# taz.de -- Prävention im Karneval: Awareness alaaf!
       
       > Kurze Röckchen, straffe Organisation, alkoholisierte Erwachsene – in Köln
       > sensibilisiert eine Kampagne für die Rechte von Kindern im Karneval.
       
 (IMG) Bild: „Pänz“ ist rheinisch für „Kinder“. Diese Kölner Pänz hier machten schon im Oktober 2023 auf sich aufmerksam
       
       Die blauhaarige Prinzessin will einen kleinen Pinguin küssen, ein Kind im
       Froschkostüm versucht, ihn oder sie davon abzuhalten. „Kein Bützchen auf
       Kommando!“, steht unter dem Bild. Ein anderes zeigt eine Hand, die auf
       einen Hintern im knappen Röckchen klatscht. „Geiler Arsch!“ ist der
       Kommentar des Angreifers. Dazu erklärt die Bildunterschrift: „Stop! Das ist
       sexuelle Belästigung und strafbar!“.
       
       Kinder nicht ungefragt küssen oder auf den Po hauen, das sollte eigentlich
       selbstverständlich sein. Doch in der „närrischen Jahreszeit“ ist manches
       anders – und in den traditionellen Karnevalsvereinen das Bewusstsein für
       Grenzen nicht immer vorhanden. Das zeigte ein [1][Skandal zum Auftakt der
       Karnevalssaison am 11. 11. im rheinischen Sankt Augustin].
       
       Der Präsident der Prinzengarde machte beim „Garde-und Tollitätentreffen“
       auf der Bühne anzügliche Kommentare gegenüber einer 10-Jährigen, sprach vom
       Knutschen mit „Zungenschlag“. Auf Kritik der Anwesenden verteidigte er sich
       zunächst mit: „Wir sind immer noch im Karneval“ – bevor er schließlich sein
       Amt niederlegen musste.
       
       In Köln versucht man nun, Kinderrechte im Karneval zu stärken: Das
       [2][Festkomitee des Kölner Karnevals], das knapp drei Dutzend Kinder- und
       Jugendtanzgruppen mit mehr als 1.000 minderjährigen Mitgliedern vertritt,
       hat zusammen mit der Beratungsstelle „Zartbitter“ einen Kinderrechtepass
       entwickelt. Die 28 „Pänzrechte“, wie es im Dialekt heißt, wurden zusammen
       mit jungen Tänzer*innen entwickelt und von der
       Zartbitter-Hausillustratorin Dorothee Wolters illustriert. „Alle Pänz haben
       das Recht, sich in ihren Kostümen und Uniformen wohlzufühlen“, heißt es
       darin. Oder: „Auch Erwachsene müssen die Privatsphäre von Pänz beachten!“
       
       100.000 Broschüren wurden bislang in den Tanzgruppen und an Kölner Schulen
       verteilt. 50.000 sind überregional unter dem Titel „Kinderrechte im
       Karneval“ erhältlich. „Die Nachfrage ist riesig“, sagt Zartbitter-Gründerin
       Ursula Enders. Eltern sowie Kita- und Grundschulpädagog:innen
       bestellten die Broschüren massenweise, der Webshop breche zusammen, man
       habe bereits nachdrucken müssen. Besonders groß sei das Interesse übrigens
       in der Region um Sankt Augustin gewesen.
       
       ## Es bewegt sich langsam etwas
       
       Der Pänzrechtepass ist nur ein Teil des Schutzkonzepts, das die Kölner
       Karnevalist*innen derzeit entwickeln. „Kinder sind unser höchstes Gut,
       darum müssen wir sie schützen. Dafür haben wir uns die Profis von
       Zartbitter an die Seite geholt“, sagt Christine Flock, Vizepräsidentin des
       Komitees, in dem rund 30 Kinder- und Jugendtanzgruppen mit Mitgliedern
       zwischen 5 und 18 Jahren organisiert sind.
       
       Als Nächstes will man eine interne Präventionsbeauftragte ernennen,
       Notfallpläne und ein Beschwerdemanagement entwickeln – und regelmäßig
       Trainer*innen und Kinder mit Workshops weiterbilden. „Es ist wichtig,
       Erwachsene für die Bedürfnisse von Kindern zu sensibilisieren und im
       Vereinsalltag sichere Räume zu schaffen“, findet Flock. Zu Anfang sei die
       Zusammenarbeit mit Zartbitter bei manchen der ehrenamtlichen
       Funktionsträger*innen auf Skepsis gestoßen – doch der positive Fokus
       auf die Rechte junger Menschen habe dann doch alle überzeugt.
       
       In der laufenden Karnevalssaison können Kinder nun erstmals per E-Mail
       Belästigungen und sexualisierte Anmache melden. Bei Zartbitter, die eine
       ehrenamtliche Fachkraft dafür abgestellt haben, rechnet man mit einem
       großen Andrang.
       
       Das Interesse an der Pänzrechtekampagne zeigt, dass sich langsam etwas
       bewegt in der Welt des organisierten Frohsinns. „Viele Eltern atmen auf,
       dass Themen jetzt sichtbar und besprechbar geworden sind“, sagt
       Zartbitter-Leiter Philipp Büscher. Zu thematisieren gibt es einiges: Dass
       sich Kindergruppen in einem Umfeld bewegen, in dem die Mehrheit der
       Erwachsenen alkoholisiert ist. Dass nicht abschließbare Umkleiden oder
       Unter-den-Rock-Fotografieren keine Seltenheit sind.
       
       ## Mehr Mitbestimmung
       
       Oder dass meist Männer über Choreografie und Kostüme der überwiegend
       weiblichen Tanzenden bestimmen. In vielen Vereinen gebe es aber einen
       Bewusstseinswandel, meint Büscher, der selbst aus Köln stammt: weg von
       ultrakurzen Röckchen, starker Schminke und Hebefiguren mit handfestem
       Zupacken, hin zu mehr Mitbestimmung. Was dazu führen kann, dass Traditionen
       überarbeitet werden.
       
       Büscher berichtet von einer lebhaften Diskussion bei einem Verein, dessen
       Tänzerinnen bislang immer in Reifröckchen aufgetreten seien, die Teile des
       Pos entblößten. Früher habe es geheißen: Ist halt Tradition. Doch: „Es
       stellte sich heraus, dass die meisten Mädchen sich darin nicht wohlfühlten.
       Jetzt tragen sie andere Röcke.“
       
       Die Präventionsfachleute von Zartbitter hoffen, dass die Kölner Kampagne
       zum Karneval zum Vorbild wird für den überregionalen Dachverband Bund
       deutscher Karneval, der bislang noch kein Schutzkonzept hat. Oder für
       andere Brauchtumsgruppen wie Schützen- oder Heimatvereine.
       
       10 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.ardmediathek.de/video/brisant/anzuegliche-kommentare-und-fast-kuss-eklat-beim-karneval-in-sankt-augustin/das-erste/Y3JpZDovL21kci5kZS9iZWl0cmFnL2Ntcy9jMTlhM2EyMy00MGFiLTQ4ZTktOGY0NS1lM2MwMGMwNjVjNGI
 (DIR) [2] https://koelnerkarneval.de/festkomitee/paenzrechte
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nina Apin
       
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