# taz.de -- Debatte um Gazakrieg in Großbritannien: Chaos im Unterhaus
       
       > Eine Abstimmung zum Gazakrieg sorgt in London für Tumult. Mittlerweile
       > fordern mehr als 50 Abgeordnete den Rücktritt des Präsidenten des
       > Unterhauses.
       
 (IMG) Bild: Tumult im Londoner Unterhaus und Lindsay Hoyle der Präsident des Unterhauses soll Labour bei der Abstimmung begünstigt haben
       
       LONDON taz | Chaotische Szenen spielten sich am Mittwochabend im Unterhaus
       in London ab. Die Fraktionen der schottischen Nationalpartei (SNP) und der
       konservativen Tories verließen aus Protest das House of Commons.
       Mittlerweile fordern über 50 Abgeordnete den Rücktritt des Präsidenten des
       Unterhauses, Sir Lindsey Hoyle.
       
       Entzündet hatte sich der Aufruhr am Verfahren zu einer Abstimmung über eine
       Forderung nach einem Waffenstillstand in Gaza. Eigentlich sollte das
       Unterhaus am Mittwoch zunächst über den Antrag der schottischen SNP zum
       Gazakrieg abstimmen – so hätte es die parlamentarische Tradition erfordert
       –, erst danach über die abgeänderten Anträge der anderen Parteien. Doch
       Hoyle veränderte die Reihenfolge und stellte den Antrag von Labour zuerst
       zur Wahl.
       
       Viele Briten werfen Hoyle vor, dass er seiner eigenen Labour-Partei mit
       dieser Entscheidung helfen wollte, einheitlich für den eigenen Antrag
       stimmen zu können. Seit dem 7. Oktober kam es [1][innerhalb der Partei
       bezüglich der Haltung zu Israel zu heftigen Streitigkeiten.] Einige
       Labour-Abgeordnete hätten bei einer anderen Reihenfolge der zur Wahl
       stehenden Anträge womöglich für den der SNP gestimmt.
       
       So aber zogen die Tories schließlich aus Protest ihren eigenen
       Änderungsantrag zurück, und die Labour-Fraktion stimmte – in Abwesenheit
       der Abgeordneten der Tories und der SNP – geschlossen für den abgeänderten
       Antrag. Darin wird eine sofortige humanitäre Feuerpause gefordert, doch von
       Israel könne allerdings ohne Ende der Gewalt von Seiten der Hamas nicht
       erwartet werden, selbst die Waffen niederzulegen.
       
       ## Drohungen aus den eigenen Reihen
       
       Der Antrag der SNP hingegen nannte das Vorgehen Israels in Gaza „kollektive
       Bestrafung“. Die Anträge aller Parteien verurteilten die Gewalt beider
       Seiten, inklusive der Angriffe der Hamas am 7. Oktober, und forderten neben
       humanitärer Hilfe die sofortige Freilassung der israelischen Geiseln.
       
       Sir Lindsay Hoyle bestritt, dass er mit der Änderung der Reihenfolge Labour
       begünstigen wollte. Der britische Nachrichtensender BBC berichtete hingegen
       unter Berufung auf anonyme, hochrangige Labour-Quellen, dass Hoyle aus
       seinen eigenen Reihen unter Druck gesetzt worden sei: Sollte er den
       Labour-Antrag nicht vorziehen, könnte dies, so die Drohungen, seine
       Wiederwahl zum Parlamentspräsidenten gefährden.
       
       Hoyles entschuldigte sich noch am Abend vor dem Unterhaus. Er habe
       versucht, das Richtige für alle Abgeordneten zu tun und die größtmögliche
       Auswahl an Optionen zu geben. Er habe zugleich die Gefahren im Blick
       gehabt, denen Abgeordnete ausgesetzt seien. Seitdem im Dezember das Büro
       des proisraelischen Abgeordneten [2][Mike Freer] in Brand gesetzt wurde,
       haben viele Abgeordnete Furcht vor Angriffen.
       
       Das Chaos mag jedoch auch daher rühren, dass die Tories und die SNP
       angesichts der bevorstehenden Wahlen nervös werden: [3][Labour gilt als
       absoluter Favorit.]
       
       22 Feb 2024
       
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