# taz.de -- kritisch gesehen: samson young in der kestner gesellschaft hannover: Im Raum der klingenden Farben
       
       Mal was anderes, als immer nur anschauen! Dreimal darf Samson Young, 1979
       in Hongkong geboren und dort lebend, in der Kestner Gesellschaft Hannover
       seine multidisziplinäre Klang-Video-Raumkunst vorstellen. In der
       Kabinettausstellung um rund 40 historische Rollenbilder aus Japan ist es
       zwar nur das kleine, 15-minütige Video „Sonate für Rauch“ von 2020. Aber
       Young reißt damit schon an, welche akustischen Quellen er in seinen großen
       Kompositionen einsetzt: Neben klassischen und elektronischen Instrumenten
       sind es Geräusche der Natur, so des fließenden Wassers, oder aus Prozessen
       wie etwa dem rituellen Verbrennen von Weihrauch.
       
       Youngs raumfüllendes Video mit vier Audiokanälen „The Travellers and the
       Listeners“, bezieht sich auf ein kurzes Gedicht von Walter de la Mare übers
       Zuhören und die Stille. Young komponierte dazu sechs Sätze für einen
       Streicher und einen Holzbläser, die sich gegenüberstehen, zeitweilig von
       einem Radfahrer umkreist. Dieses minimalistische Setting ist aber nur eine
       von vielen Situationen, die Sound und Rhythmus visuell tragen: Der
       umgebende Ausstellungsraum ist dunkel. Ein roter Teppichboden dämpft
       akustisch und heizt zugleich die Atmosphäre an. Denn darum geht es Young:
       Räume, die über viele Sinne erfahren werden können, mit reichlich
       Inspiration für intellektuelle Assoziationen. In der Live-Version, wie
       dieses Jahr in Hongkong uraufgeführt, benötigte die Inszenierung drei
       Stunden. Die Fassung für Hannover ist auf ausstellungskompatible 41 Minuten
       reduziert.
       
       Auch das gigantische Opus „Variation of 96 Chords in Space“ entstand 2023.
       Sechs Video- und sechs Surround-Audio-Kanäle deklinieren das System einer
       Farb-Ton-Synästhesie durch – die Besucher:innen auf Kinosesseln
       mittendrin. Sie erleben, wie 96 Farben in je einen Akkord übersetzt werden,
       erzeugt von Instrumenten und Naturgeräuschen. Das Prinzip: hellere Farbtöne
       – einfache Akkorde, dunklere – komplexe Intervalle. Jeder Akkord ist
       Ausgangspunkt kurzer Kompositionen von bis zu 90 Sekunden, mit mobilen und
       stationären Mikrofonen aufgenommen und aus zwei Perspektiven gefilmt. Die
       Sequenzen bewegen sich, in Farbgruppen unterteilt, von hellen zu dunklen
       Schattierungen, monochrome Flächen und musikalische Situationen
       überschieben sich in unterschiedlich großen Projektionen. Ein Zyklus
       benötigt gute zwei Stunden, danach beginnt eine andere Farbgruppe. Also:
       hineinhören, sich an Farben berauschen – und aus dem Alltag tragen lassen!
       Bettina Maria Brosowsky
       
       Ausstellung: Samson Young, Kestner Gesellschaft Hannover. Bis 18. 2.
       
       29 Nov 2023
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bettina Maria Brosowsky
       
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