# taz.de -- Parteitag der „neuen“ Linkspartei: Marktlücke sucht Füllung
       
       > Die Linke zeigt sich als neue Partei: jünger, migrantischer, weiblicher.
       > Ohne Wagenknecht hat die Partei eine echte Chance für einen Neuanfang.
       
 (IMG) Bild: Noch happy: Die Linken-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Rackete und Schirdewan
       
       „Wer nicht kämpft, hat schon verloren“, zitierte Linkenchef Martin
       Schirdewan den großen Literaten Bertolt Brecht beim Parteitag in dessen
       Geburtsstadt Augsburg. Mit der parteilosen Spitzenkandidatin Carola Rackete
       zieht er in den Europa-Wahlkampf: Die Klima-Aktivistin und
       Sea-Watch-Kapitänin soll frischen Wind bringen und neue Wählerkreise
       ansprechen. Mit neuem Logo, neuen Mitgliedern, ungewohnter Einigkeit und
       neuem Elan lässt die Partei den zermürbenden Streit der vergangenen Jahre
       um den richtigen Kurs hinter sich. Wagenknecht ist für die Linken
       Geschichte.
       
       Die Partei müsse jünger, weiblicher und migrantischer werden – das hatten
       schon die früheren Chefs Katja Kipping und Bernd Riexinger gefordert. Knapp
       drei Jahre nach deren Ära und dem Abgang der Linksnationalisten um
       Wagenknecht startet die Partei ihre Erneuerungskampagne: [1][Eine „Linke
       für alle“] wollen sie sein.
       
       Parteichefin Janine Wissler erinnerte in ihrer Rede daran, dass sie beim
       Gründungstreffen der Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit (WASG) in Hessen
       2004 die einzige Frau war neben 38 Männern, die meisten von ihnen doppelt
       so alt wie sie.
       
       Damals trieben die unsozialen Hartz-IV-Gesetze der rot-grünen Koalition
       viele enttäuschte SPD-Mitglieder und Gewerkschafter zum westdeutschen
       Vorläufer der Linkspartei. Der Enttäuschung über den neoliberalen
       Rechtsruck unter Gerhard Schröder verdankte die Linkspartei in jener Zeit
       ihre größten Wahlerfolge.
       
       Die aktuelle Situation ist vergleichbar: Der [2][Rechtsruck der Ampel] in
       Migrations-, Klima- und sozialen Fragen treibt den Linken neue Menschen zu.
       In Augsburg präsentierten sich drei Neuzugänge, alle um die 30, die der
       Linken neuen Schwung verleihen wollen und sollen.
       
       ## Neustart oder linke Folklore?
       
       Die Nachfrage ist da, aber reicht das schon für einen Neustart? Mit ihrem
       Beharren darauf, die Migrationspolitik menschenfreundlich und den
       ökologischen Umbau sozial zu gestalten, hat die Linke zwar ein
       Alleinstellungsmerkmal. Und mit rechten Populisten wie Trump, Meloni und
       dem Millionär Elon Musk gibt es genügend Feindbilder, die Gemeinsamkeit
       stiften.
       
       Aber dass potenzielle Neumitglieder [3][mit linker Folklore fremdeln
       können], zeigte eine Nebenbemerkung von Carola Rackete über die
       SED-Vergangenheit der Partei, mit der sie in ein Fettnäpfchen trat und sich
       später dafür entschuldigte.
       
       Entscheidend für die Zukunft der Linken ist die Frage: Was bedeuten
       Vielfalt und Erneuerung jenseits der Strömungen und ideologischen Lager,
       die sie bisher prägen? Sich auf Säulenheilige der Vergangenheit wie Bertolt
       Brecht zu beziehen, wird da allein nicht reichen.
       
       19 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
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