# taz.de -- Russland bei Olympia 2024: Kollektiv und Agon > Russische Athletinnen und Athleten starten bei den Olympischen Spielen in > Paris. Ihre nationalen Farben dürfen sie nicht zeigen – und das ist gut > so. (IMG) Bild: Schwierige Nähe: Olympische und russische Flagge bei den Sotschi-Spielen Es ist ein Ideal, dass Sportler nur für sich und niemanden sonst in den Ring steigen oder auf die Tartanbahn gehen. Sie sind meist eingebunden in ein Sportkollektiv, einen nationalen Verbund. Sie sind, wie man vor allem bei Journalisten im Kriegseinsatz sagt – embedded. [1][Der Grad der Kollektivierung] – und damit auch der Instrumentalisierung – steigt gemeinhin mit einem miesen Ranking im Demokratie-Index. Die russischen Athleten sind in den Augen der Staatsführung Staatssportler. Sie unterstehen einer Räson, in Russland sagt man Ukas dazu. Wer allzu sehr mit individuellen und vielleicht sogar oppositionellen Gedanken auffällt, ist ohnehin draußen. Und dieses Draußen kann sehr ungemütlich werden. Die Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees, russische Sportler bei den Sommerspielen von Paris nur unter neutraler Flagge starten zu lassen, ist richtig. In Zeiten, da das Land als kriegerischer Aggressor auftritt, kann das IOC nicht anders, wenngleich es nach Ansicht von ukrainischen Politikern nicht weit genug gegangen sind. Diese fordern einen Komplettausschluss russischer Athleten. ## Balanceakt in schwindliger Höhe So bewegt sich das IOC mehr oder weniger lavierend zwischen den Extremen: In Russland beklagt man die wiederholte Zurücksetzung, fühlt sich ausgegrenzt und gedemütigt, in der Ukraine schimpft man übers IOC wegen einer anpasslerischen Appeasement-Politik und nennt die Verantwortlichen Heuchler. Realpolitik ist immer eine Gratwanderung, und ein Blick in die Geschichte zeigt, dass auch das IOC mehr als weiche Knie beim Balanceakt in schwindliger Höhe bekommen hat. Während die Mittelmächte des Ersten Weltkrieges bei Olympia 1920 nicht mitmachen durften und auch Japan und Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg mit einem olympischen Bannstrahl überzogen wurden, hatte etwa der Überfall der USA auf Vietnam keine Konsequenzen in den Jahren 1968 und 1972. Es ließen sich noch weitere Beispiele anfügen, die die ritualisierte Forderung der olympischen Gesellschaft, [2][die Waffen wenigstens während der Wettkämpfe ruhen zu lassen], ad absurdum führten, aber das ist Geschichte. Heute schaut die Weltöffentlichkeit hoffentlich genauer hin und lässt sich nicht von Funktionären [3][vom Schlage eines Avery Brundage] für dumm verkaufen. Die Russen, wollen sie wieder ihre Fahne schwenken, müssten so etwas wie die Brics-Games ins Leben rufen, eine Olympia-Alternative – mit einer neuen Sportart: moralisches Tauziehen. Wie lange kann das Gummiseil überdehnt werden, bis es reißt? 10 Dec 2023 ## LINKS (DIR) [1] https://olympics.com/ioc/news/strict-eligibility-conditions-in-place-as-ioc-eb-approves-individual-neutral-athletes-ains-for-the-olympic-games-paris-2024 (DIR) [2] https://olympics.com/ioc/news/un-general-assembly-adopts-olympic-truce-for-paris-2024 (DIR) [3] https://de.wikipedia.org/wiki/Avery_Brundage ## AUTOREN (DIR) Markus Völker ## TAGS (DIR) Kolumne Press-Schlag (DIR) Russland (DIR) IOC (DIR) IOC (DIR) Kolumne Russisch Brot (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine (DIR) Kolumne Olympyada-yada-yada ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Olympia-Auflagen für Russland: Nazis und Neutrale Das IOC formuliert Bedingungen für die Teilnahme von Athletinnen aus Russland bei Olympia. In Moskau ist die Empörung groß. (DIR) Russlands Rückkehr in den Weltsport: Ohne Z zurück auf die Matte Taekwondoins aus Russland und Belarus dürfen bald wieder international kämpfen. Ein Olympiasieger reinigt schon mal seine Social-Media-Accounts. (DIR) Russische Athleten bei Olympia: Schneller, höher, neutraler Im Weltsport ist der Umgang mit russischen und belarussischen Sportlern sehr unterschiedlich. Das spiegelt sich nun bei der Olympiafrage wider. (DIR) Russische Sportler bei Olympia: Schwieriger Kompromiss Dürfen russische Sportler zu den Olympischen Spielen kommen? Das IOC sucht Kompromisse. Doch ein Blick in die Geschichte zeigt: Ein Ausschluss ist wahrscheinlicher.