# taz.de -- Antisemitismus in Brandenburg: Attacke auf Pfarrhaus
       
       > Im brandenburgischen Fürstenwalde sucht die Polizei nach Zeugen. Zum
       > Schutz der Mieter soll es erst mal keine Israel-Solidaritäts-Aufrufe mehr
       > geben.
       
 (IMG) Bild: Der Schaukasten bleibt leer: Vor dem Pfarrhaus in Fürstenwalde
       
       BERLIN taz | „Dieser Schaukasten bleibt leer“ – mit dieser Aktion macht
       [1][der evangelische Pfarrer Kevin Jessa] auf mehrere antisemitische
       Attacken im brandenburgischen Fürstenwalde in den vergangenen Tagen
       aufmerksam. Am Montagabend flogen sieben Steine gegen das Pfarrhaus der
       evangelischen St. Marien-Domgemeinde Fürstenwalde/Spree. Ein
       Solidaritätsaufruf der Jüdischen Gemeinde zu Berlin mit der Aufschrift „Wir
       schützen jüdisches Leben“ und einem Davidstern wurde aus einem Schaukasten
       herausgerissen.
       
       Nicht zum ersten Mal. Erst in der Nacht zu Samstag war die [2][Scheibe des
       Schaukastens von Unbekannten mutwillig zerstört] und der erste Soli-Aufruf
       entwendet worden. Pfarrer Kevin Jessa hatte den Appell zuvor auch
       anlässlich des Gedenkens an die Reichspogromnacht am 9. November 1938 vor
       dem Pfarrhaus angebracht.
       
       Nach der zerstörten Scheibe flogen nun Steine. Drei große an die Wand, wie
       Jessa vermutet, vier kleinere an ein Fenster des Pfarrhauses. „Niemand kam
       zu Schaden“, sagt der evangelische Pfarrer. Aber: „Wenn der Aufruf nicht
       mehr hängen kann, ohne Menschen zu gefährden, dann hängen wir vorerst
       nichts mehr aus.“ Deshalb bleibt der Schaukasten leer. Auch um Ruhe
       reinzubringen, hofft Jessa. Wie ein Einknicken vor der Gewalt soll es aber
       nicht wirken.
       
       Seit dem brutalen Angriff der Terrormiliz Hamas auf Israel am 7. Oktober
       wurden auch in Fürstenwalde [3][im Landkreis Oder-Spree] etliche
       propalästinensische Parolen gesichtet und antisemitische Attacken entdeckt.
       „Die Stimmung ist aufgeheizt derzeit, aber mit dieser Gewalt hätte ich
       nicht gerechnet“, sagte Jessa der taz. Der evangelische Pfarrer setzt sich
       seit Jahren für Toleranz und ein gutes Miteinander zwischen den Religionen
       ein. In einem Aufruf auf Social Media machte er am Dienstag auch klar:
       „Aber nicht vergessen: Synagogen sind die einzigen Gotteshäuser in unserem
       Land, die noch immer Schutz brauchen – und seit dem 7. Oktober noch
       dringlicher.“
       
       ## Polizei sucht Zeug:innen
       
       Auch die zweite Attacke hat Jessa sofort zur Anzeige bei der zuständigen
       Polizeidienststelle in Fürstenwalde gebracht und den Fall bei der
       Fachstelle Antisemitismus in Brandenburg gemeldet. Ermittelt werde zum
       Vorwurf der Sachbeschädigung und des Diebstahls im besonders schweren Fall
       gegen noch unbekannte Täter, heißt es seitens der Polizei in Fürstenwalde.
       Mögliche Zeug:innen des Geschehens sowie Personen, die auch ansonsten
       sachdienliche Hinweise zur Ergreifung der Täter liefern können, werden
       gebeten, sich umgehend bei der Polizei zu melden.
       
       Am vergangenen Wochenende fanden anlässlich des Gedenkens an die
       Reichspogromnacht vor 85 Jahren etliche Veranstaltungen in Brandenburg
       statt. Zudem widmete sich die Fachstelle Antisemitismus in einer
       Aktionswoche jüdischem Leben in Brandenburg. Der Terrorangriff der Hamas
       auf Israel beeinflusste die Veranstaltungen maßgeblich.
       
       Sowohl Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) als auch die
       Forschungs- und Kulturministerin Manja Schüle (SPD) hatten Angriffe auf
       Jüdinnen und Juden oder jüdische Einrichtungen scharf verurteilt und die
       Bedeutung einer freien und aufgeklärten Gesellschaft betont. Die
       antisemitischen Attacken in Fürstenwalde sind auch dem brandenburgischen
       Innenministerium bekannt. Bis Redaktionsschluss lag jedoch noch keine
       Reaktion seitens des von Michael Stübgen (CDU) geführten Ministeriums der
       taz vor.
       
       Pfarrer Kevin Jessa steht an diesem Dienstag noch immer unter Schock. Aber
       seine Haltung bleibt auch ohne Aushang im Schaukasten sichtbar, sagt er.
       „Wir schützen jüdisches Leben. Daran will ich weiter mitwirken, wo auch
       immer ich kann.“ Wie das angesichts der gewaltvollen Attacken auf sein
       Pfarrhaus in Fürstenwalde funktionieren kann, darauf hat Jessa derzeit noch
       keine Antwort.
       
       15 Nov 2023
       
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