# taz.de -- Ist die Letzte Generation kriminell?: Eine Frage der Demokratie
       
       > Das Landgericht München hat den Verdacht bestätigt, die Letzte Generation
       > sei eine kriminelle Vereinigung. Die Argumentation überzeugt aber nicht.
       
 (IMG) Bild: Mit gefesselten Händen protestieren Aktivistinnen der „letzten Generation“ vor dem Kanzleramt in Berlin
       
       Im Mai fanden bundesweit [1][Hausdurchsuchungen] bei Aktivist:innen der
       Letzten Generation statt. Es wurden Computer mitgenommen, das Spendenkonto
       wurde beschlagnahmt, ebenso die ursprüngliche Homepage. Grundlage waren
       Ermittlungsverfahren gegen die Betroffenen wegen Mitgliedschaft in einer
       „kriminellen Vereinigung“ oder deren Unterstützung. Das Amtsgericht München
       hatte die Razzien vorab abgesegnet. Das Landgericht München I hat dies nun
       bestätigt: Es bestehe der Anfangsverdacht, dass die Letzte Generation eine
       kriminelle Vereinigung ist.
       
       Zwei zentrale Argumente hat das Landgericht hierfür: Zum einen sei die
       Begehung von [2][Straftaten] - insbesondere von [3][Straßenblockaden] -
       einer der Zwecke der Letzten Generation. Außerdem bestehe eine „erhebliche
       Gefahr“ für die öffentliche Sicherheit, weil die Letzte Generation die
       Demokratie in Frage stelle: „Entscheidend ist, dass der gesellschaftliche
       Diskurs durch illegitime Mittel verletzt wird, indem eine Gruppierung
       versucht, sich – gegebenenfalls moralisch überhöhend – über die
       rechtsstaatliche Ordnung und die demokratischen Abläufe zu stellen“, so die
       zentrale Aussage des Münchener Gerichtsbeschlusses.
       
       So zugespitzt wurde bisher nicht vertreten, dass die Letzte Generation
       deshalb eine kriminelle Vereinigung sei, weil sie sich nicht an die
       demokratischen Regeln hält. Auf den ersten Blick leuchtet die Argumentation
       der Richter:innen aber ein. Denn die Letzte Generation will ja Regeln
       verletzen, um auf die die Dringlichkeit einer anderen Klimapolitik
       hinzuweisen.
       
       Doch für einen rechtsstaatlichen Umgang mit zivilem Ungehorsam würde es
       genügen, wenn die Aktivist:innen für die Delikte bestraft werden, die
       sie konkret begangen haben, also vor allem für die Nötigung von
       Autofahrer:innen. Dass zusätzlich auch noch jede mitgliedschaftliche
       Handlung und jede Unterstützung, zum Beispiel durch Geldspenden, unter
       Strafe gestellt wird, scheint mit Blick auf den Schutz der Demokratie
       dagegen übermäßig.
       
       ## Ungehorsam als Korrektiv der Demokratie
       
       Schließlich lehnt die Letzte Generation die Demokratie ja gerade nicht ab,
       sondern appelliert mit ihren Aktionen an die gewählten demokratischen
       Organe, also an die Bundesregierung und den Bundestag. Es mag für
       Jurist:innen nur schwer zu verstehen sein, aber ziviler Ungehorsam ist
       nicht demokratiefeindlich, er versteht sich als notwendiges Korrektiv
       innerhalb der Demokratie.
       
       Es mag andere Begründungen geben, warum die Letzte Generation die
       öffentliche Sicherheit „erheblich“ gefährdet (etwa ihre Drohung, ganze
       Städte lahmzulegen und die öffentliche Ordnung „maximal“ zu stören). Die
       Argumentation des Landgerichts München I kann dagegen nicht überzeugen.
       
       25 Nov 2023
       
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