.
       
       Wir gehen ein paar Schritte, bald verläuft parallel zur Bahnhofstraße eine
       Grünanlage. Auf einer Bank schläft ein Mann. Dann sehen wir Zäune, Mauern,
       ein altes Gebäude mit Natodraht am Dach: [1][Die JVA Celle] liegt friedlich
       im Sonnenschein, fast hübsch. Ein paar hundert Meter weiter, vorbei an
       einem aufgegeben Auktionshaus, auf das „Kein Mensch ist illegal“ gesprüht
       wurde, kommen wir zur Altstadt, in der es an diesem Samstagmittag vor
       Menschen nur so wimmelt. Entzückende Fachwerkhäuser umrahmen den „Großen
       Plan“, so heißt ein Platz, auf dem ein junger Mann auf einem Podest Gitarre
       spielt. Ringsherum trinken Menschen Kaffee und Bier. An einem Tisch sitzen
       Männer mit Jeanskutten, auf denen „AC/DC“ steht – offenbar ein Fantreffen.
       
       Eine Ecke weiter, an der Poststraße, wirbt die [2][Celler Tafel] mit einem
       Stand für ihr Anliegen. Gegenüber sind die Galeria-Kaufhof-Schaufenster
       leer, „Wir sagen Danke!“, ist die letzte Botschaft des Kaufhauses an die
       Kunden. Vor dem Portal des Celler Schlosses lässt ein Hochzeitspaar Fotos
       schießen. Auf einer Bank am Schloßgraben unter schattigen hohen Bäumen
       haben sich ein paar Ältere mit Bierdosen niedergelassen, es riecht nach
       Zigarette. Von hier fährt die Buslinie 100 zurück zum Bahnhof. Die
       Klimaanlage kühlt, die Sitze sind weich und sauber.
       
       ## Göttingen, 30. September
       
       Eine entspannte Weiterfahrt über Hannover und durch das grüne Leinetal, mit
       eigenem Tisch zum Kartenspielen. Kurz bevor wir aussteigen, spricht uns ein
       älterer Herr an: Woher wir kommen, wohin wir wollen? Fahrgastbefragungen
       seien wichtig, um unter den Bahnfirmen das Geld zu verteilen. Als wir die
       Metronom-Züge loben, weil sie pünktlich sind, sagt der Mann, das sollten
       wir mal den Mitarbeitern erzählen: „Die fallen Ihnen um den Hals.“
       
       Göttingen hat einen schönen großen Bahnhofplatz und viele Fahrradständer.
       Schon nach wenigen Metern erreichen wir die Altstadt, entlang der mit
       Platanen gesäumten Goethe-Allee, wo in einem ersten Stock auch unser Zimmer
       liegt. Wir haben vorab Hotels gebucht, und das in Göttingen war mit 128
       Euro fürs Doppelzimmer gleich das teuerste. Wir legen den Rucksack ab und
       bummeln, lassen uns ein Restaurant im Alten Rathaus empfehlen, das auch
       draußen Tische stehen hat, setzen uns aber doch lieber zum Italiener
       nebenan. Der hat kurz vor sechs fast keine Gäste, obwohl die Stadt voll
       ist, mehr Menschen sitzen bei der Eisdiele am sonnigen Ende des Platzes.
       
       Als es dämmert, baut ein Musiker mit Gitarre sein Mikrofon auf, neben ihm
       begleitet ihn einer auf einer Sitz-Trommel. Eine alte Frau stellt ihr Rad
       ab und tanzt zur Musik. Auch ein älterer Mann, in Cordhose und dunkelblauem
       Hend distinguiert wirkend, tänzelt ein paar Schritte, bevor er ehrerbietig
       eine Münze vor dem Duo ablegt. Auffällig viele Abendgäste steigen
       zielstrebig die Treppe zum Alten Rathaus hinauf. Wir schielen kurz rein: Im
       bunt bemalten Saal beginnt gleich die „21. Göttinger Gitarrennacht“.
       
       Wir drehen noch eine Runde durch die Altstadt. Das kleine Café Gartenlaube
       führt überraschend in einen verschlungenen Hinterhof. In einer Kirche an
       der Nikolaistraße steht eine Seitentür offen, drinnen singen junge Menschen
       ein Abendlied. Ein paar Schritte weiter sieht ein verwaistes Fachwerkhaus
       einsturzgefährdet aus: Die Fassade des „Schwarzen Bären“ wird von drei
       dicken Stützpfeilern gehalten, die selbst schon alt wirken. Auf dem Rückweg
       zum Hotel sehen wir Obdachlose, die vor den nun geschlossenen Läden ihr
       Nachtlager richten.
       
       Es ist Semesterbeginn. Ein Trupp Studenten zieht an uns vorbei und witzelt
       über von Chat-GPT geschriebene Masterarbeiten. Unsere Nacht bei auf Kipp
       gestellten Fenster wird unruhig. In einer Loungebar gegenüber haben junge
       Leute Hunderte rote Luftballons aufgeblasen – und platzen lassen. Ein 20.
       Geburtstag? Ein Ballons hat die Form einer Zwei.
       
       ## Mühlhausen, 1. Oktober
       
       Wir reisen gelassen, wollen uns nicht aus der Ruhe bringen lassen. Doch der
       Göttinger Bahnsteig ist voll, und das ist nun auch der Regionalzug nach
       Süden. Viele Studierende zieht es offenbar nach Hause. In strengem Ton
       fordert der Schaffner auf, die Taschen von den Sitzen zu nehmen, in die
       Gepäckablage.
       
       Mühlhausen, einstige Wirkungsstätte des Reformators und Revolutionärs
       Thomas Müntzer, ist unser zweiter Zwischenstopp. Wir sind in Thüringen! Ein
       großer Greifvogel kreist gegenüber dem Bahnhof über Büschen und Bäumen. Vom
       Bahnsteig erreichen wir einen verlassenen Busbahnhof. Nehmen die Linie bis
       zur „Pfortenstraße“, wo ein Wall die Altstadt begrenzt. Eine ältere Frau
       mit schwarzem Kopftuch schiebt eine Kinderkarre, drei Jugendliche sitzen
       auf einer Bank und spielen mit dem Smartphone. Wir folgen einer Gasse zur
       Marienkirche aus dem 14. Jahrhundert. Dort erklärt ein als Mönch
       verkleideter Stadtführer einer kleinen Touristengruppe gerade die
       Verzierungen am Kirchengiebel. Die Zuhörer lachen. Irgendetwas Anzügliches,
       das Mönch und Nonne da oben offenbar tun, schnappen wir auf.
       
       Hinter der Kirche beginnt eine große Fußgängerzone, die etwas verlassen
       wirkt. In Mühlhausen leben 266 Einwohner je Quadratkilometer, in Göttingen
       sind es fast viermal so viele. Wir gehen die liebevoll mit Blumenampeln
       geschmückte Straße runter bis zum Eiscafé San Marco – wieder der Ort, an
       dem am meisten Betrieb herrscht, – und wieder zurück zur Kirche. Dort hat
       ein Grieche geöffnet. Die Stadt habe viel zu bieten. „Sie müssten schon
       zwei Tage bleiben“, sagt er beim Kassieren, nachdem wir ihm beichteten,
       dass wir nur zwei Stunden bleiben. Da fährt eine kleine Bimmelbahn auf
       Reifen an uns vorbei, die mit zwei, drei Gästen in 45 Minuten alle
       Sehenswürdigkeiten abklappert. So was wollen wir in der nächsten Stadt
       auch.
       
       ## Gotha, 1. Oktober
       
       So voll die Bahn am Morgen war, so leer ist der Zug zwei Stunden später.
       Konfettischnipsel und leere Bierflaschen liegen auf dem Abteilboden, es
       waren wohl Fußballfans vor uns da. Thüringen ist schön, es gibt viel zu
       gucken. Die ganze Fahrt über klackert eine leere Flasche gegen die Tür.
       Beim Aussteigen nehme ich sie mit.
       
       Vom Gothaer Bahnhof bringt uns eine gelbe Straßenbahn fast bis zum Hotel.
       Unser Zimmer liegt im 4. Stock und bietet einen weiten Blick über die
       Stadt. Die Einrichtung ist dem Publizisten Joseph Meyer gewidmet: Der Sohn
       der Stadt gab einst „Meyers Lexikon“ mit vielen Illustrationen heraus. Im
       Badezimmer sind nun nachgedruckte Lexikonseiten im Bodenbelag zu sehen:
       neben Seehunden, Löwen und Elefanten auch gruselige Schlangen.
       
       Nach Gotha sind heute mehr Besucher gekommen als nach Mühlhausen, aber auch
       hier sind es nicht viele. Unweit von unserem Hotel führt die schmale
       Waisengasse zum Neumarkt an der Margarethenkirche, wo wiederum eine
       Fußgängerzone ins Zentrum beginnt. Das alte Rathaus ist hier knallrot
       gestrichenen, die Häuser am dahinter liegenden Hauptmarkt sind es in
       Pastell. Der Platz, auf dem sich gemütlich wirkende Sitzflächen verteilen,
       steigt steil an bis zu einer Aussichtsplattform vor dem großen, weißen
       Schloss Friedenstein. Das Licht und der Blick über die Dächer hinaus aufs
       Land sind toll. Zwei Jungen auf Rädern passen den Moment ab, in dem der Weg
       frei ist, und sausen gefährlich nah zwischen Pollern und Passanten die
       Schräge hinab, hinunter in die Stadt. Nach ihnen tut ein Mountainbiker mit
       Helm das Gleiche. Es scheint die inoffizielle Downhill-Strecke dieser
       hübschen Renaissancestadt zu sein.
       
       ## Neudietendorf, 2. Oktober
       
       Ein Aufkreischen bei jedem neuen Getränk: Den Abschied erleichtert hat uns
       am Morgen die Kaffeemaschine im Frühstücksraum. Kaum eingestiegen in die
       Linie R1, fordert die Schaffnerin dazu auf, diesen Zugteil wieder zu
       verlassen: Er werde ausgesetzt. Entsprechend schlecht ist im
       weiterfahrenden vorderen Teil die Aussicht auf einen Sitzplatz. Im ersten
       Wagen belegten zwei junge Männer plus Rucksäcke eine Vierersitzgruppe. Der
       eine, den ich anspreche, nimmt sein Gepäck sofort auf den Schoß. Als ich
       den ihm gegenüber Sitzenden frage, reagiert der gereizt. „Die könnten ja
       auch fragen“, sagt er mit Blick auf die vielen Fahrgäste, da draußen im
       Gang, steht dann auf und geht mitsamt Rucksack. Die beiden Plätze besetzt
       daraufhin ein älteres Ehepaar.
       
       Die Bahnstrecke ist eingleisig. Wir müssen halten und einen anderen Zug
       vorbeilassen. Und wir verpassen unseren Anschlusszug, die R7 nach Würzburg.
       So kommt es, dass wir in der Mittagshitze zwei Stunden lang in einem Ort
       namens „Neudietendorf“ warten, den wir niemals für einen Stopp ausgewählt
       hätten. Uns wird klar, dass wir es niemals an einem Tag zum Bodensee
       geschafft hätten: Das geht nur auf dem Papier, Umsteigeketten sind
       sensibel, glatt läuft es nie, irgendwas ist immer.
       
       Im Bahnhof gibt es keinen Kiosk, aber eine „Landfleischerei“, die
       Mittagessen anbietet. Wir ordern zwei mal Bulette mit Gemüse und
       Kartoffeln. Die Verkäuferin macht das Essen warm, füllt es in eine schwarze
       Plastikschale und schweißt Klarsichtfolie drauf. „Wissen Sie, wo man sich
       hier im Grünen hinsetzen kann?“, frage ich. Sie reagiert, als hätten wir
       etwas falsch gemacht. Das hätten wir doch gleich sagen können, sagt sie:
       Sie hätten hinten doch Tische aufgestellt. Die Frau reicht uns die Tüte mit
       dem Essen über den Tresen. Wir gehen lieber.
       
       Durch den Ort, vorbei an einem Mann, der einen Zaun anstreicht, hin zu
       einem Friedhof, den wir auf der Landkarte gefunden hatten und der Schatten
       verspricht. Die Steine liegen flach auf dem Boden, das älteste Grab, so ist
       zu lesen, ist von 1743. Wir sind, so erfahren wir später, auf dem unter
       Denkmalschutz stehende Gottesacker der Brüdergemeinde gelandet, auf dem
       alle Gräber erhalten bleiben. Aber das Tor ist unverschlossen, Radfahren
       verboten. Also wird es wohl okay sein, sich hier aufzuhalten. Auf einer
       wackeligen Bank essen wir Frikadelle und Rosenkohl mit spitzen Fingern – an
       Besteck haben wir nicht gedacht.
       
       Der Zug, der uns von diesem Ort wegbringt, ist wieder ziemlich voll. Ich
       spreche eine ältere Frau an, ob ich neben ihr sitzen darf? Wir würden ihre
       Tasche auch für sie ins Gepäckfach heben. Das will sie aber nicht: Dann
       würden die Sachen zerdrückt. Sie spricht kein Wort mehr, während der Zug
       durch den Thüringer Wald saust. Der liegt beim Blick aus dem Fenster auch
       mal leicht schräg. Es ist ein wenig wie auf einer Achterbahn: Es gibt
       spezielle Triebwagen, die sich neigen können, erklärt uns später ein
       Fahrgast.
       
       ## Schweinfurt, 2. Oktober
       
       Später als geplant erreichen wir Schweinfurt-Stadt. Beim Ausstieg steht
       eine Asiatin mit einem Klappbett im Weg. Das wollte sie eigentlich rollen,
       aber die Rollen sind kaputtgegangen. Wir helfen ihr, das Ding bis zum
       Ausgang zu tragen. Dann irren wir etwas durch die Gegend, vorbei an einem
       Kulturhaus mit Anti-Nazi-Plakaten und einer Skaterbahn. Als wir uns am
       Marienbach auf eine Bank setzen, setzt sich auch eine Hornisse – auf meine
       Tasche.
       
       Als wir das Tier vertrieben haben, schaffen wir die letzten Meter vorbei am
       Main und einer Beachbar einige Treppen hinauf bis zu einer fürchterlich
       lauten Autobrücke. Uns wird bewusst, wie angenehm still es dagegen in
       Thüringen war. Die Feuerwehr hält mit Blaulicht vor einem Kunstmuseum auf
       der anderen Straßenseite. „Fehlalarm“, hören wir Passanten sagen. Direkt
       daneben, im restaurierten Erbracher Hof, liegt unser Altstadthotel. Das
       Zimmer ist ein wenig düster, aber mit Himmelbett.
       
       Es ist nicht weit zum Markt, wo wir Pasta und Tomatensuppe essen und noch
       durch die Gassen gehen. Viele junge Menschen sind an diesem Brückentag
       unterwegs. Eine Frau bettelt vor Edeka. Wir wollen ans Wasser. Auf der
       Maininsel sitzen wir auf einer Bank und sehen Schweinfurts Skyline am
       Abend. Gänse fliegen uns vom Fluss her entgegen. Ein Turm sticht heraus,
       der „Schrotturm“. Schweinfurt ist ein bedeutender Industriestandort mit
       Geschichte. Um kleine Kugeln zu erzeugen, also Munition, goss man dort
       früher Blei aus der Höhe in kaltes Wasser.
       
       ## Donauwörth, 3. Oktober
       
       In Donauwörth beziehen wir ein schönes, geräumiges Zimmer im Goldenen
       Hirschen, während unten die Belegschaft reichlich Mittagsgäste zu versorgen
       hat. Wir blicken direkt auf die Kirche gegenüber, wieder ein schöner alter
       Ort. Nur die Luft draußen ist sehr stickig. Eine Wetter-App zeigt schlechte
       Luftqualität und hohe Feinstaubbelastung für diesen Teil Bayerns an. Zum
       Glück kommt abends wenigstens ein Gewitter auf.
       
       ## Lindau-Insel, 4. Oktober
       
       Ach ja, wir wollen an den Bodensee. Am fünften Tag unserer Reise kommen wir
       in Lindau an. Die Stadt ist zauberhaft, bunte Geschäfte, alte Häuser, am
       Hafen bilden eine Löwenskulptur und ein alter Leuchtturm das Eingangstor.
       Und der Blick auf die Berge ist schön. Hier fährt auch eine Bimmelbahn so
       wie in Mühlhausen. Am Ufer hinter dem Bahnhof befindet sich Deutschlands
       „südlichste Sunset-Bar“, die Menschen schauen zu, wie die Sonne im See
       verschwindet.
       
       In Lindau bleiben wir zwei Nächte. Die Bimmelbahnfahrt ist etwas lieblos,
       der Fahrer fährt schnell, es wird nur wenig erklärt. Ein kurzer Abstecher
       mit der Fähre in die Schweiz irritiert uns, weil es dort so ruhig und leer
       ist – langweilig. Tags darauf nehmen wir die Fähre bis nach Meersburg und
       Überlingen, tolle Urlaubsorte und lebendige Städte: In Meersburg sehen wir
       zu, wie Winzer ihre Trauben zum Pressen abliefern. In Überlingen
       verschwindet morgens der See im Nebel.
       
       Dann müssen wir auch wieder zurück, wieder nur mit dem Nahverkehr Über
       Radolfzell planen wir die Fahrt mit der RE2 nach Offenburg. Das sei die
       schönste Strecke, hatte uns ein Rentner verraten, der schon seit Wochen mit
       dem 49-Euro-Ticket herumcruist, „zum Einkaufen“. Und wirklich: Die Strecke
       ist schön. „Da will ich wohnen!“, ruft ein kleines Mädchen aus, als der Zug
       aus einem Tunnel auftaucht und ein Almhaus zu sehen ist.
       
       Für den Oktober ist es ungewöhnlich warm. In Offenburg übernachten wir mit
       Schwarzwaldblick und schauen an der Stadtmauer sich kabbelnden Jugendlichen
       zu. Heidelberg wuselt vor Touristen, trotzdem ergattern wir eine Rundfahrt
       im Cabrio-Sightseeing-Bus und bekommen diesmal auch alles erklärt. In
       Marburg, weithin als linke Unistadt geltend, geraten wir prompt in eine
       Demo gegen Rechts. Und in Hameln wird uns sogar das Frühstücksei in einer
       Ratte aus Filz serviert.
       
       Die letzte Etappe nach Hamburg dauert dann wieder etwas länger: Zweimal
       müssen wir einen ICE vorlassen. „Die wichtigeren Züge“, nennt sie der
       Schaffner.
       
       21 Oct 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Weihnachtsmarkt-im-Gefaengnis/!5900263
 (DIR) [2] https://www.celler-tafel.de/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kaija Kutter
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Stadtland
 (DIR) wochentaz
 (DIR) Lesestück Recherche und Reportage
 (DIR) Deutsche Bahn
 (DIR) Bahnfahren
 (DIR) Reiseland Deutschland
 (DIR) Bahnfahren
 (DIR) Bahn
 (DIR) wochentaz
 (DIR) 49-Euro-Ticket
 (DIR) ÖPNV
 (DIR) ÖPNV
 (DIR) Tickets
 (DIR) CO2-Emissionen
 (DIR) Verkehrswende
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Metronom dünnt Fahrplan aus: Zug um Zug gestrichen
       
       Der Metronom kürzt seinen Fahrplan zur Hauptverkehrszeit zusammen – und
       begründet das mit mehr Verlässlichkeit. Das Problem heißt Fachkräftemangel.
       
 (DIR) Beeinträchtigung im Bahnverkehr: „Es werden Strecken gesperrt“
       
       Bund und Länder blockieren eine Gesetzesänderung zur Sanierung des
       Schienennetzes. Das kann fatale Folgen haben, sagt Verkehrsexperte Dirk
       Flege.
       
 (DIR) Taschen und Rucksäcke: Begleiter seit der C-Jugend
       
       Lange hat unser Autor gesucht nach einer Tasche, die sowohl Alltag als auch
       Kurztrips kann. Fündig wurde er schließlich im eigenen Keller.
       
 (DIR) Warnungen vor Aus für Deutschlandkarte: Stendal streicht 49-Euro-Ticket
       
       Der Landkreis Stendal fürchtet Zusatzkosten und steigt aus dem Abo aus.
       Kund:innen sind verunsichert. Verbände warnen vor den Folgen.
       
 (DIR) Zukunft des Deutschland-Tickets: Das Aus wäre eine Blamage
       
       Billiger Zugfahren, modernerer ÖPNV: Das Deutschland-Ticket ist ein
       Innovationstreiber. Eine Erkenntnis, die noch nicht überall durchgedrungen
       ist.
       
 (DIR) Deutschlandticket: Nachfrage pendelt sich ein
       
       Rund zehn Millionen Menschen nutzen 49-Euro-Ticket. Die Hälfte von ihnen
       hat ihr altes Abo umgewandelt.
       
 (DIR) Vergünstigte Bahntickets: Global fahren, lokal zahlen
       
       Die Finanzierung des 49-Euro-Tickets ist noch nicht gesichert. Und doch
       spinnen die Verkehrsminister aus Deutschland und Frankreich große Pläne.
       
 (DIR) Studie von Greenpeace: Fliegen ist billiger als Bahnfahren
       
       Eine Zugreise ist im Schnitt doppelt so teuer wie ein Trip mit dem Flieger,
       zeigt eine Greenpeace-Studie. Expertinnen fordern höhere Kerosinsteuern.
       
 (DIR) Das Deutschlandticket: Revolution für 49 Euro
       
       Endlich gibt es einen deutschlandweiten Bus- und Bahntarif. Aber das
       Nörgeln geht schon los. Dabei sollten wir es feiern, findet unser*e
       Kolumnist*in.