# taz.de -- Jahrestagung des UN-Umweltprogramms: Die Sonne abdunkeln fürs Klima
       
       > Die Uno soll sich auf Antrag der Schweiz mit solarem Geoengineering
       > beschäftigen. Wissenschaftler warnen vor Plänen, die Sonne
       > abzudunkeln.
       
 (IMG) Bild: Die Sonne künstlich dimmen, um die Erde zu kühlen?
       
       BERLIN taz | Der Himmel wäre nicht mehr blau. Zumindest nicht so, wie wir
       ihn kennen, sondern milchig belegt. Wenn die Menschheit sich entscheiden
       würde, die Sonne mit einem Vorhang aus Schwefelpartikeln zu dimmen, um die
       Erde zu kühlen, würde man das auch sehen. Das immerhin ist klar in Bezug
       auf solares Geoengineering. Sonst ist jedoch noch vieles unbekannt über die
       Folgen eines solch gigantischen Eingriffs.
       
       Die Schweiz will, dass die Vereinten Nationen sich stärker mit dem
       umstrittenen solaren Geoengineering beschäftigen. Dafür will sich die
       Eidgenossenschaft bei der Jahrestagung des UN-Umweltprogramms Unep
       einsetzen, die an diesem Montag mit 5.000 Delegierten in Nairobi beginnt.
       Der Entwurf für eine Resolution, der der taz vorliegt, sieht die
       Einberufung eines neuen Gremiums mit 25 Expert*innen vor. Sie sollen an
       einem Bericht zu dem Thema arbeiten.
       
       „Ziel ist, dass die Staaten über diese Technologien informiert sind,
       insbesondere über mögliche Risiken und grenzüberschreitende Auswirkungen“,
       schreibt die Regierung in Bern. Mitgetragen wird die Resolution bereits von
       Guinea, Monaco, Senegal und Georgien. Es ist ein Tabuthema, das damit auf
       der internationalen Agenda steht.
       
       Der Begriff Geoengineering steht für vorsätzliche und großräumige Eingriffe
       in planetare Kreisläufe, um sie aktiv zu steuern. Seit Langem sind sie als
       Reaktion auf die menschengemachte Klimakrise in der Diskussion.
       
       ## Ein gigantischer Vulkanausbruch per Militärjet
       
       Die Treibhausgase seit der Industrialisierung haben die Erde jetzt schon
       gefährlich aufgeheizt und die Temperaturen steigen wie die Emissionen
       weiter – im Prinzip auch schon ein Beispiel für massives Geoengineering,
       wenn man die Inkaufnahme der bekannten Konsequenzen von Kohlendioxid als
       Vorsatz gelten lässt.
       
       Mit Geoengineering gegenzusteuern kann grundsätzlich verschiedene Dinge
       bedeuten: die nachträgliche Entfernung von bereits ausgestoßenem
       Treibhausgas aus der Atmosphäre oder etwa das Abdunkeln der Sonne. Beides
       ist wiederum auf verschiedene Arten denkbar.
       
       Vor allem Letzteres ist bislang nur Theorie. Es geht dabei zum Beispiel um
       die künstliche Nachahmung von gigantischen Vulkanausbrüchen. So senkte der
       bei der Eruption des Pinatubo auf den Philippinen 1991 in die Stratosphäre
       geschleuderte Schwefel die globale Durchschnittstemperatur im Folgejahr um
       ein halbes Grad.
       
       Wollte man versuchen, diesen Effekt künstlich zu erzielen, müssten
       Militärjets in die Stratosphäre fliegen und dort Aerosole wie
       Schwefeldioxid ausbringen. Die Schwebeteilchen würden sich wie ein Film um
       die Erde legen und weniger Sonnenlicht durchlassen – bis sie sich wieder
       absenken. Die kühlende Wirkung wäre also nur vorübergehend.
       
       Eine Gruppe von Wissenschaftler*innen hatte vor zwei Jahren [1][in der
       Fachzeitschrift Wires Climate Change ein internationales Verbot von solarem
       Geoengineering gefordert]. Sie schlugen einen Staatsvertrag vor, mit dem
       sich die Länder dazu verpflichten, derartige Technologien nicht zu
       unterstützen – weder den praktischen Einsatz noch die Erforschung.
       
       Ihre Argumente: Es sei im internationalen politischen System nicht möglich,
       „solares Geoengineering auf planetarer Ebene inklusiv und gerecht zu
       regeln“. Schon bei der Frage nach der optimalen Temperatur haben viele
       Länder unterschiedliche Interessen. Was sollte maßgeblich sein: möglichst
       wenig Hitzetote in Indien oder eine möglichst große Maisernte in den USA?
       
       Wahrscheinlich wäre das Dimmen der Sonne billig genug, dass große
       Volkswirtschaften dafür nicht auf internationale Partner angewiesen wären.
       Denkbar ist also der Fall, dass mehrere Parteien unkoordiniert oder sogar
       entgegengesetzt am Thermostat der Erde drehen würden – mit unabsehbaren
       Folgen für die globale Sicherheit.
       
       ## Keine Hilfe beim Erfüllen des Paris-Abkommens
       
       Deshalb halten manche Stimmen aus der Wissenschaft den Vorstoß der Schweiz
       für falsch, auch wenn er sich gar nicht für oder gegen solares
       Geoengineering ausspricht. „Ich sehe das sehr kritisch“, meint
       Carl-Friedrich Schleußner vom Thinktank Climate Analytics. „Den Stand der
       Wissenschaft, auch zu Solar-Geoengineering, fasst in regelmäßigen Abständen
       der Weltklimarat IPCC zusammen. Ich kann nicht erkennen, welche
       wissenschaftliche Lücke ein kleines UN-Expert*innengremium hier füllen
       soll.“
       
       Schleußner hält den Vorstoß für ein politisches Signal. Die Botschaft:
       Regierungen haben ein Interesse an Geoengineering. „Sie bringen das als
       Lückenbüßer für unzureichende Klimapolitik ins Spiel, aber das ist eine
       gefährliche Vorstellung“, so der Experte. Die politische Diskussion zu
       diesem Thema sei „unterkomplex“ und stehe auf keiner robusten
       wissenschaftlichen Basis.
       
       Schleußner sorgt sich, dass durch den Verweis auf Geoengineering das
       Reduzieren der Treibhausgasemissionen in den Hintergrund gerate: „In dem
       Moment, in dem Geoengineering stattfindet, ist das Paris-Abkommen tot.“
       
       Mark Lawrence, wissenschaftlicher Direktor am Forschungsinstitut für
       Nachhaltigkeit in Potsdam, sieht die Resolution der Schweiz nicht ganz so
       negativ. „Ich habe eine gemischte Einstellung dazu“, sagt er. „Ich bin
       wachsam, weder pessimistisch noch optimistisch.“
       
       Er selbst hat schon 2015 einen großen Bericht zu Geoengineering geleitet,
       der damals im Auftrag der EU-Kommission den Forschungsstand zum Thema
       abbildete. Seitdem seien viele weitere Arbeiten erschienen, „alle mit
       ähnlichen Ergebnissen“, sagt der Physiker.
       
       „Zum Erreichen der Ziele aus dem Pariser Weltklimaabkommen kann
       Geoengineering gar nicht viel beitragen“, so der Experte. Alle Technologien
       seien erst in frühen Entwicklungsstadien, brächten Unsicherheiten und
       Risiken mit sich sowie ethische und politische Dilemmata. Dass ein neues
       Gremium fachlich viel Neues beitragen könnte, bezweifelt er ebenso wie
       Schleußner.
       
       Trotzdem kann Lawrence dem Vorstoß der Schweiz etwas abgewinnen. „Ich finde
       das positiv, wenn die Vereinten Nationen sich damit auseinandersetzen“,
       sagt er. Der Wissenschaftler meint: Die Diskussion kommt sowieso.
       Schließlich habe die Erderhitzung im vergangenen Jahr schon knapp unter 1,5
       Grad gelegen. Mit Fortschreiten der Klimakrise und entsprechend vielen
       Toten und Schäden würde der Ruf nach Geoengineering bestimmt lauter werden,
       argumentiert Lawrence.
       
       Er wäre zufrieden, wenn die Arbeit eines Expert*innengremiums dazu
       führen würde, dass die Regierungen ganz klare Trennstriche ziehen zwischen
       der nötigen Reduktion der Emissionen, der nachträglichen Entfernung von
       Treibhausgas aus der Atmosphäre und solarem Geoengineering. Und: „Was ich
       mir wünschen würde, ist, dass Regierungen sich dazu bekennen, dass das
       Entscheidende die Senkung der Emissionen ist.“
       
       26 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://wires.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/wcc.754
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Schwarz
       
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