# taz.de -- Einsamkeitsstrategie der Bundesregierung: Arbeit ist auch keine Lösung
       
       > Die Bundesregierung hat ihre Strategie gegen Einsamkeit vorgestellt.
       > Darin wird aber das Wesentliche übersehen: unser Fokus auf die
       > Lohnarbeit.
       
 (IMG) Bild: Nach Feierabend
       
       Am Mittwoch hat die Bundesregierung 111 Maßnahmen gegen Einsamkeit
       beschlossen. Christian Lindner teilte ganz stolz mit, dass er nicht
       betroffen sei, denn er habe „intensiv gearbeitet“. Dabei ist genau diese
       Attitüde Teil des Problems. Unsere Gesellschaft ist so sehr auf Leistung im
       Bereich der Lohnarbeit ausgelegt – es verwundert kaum, dass [1][laut
       Freizeitmonitor] nur jeder fünfte Erwachsene einmal in der Woche
       Verabredungen mit Freund_innen hat.
       
       Politische Maßnahmen gegen [2][Einsamkeit] sollten daher nicht bloß für
       Parkbänke in der Öffentlichkeit und gemeinsame Singaktionen sorgen.
       Natürlich kann das helfen. Aber neben einem 40-Stunden-Job bleibt oft kaum
       noch Zeit für Familie, Hobbys oder Ehrenamt. Für das gute Leben eben.
       Eines, das einen nicht vereinsamen lässt.
       
       Es bräuchte Maßnahmen, die ermöglichen, dass Menschen sich tatsächlich
       auseinandersetzen können mit ihren sozialen Kontakten. Denn auch umgeben
       von Menschen kann man sich einsam fühlen. Den Unterschied macht die
       Verbindung, die man zu manchen von ihnen aufbaut. Das ist kein
       Selbstläufer. Denn es ist selten, dass man Menschen findet, zu denen man
       diese Verbindung spürt. Es braucht viel Zeit, diese Menschen zu finden,
       eine Beziehung aufzubauen und zu pflegen. Zeit, die viele Menschen [3][nach
       der Arbeit gar nicht mehr haben.]
       
       Besonders auffällig wird das, wenn man sich den Zusammenhang zwischen Armut
       und Einsamkeit anguckt – noch immer kann nicht jede Person in Deutschland
       von ihrem Vollzeitjob leben und ist darauf angewiesen, beim Amt
       aufzustocken. Wer mit solch existentiellen Fragen beschäftigt ist, wird
       wohl kaum zusätzlich noch Zeit finden, um sich mit der eigenen sozialen
       Situation zu beschäftigen.
       
       Der Zusammenhang zwischen Armut und Einsamkeit ist längst bewiesen. Würde
       die Bundesregierung Menschen tatsächlich aus der Einsamkeit holen wollen,
       könnte sie dort gut ansetzen. Dann müsste sie Geld in die Hand nehmen, um
       Menschen aus der Armut zu holen. Das ist allerdings teurer als bloße
       Symptombekämpfung.
       
       14 Dec 2023
       
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 (DIR) [3] /SPD-Berlin-fuer-32-Stunden-Woche/!5974304
       
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