# taz.de -- Debatte nach Urteil zur Haasenburg: „Ehemalige haben keine Kraft mehr“
       
       > Brandenburgs Landtag stimmt für eine Entschädigung früherer
       > Haasenburg-Kinder. Aber nur auf Bundesebene, deshalb sind Betroffene
       > enttäuscht.
       
 (IMG) Bild: Richter vom Verwaltungsgericht während der Verhandlung zum Klageverfahren der Haasenburg GmbH
       
       BRANDENBURG taz | Einstimmig, nur mit Enthaltung der AfD, stimmte der
       Landtag in Brandenburg am Freitag [1][für einen Antrag], der sich
       solidarisch mit den früheren Bewohnern der Haasenburg zeigt. Der Landtag
       spricht sein Bedauern für das Leid der Kinder aus, die in den drei Heimen
       lebten, und fordert seine Landesregierung auf, sich für einen bundesweiten
       Entschädigungsfonds einzusetzen.
       
       Damit reagiert Brandenburgs Koalition aus SPD, CDU und Grünen auf das
       [2][jüngste Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus], wonach die
       Heim-Schließung vor zehn Jahren rechtswidrig war. [3][Eröffnet hatte die
       Debatte] die Linke Jugendpolitikerin Isabel Vandre mit den eindringlichen
       Worten: „Die Schließung der Haasenburg war und ist aus Kinder- und
       Jugendpolitischer Sicht ein notwendiger, unumgänglicher und lange
       überfälliger Schritt gewesen.“
       
       Vandre hatte einen [4][weitergehenden Antrag eingereicht], der eine
       Entschädigung durch das Land Brandenburg selbst vorsah. Denn auch wenn das
       brandenburgische Jugendministerium noch viele Jahre juristisch für die
       Rechtmäßigkeit dieses Schrittes kämpfen könne, „die ehemaligen Kinder und
       Jugendlichen, aus denen schon lange Erwachsene geworden sind, haben diese
       Zeit nicht mehr. Sie haben auch die Kraft nicht mehr, noch weitere Jahre
       für Entschädigung oder die Bewilligung von Therapiemaßnahmen zu kämpfen“.
       Deswegen, so Vandre, gehöre zu einer Verantwortungsübernahme des Landes
       Brandenburg auch die Bereitschaft, „direkt unbürokratisch“ zu
       unterstützten.
       
       Doch so weit ging die [5][Kenia-Koalition in ihrem Antrag] nicht.
       Gleichwohl stellen die drei Fraktionen fest, dass die Haasenburg Anlass zu
       Gesetzesverschärfungen gab und Kinderschutz bis 2013 „unzureichend“ war.
       Das Urteil habe bei den Betroffenen zu „großer Fassungslosigkeit“ geführt,
       sagte SPD-Politikerin Katja Poschmann. Denn vor der konsequenten Reaktion
       der Landesregierung, das Heim zu schließen, hätten junge Menschen dort viel
       Leid erfahren. „Liebe Jugendliche und junge Erwachsene, ich entschuldige
       mich ganz ausdrücklich für das Leid, das euch und Ihnen zu dieser Zeit
       geschehen ist“, sagte sie im Plenarsaal. Die Frage einer Entschädigung
       bedürfe jedoch einer „generellen Lösung“. Deshalb sollte die Konferenz der
       Jugendminister einen Fond prüfen, der allen zugänglich ist, die seit 1990
       als Kinder institutionelle Gewalt erlebten.
       
       „Der Haasenburg-Skandal hat mich damals sehr schwer erschüttert“, sagte
       auch Grünen-Fraktionschefin Petra Budke. Die Kinder und Jugendlichen dort
       seien Opfer schwarzer Pädagogik geworden. „Sie wurden gedemütigt,
       zwangsfixiert, eingesperrt. Erfuhren psychische und körperliche Gewalt bis
       hin zu sexuellem Missbrauch“. Doch die Betroffenen seien aus der ganzen
       Republik gekommen. Zu prüfen wäre ein Fonds, in den sowohl der Bund als
       auch alle Länder einzahlen. So ein Fonds sei realistisch, hatte dies doch
       2019 schon mal [6][der Bundesrat] gefordert.
       
       Für die Regierung ergriff Staatsrätin Claudia Zinke vom Ministerium für
       Bildung, Jugend und Sport (MBJS) das Wort. Das Urteil müsse für Betroffene
       wie ein weiterer Vertrauensverlust wirken. Doch das Ministerium werde die
       Möglichkeiten des Rechtsstaates ausnutzen. Zinke: „Das MBJS steht an der
       Seite der ehemaligen Bewohnerinnen und Bewohner der Haasenburg“.
       
       Die Debatte wurde auch von der Interessensgruppe der ehemaligen
       Haasenburg-Kinder verfolgt. „Ich bin enttäuscht, dass der Antrag der Linken
       abgewiesen wurde und es immer auf die Bundesebene abgeschoben wird“, sagt
       Vertreterin Ramona Seifert. „Nach dem Motto: tut uns leid, aber wir sind
       nicht die richtigen.“ In der Gruppe ist noch die Bremer Bürgerschaft
       präsent, die sich vor einem Jahr auch für die Haasenburg entschuldigte und
       beim Punkt Entschädigung auf die Bundesebene verwies. „Passiert ist seither
       nichts“, sagt Seifert. „Das ist ärgerlich“.
       
       16 Dec 2023
       
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 (DIR) [5] https://www.parlamentsdokumentation.brandenburg.de/starweb/LBB/ELVIS/parladoku/w7/drs/ab_8900/8919.pdf
 (DIR) [6] https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2019/0301-0400/351-19(B).pdf?__blob=publicationFile&v=1
       
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