# taz.de -- Projektleitung über lesbische WG: „Aussuchen, wer an deiner Seite ist“
       
       > Lesbische Frauen können in einer Berliner Wohngemeinschaft zusammen alt
       > werden. Ein fortschrittliches Projekt, das queere Frauen schützt und
       > fördert.
       
 (IMG) Bild: Grundsteinlegung im Januar 2024: Lesbische Frauen können in einer Berliner Wohngemeinschaft zusammen alt werden
       
       wochentaz: Frau Brambach, Frau Auf dem Berge, woraus ist die Idee Ihres
       Vereins für ein inklusives Wohnen und Leben für Lesben entstanden? 
       
       Jutta Brambach: Das ist jetzt wirklich schon sehr lange her. Der Verein RuT
       ist 1989 in Berlin-Neukölln entstanden. Wir haben damals den Besuchsdienst
       „Zeit für dich“ aufgebaut, der Frauen, die nicht mehr mobil oder
       anderweitig eingeschränkt waren, mit anderen Frauen zusammenbrachte. Die
       älteren Frauen sagten oft, wie toll es sei, dass sie so weiterhin eine
       Community hätten. Es kamen aber traditionell auch schon immer Frauen mit
       Behinderungen ins RuT, auch jüngere Frauen und andere, die sagten, sie
       wollen anders leben. Aus diesen Erfahrungen und Gesprächen und dem Wunsch,
       einen selbstbestimmten Ort zum Leben zu gestalten, [1][ist die Idee
       entstanden]. Mit vielen unterschiedlichen Ideen, offenen Runden, aus
       Überzeugung, eigener Initiative und vielen Frauen, die es ehrenamtlich
       unterstützt haben.
       
       Wie geht es lesbischen Frauen im Alter? 
       
       Jutta Brambach: Die Biografie von lesbischen und queeren Frauen
       unterscheidet sich von schwulen Männern und Männern generell, aber auch von
       heterosexuell lebenden Paaren, gerade im Alter. Der Erfahrungshintergrund
       ist ein anderer, die Erlebnisse sind andere. Senioreneinrichtungen, die wir
       kennengelernt haben, sind sehr heteronormativ geprägt. Wenn ich dort bin,
       sind meine Geschichten über Liebeskummer, meine Erfahrungen, meine
       Treffpunkte, wie der CSD, oft kein Thema. Menschen, die das nicht kennen
       oder nachvollziehen können, tragen ungewollt dazu bei, dass ich im Alter
       unglaublich isoliert bin. Dabei wird der Wunsch, über die eigene Geschichte
       und die eigene Biografie zu reden, gerade im Alter spürbarer.
       
       Sie haben für das nun [2][entstehende Wohnprojekt] das
       Alleinstellungsmerkmal einer feministischen, queersensiblen
       Pflegewohngemeinschaft entwickelt. Was bedeutet das in der Praxis? 
       
       Stefanie Auf dem Berge: Hier geht darum, dass pflegeempfangende Lesben und
       queere Frauen mit ihren spezifischen Biografien in einer Community
       zusammenleben können – als Wohngemeinschaft und zudem als Teil einer
       größeren Hausgemeinschaft mit Anbindung an das soziokulturelle Zentrum im
       Erdgeschoss. Der eingesetzte Pflegedienst wird Kenntnisse über die
       strukturelle Ungleichheit der Geschlechter und die Benachteiligungen von
       FLINTA*-Personen haben. Die Pflegepersonen wissen, dass Frauen teils
       Überlebende körperlicher und/oder sexualisierter Gewalt sind. Sie kennen
       Schlüsselworte und Vorbilder der älteren Lesben-Generation und haben
       Grundlagenwissen über die spezifischen Geschichten von Frauen und Lesben.
       
       Und wenn das Haus dann steht – wie sieht ein Alltag bei Ihnen aus? 
       
       Jutta Brambach: Ganz zentral ist der Gedanke, das Leben solidarisch zu
       gestalten. Gemeinschaftsräume zu haben, gemeinsam zu überlegen, wie wir
       unser Leben verbringen und gestalten wollen, was wir miteinander machen und
       auf den Weg bringen können. Wir wollen eine lebendige, queer lesbische
       Kultur schaffen, an der nicht nur Hausbewohnende, sondern auch die
       Nachbarschaft und [3][die queere Community] beteiligt sein kann.
       
       Spielt die Wahlfamilie bei Ihnen im Konzept eine bedeutende Rolle? 
       
       Jutta Brambach: Im besten Fall sind die Menschen im Haus die Wahlfamilie.
       Es sind Menschen, mit denen ich zusammen Zeit verbringen möchte, die mich
       fördern, unterstützen, mit denen ich Austausch habe, ich Dinge gemeinsam
       tue. Konzepte des Lebens in solchen Gemeinschaften werden in der
       Wohnungsbauplanung alles andere als gefördert. Die gesamte Bauplanung ist
       entweder auf Kleinfamilie mit Kind oder auf Singlepaare ausgerichtet.
       
       Stefanie Auf dem Berge: Ich musste jetzt neben der Wahlfamilie auch an den
       Begriff „Zugehörige“ denken, der in progressiven Pflegekontexten verwendet
       wird. Beide Ansätze zielen auf Ermächtigung, auf die Möglichkeit, sich
       selbst auszusuchen, wer an deiner Seite und für dich zuständig ist – auch
       im Alter.
       
       22 Jan 2024
       
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