# taz.de -- Regierung in Großbritannien: Unerwartetes Comeback
       
       > Der britische Premier Rishi Sunak besetzt mehrere Kabinettsposten neu –
       > und holt einen ehemaligen Regierungschef zurück.
       
 (IMG) Bild: Er ist wieder zurück: Der ehemalige britische Premierminister David Cameron
       
       LONDON taz | Gegen 8.40 Uhr – ungewöhnlich früh für einen Montagmorgen –
       sickerte die Meldung durch, dass der britische Premierminister Rishi Sunak
       seine bisherige [1][Innenministerin Suella Braverman] gefeuert habe. Binnen
       einer Stunde begannen größere Umbesetzungen in seinem Kabinett. [2][James
       Cleverly], bisher Außenminister, wurde der neue Chef des riesigen
       britischen Innenministeriums.
       
       Überraschender war jedoch die Ernennung des neuen Außenministers: Es ist
       kein geringerer als David Cameron, zwischen 2010 und bis zum Ergebnis des
       [3][Brexit-Referendums 2016] britischer Premier. Da Cameron kein gewählter
       Abgeordneter ist, erfolgte seine Ernennung, nachdem ihn König Charles im
       Eilverfahren zu einem Mitglied des House of Lords gemacht hatte.
       
       Die Entlassung Bravermans folgte auf ihre kontroversen und nicht mit 10
       Downing Street abgesprochenen Aussagen in der Times vergangene Woche. Sie
       hatte der Polizei vorgeworfen, gegen propalästinensische Demonstrationen
       und Black-Lives-Matter-Proteste im Vergleich zu Fußballfans und
       Lockdowngegner:innen härter vorzugehen. Ihre Aussagen waren der
       Auslöser für rechtsextreme Gegenproteste und gewalttätige Angriffe am
       Samstag in London, dem Tag des Gedenkens an die seit 1914 in Kriegen
       gefallenen britischen Soldat:innen.
       
       Bereits in den vergangenen zwölf Monaten war Braverman mit scharfen
       Aussagen über Obdachlose, Bootsflüchtlinge, und Multikulturalismus
       aufgefallen. Noch am Sonntag hatte sie auf X, ehemals Twitter, behauptet,
       Londons Straßen seien durch Hass, Gewalt und Antisemitismus verunreinigt.
       
       ## Zweimal das Innenministerium verlassen
       
       Es ist bereits das zweite Mal, dass Braverman ihren Posten als
       Innenministerin verlassen musste. So trat sie unter Sunaks Vorgängerin Liz
       Truss aufgrund von Regierungsdokumenten zurück, welche sie an Unbefugte
       E-Mails weitergegeben hatte. Doch Sunak holte sie zurück – wahrscheinlich,
       um mit ihr eine Vertreterin des rechten Flügels der Partei in sein Kabinett
       mit aufzunehmen. Braverman schielt auf die Parteiführung, für die sie
       bereits 2022 kandidierte. Zudem geniest sie das Wohlwollen zweier rechter
       Torygremien: der „New Conservatives“, eine Gruppe von Abgeordneten, die
       2019 ehemalige Labourhochburgen eroberten, und der „Common Sense Group“,
       ein Konsortium rechtsreaktionärer Tories.
       
       Mit der Ernennung von James Cleverley und David Cameron, mag Rishi Sunak
       ministerielle Erfahrung auf den wichtigsten Posten signalisieren wollen.
       Bei verschiedenen Nachwahlen binnen des vergangenen Jahres hatten sich
       ehemalige Konservative für die Rückkehr der „moderateren“ „One
       Nation“-Tories im Stile Camerons ausgesprochen.
       
       ## David Cameron, ein unbeschriebenes Blatt
       
       Doch Cameron ist kein unbeschriebenes Blatt. So war er es, der das
       Brexitreferendum angesetzt hatte. Zudem waren es die Regierungen unter
       seiner Führung, [4][deren Austeritätspolitik das Gesundheitssystem und
       soziale Dienste auszehrte].
       
       Zuletzt musste sich David Cameron dafür entschuldigen, 2020 während der
       Coronapandemie seine politischen Kontakte ausgenutzt zu haben, um dem
       Finanzunternehmen Greensill zu einem Regierungsauftrag zu verhelfen.
       Weitere Kritik musste sich Cameron gefallen lassen, weil er erst vor einem
       Monat als Fürsprecher für ein umstrittenes chinesisches Hafenprojekt in Sri
       Lanka aufgetreten war. Der langjährige konservative Abgeordnete Ian Duncan
       Smith, der aufgrund seiner Kritik an China von Peking mit Sanktionen belegt
       ist, kritisierte deshalb Camerons Ernennung.
       
       Inwieweit Sunak mit den Umbesetzungen im Kabinett seinem
       Parteitagsversprechen, dem Konsens der vergangenen 30 Jahre eine neue
       Politik entgegenzusetzen, nachkommt, bleibt derzeit offen. Klar ist, dass
       dies jedoch sein letztes Aufgebot sein könnte, mit dem er 2024 in den
       Wahlkampf zieht.
       
       Derweil gab es auch noch andere Umbesetzungen. Neuer Umweltminister wird
       Steve Barclay. Unter Boris Johnson war er Brexit-Minister und bis zum
       Montagmorgen Minister für Gesundheit und Soziales. Victoria Atkins,
       ehemalige Staatssekretärin im Finanzamt, wurde Steve Barclays Nachfolgerin.
       Eine ganze weitere Liste von Umbesetzungen war bis Redaktionsschluss nicht
       bekannt.
       
       13 Nov 2023
       
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