# taz.de -- Querdenker Reiner Fuellmich: Ex-Kanzlerkandidat vor Gericht
       
       > Querdenken-Anwalt Reiner Fuellmich bestreitet beim Prozessauftakt, Gelder
       > veruntreut zu haben. Seine Verteidigung gerät reichlich wirr.
       
 (IMG) Bild: Der Angeklagte Rechtsanwalt Reiner Fuellmich beim Prozessauftakt im Landgericht Göttingen
       
       GÖTTINGEN taz | In Handschellen wird der ehemalige Kanzlerkandidat der
       Partei [1][Die Basis] in den Gerichtssaal geführt. Seit Oktober sitzt der
       Anwalt Reiner Fuellmich in Untersuchungshaft. Ihm wird unter anderem
       vorgeworfen 700.000 Euro veruntreut zu haben, die als Spenden an die
       „Stiftung Corona-Ausschuss“ geflossen sind. Den Corona-Ausschuss hatte
       Fuellmich 2022 selbst mitgegründet, zusammen mit drei anderen Anwälten
       fungierte er als Gesellschafter und Geschäftsführer. Er galt damals als
       eines der prominentesten Gesichter der Querdenken-Bewegung.
       
       Sein Fanklub ist seither deutlich geschrumpft. Aber ein paar Unentwegte
       gibt es noch: Sie halten regelmäßig Mahnwachen vor der JVA Rosdorf ab, wo
       Fuellmich [2][in U-Haft] sitzt und sie sind zum Prozessauftakt gekommen, um
       ihn zu unterstützen.
       
       Die Anklage hat sich allerdings ein wenig verändert. Als Fuellmich im
       Oktober festgenommen wurde, nachdem er aus Mexiko ausgewiesen wurde, war
       noch die Rede von mehr als einer Million Euro, die Fuellmich unterschlagen
       haben sollte.
       
       Doch das Gericht ließ nicht alle Anklagepunkte zu: Bei 16 Überweisungen,
       die auf Fuellmichs Kanzleikonto landeten, ging zwar die Staatsanwaltschaft
       von gewerbsmäßiger Untreue aus – das Gericht fand aber, hier könnten ja
       tatsächlich Gegenleistungen erbracht worden sein.
       
       ## Ex-Kolleg*innen beschimpft Fuellmich als „Idioten“
       
       Übrig bleiben also drei üppige Darlehen, die auf Privatkonten geflossen
       sind. Auch auf das Konto von Fuellmichs Ehefrau, die davon eine
       Gartenumgestaltung inklusive Pooleinbau bestritt. Hinzugekommen ist ein
       weiterer Anklagepunkt: Subventionsbetrug. Fuellmich soll für seine Kanzlei
       in Göttingen zu Unrecht 15.000 Euro Coronasoforthilfe kassiert haben.
       
       Der 66-Jährige nutzt die Gelegenheit zur Einlassung nach der
       Anklageverlesung, um eine Stunde lang seine sehr eigene Sicht der Dinge
       vorzutragen. Dazu holt er erst einmal weit aus: Spricht von seinem Vater,
       seiner Herkunft, seiner Vergangenheit als Banker und Verbraucheranwalt in
       Deutschland und den USA.
       
       Dann kommt er zum eigentlichen Kern: Die Vorwürfe seien allesamt von seinen
       kriminellen Ex-Mitstreitern an den Haaren herbeigezogen worden. Dass er auf
       der Anklagebank sitzt, verdankt er im Wesentlichen der Anzeige der
       Ex-Corona-Ausschuss-Mitglieder Antonia Fischer und Justus Hoffmann. Die
       seien „Idioten“ und hätten nie etwas beizutragen gehabt. Die Darlehen, die
       er mit der Vierten im Bunde, Viviane Fischer vereinbart hatte, hätten
       einzig und allein dazu gedient, das Geld des Corona-Ausschusses in
       Sicherheit zu bringen, rechtfertigt sich Fuellmich.
       
       Damals seien nämlich immer wieder Konten gekündigt oder sogar gepfändet
       worden, die Spendeneingänge hätten den Verdacht der Geldwäsche ausgelöst.
       Das Geld „verschwinden“ zu lassen und mit den eigenen Immobilien
       abzusichern, sei der einzige Weg gewesen, das zu verhindern. Er hätte das
       jederzeit zurückzahlen können und sei auch dazu bereit gewesen, wenn seine
       böswilligen Ex-Mitstreiter nicht den Verkauf seines Göttinger Hauses
       torpediert hätten.
       
       Fuellmich zieht alle Register: Er referiert darüber, warum der
       Untreue-Paragraf des Strafgesetzbuches 1. ein Nazi-Paragraf und 2.
       untauglich sei, wirft der Staatsanwaltschaft heimliche und einseitige
       Ermittlungen vor, beklagt seine Rückführung aus Mexiko sei eigentlich eine
       Entführung gewesen, seine Haftbedingungen skandalös und der Transport ins
       Landgericht mit verdrehten Handgelenken Folter.
       
       Das Gericht nimmt das zur Kenntnis. Und dann beginnt der Vorsitzende
       Richter nachzufragen: Warum denn die Darlehensverträge zinslos vereinbart
       worden seien? Warum die Eintragung einer Grundschuld auf seine Immobilie,
       wie sie zumindest im dritten Darlehensvertrag vereinbart worden sei, nie
       stattgefunden habe? Die Antworten darauf fallen deutlich kürzer aus. Acht
       weitere Verhandlungstage hat die Kammer angesetzt. Anfang März soll ein
       Urteil fallen.
       
       31 Jan 2024
       
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