# taz.de -- Glossar der Klimagefühle: A wie Angst bis Z wie Zuversicht
       
       > Die Klimakrise und der fehlende Klimaschutz wecken ganz unterschiedliche
       > Gefühle: Wut, Trauer, Verdrängung. Wie geht man mit ihnen um? Eine
       > Übersicht.
       
 (IMG) Bild: Wut oder Verbundenheit? In der Klimakrise fühlen wir viel gleichzeitig. Aktivist*innen bei einer Blockade in Garzweiler
       
       Gefühle begleiten uns andauernd und gerade die [1][Klimakrise] bringt sehr
       viele unangenehme Gefühle mit sich. „Es ist wichtig, dass wir einen
       konstruktiven, gesunden Umgang mit ihnen finden“, sagt Lea Dohm,
       Mitbegründerin der Psychologists for Future. „Sie bringen uns ins Handeln.“
       
       Erstmal müssen wir Emotionen überhaupt wahrnehmen und ernst nehmen. Laut
       Dohm ist gesellschaftlich eher Gefühlstaubheit als ein zu viel an Gefühlen
       ein Problem.
       
       Psycholog*innen unterscheiden übrigens nicht zwischen guten oder
       schlechten Gefühlen. „Wir müssen eher akzeptieren, dass auch unangenehme
       Gefühle zum Leben dazugehören und teilen, dass wir alle sie haben“, sagt
       Dohm. Gleichzeitig haben Gefühle eine Signalwirkung und sie nur zu
       akzeptieren und so zu behalten, sei „ein falsches Verständnis von
       Resilienz“. Was also tun mit den ganzen Gefühlen?
       
       ## Angst
       
       Das Gefühl: [2][Klimaangst ist die am weitesten verbreitete
       Wortneuschöpfung zu Klimagefühlen]. Am häufigsten äußert sich das als ein
       undifferenziertes, subtiles Unwohlsein in Verbindung mit dem Klima, meint
       Lea Dohm, Mitbegründerin der Psychologists for Future und Mitautorin des
       Buches „Klimagefühle – wie wir an der Umweltkrise wachsen, statt zu
       verzweifeln“.
       
       Das bringt’s: Angst ist ein sehr primitives Gefühl. Als Antwort kennt der
       Mensch intuitiv nur Flucht, Kampf oder Erstarren.
       
       So kommt man damit klar: Egal, ob es starke [3][Angst oder ein subtiles
       Unwohlsein ist] – es hilft, sich das Gefühl genauer anzusehen und einem
       Realitätscheck zu unterziehen. Und es mit anderen zu teilen. Wer Angst
       davor hat, dass Menschen mit Unverständnis reagieren, kann in Klimagruppen
       über seine Sorgen sprechen. Letztendlich hilft gegen die Klimaangst nur
       Klimaschutz, aber da Einzelne diesen nur bedingt in der Hand haben, können
       auch etwa Sport oder Meditation für eine Weile helfen. Was dagegen nicht
       hilft: die Krise und die Angst vor ihr kleinzureden. Diese Art der
       Problembewältigung wiegt uns in falsche Sicherheit und hält von dringend
       erforderlichem Handeln ab.
       
       ## Trauer
       
       Das Gefühl: In der Klimakrise können wir eine Trauer über den Verlust der
       Welt und der Natur, wie wir sie kannten und kennen, verspüren. Aber auch
       der Abschied von der Unbekümmertheit kann uns traurig machen, oder das
       Gefühl, trotz allem einfach weiterzumachen wie zuvor.
       
       Das bringt’s: [4][„Trauer ist ein notwendiger und hilfreicher
       Verarbeitungsprozess“], schreiben die Psychologinnen Lea Dohm und Mareike
       Schulze in „Klimagefühle“. Der Trauerprozess durchläuft verschiedene Phasen
       und beinhaltet viele andere Gefühle wie Leugnung, Verdrängung, Wut, Schuld
       und Akzeptanz.
       
       So kommt man damit klar: Die Phasen der Trauer wollen durchlebt werden,
       teils immer wieder. Wie auch bei der Wut kann es helfen, mit anderen über
       die eigenen Gefühle zu sprechen, sie zu teilen, um nicht von ihnen gelähmt
       zu werden. Auch kreative Tätigkeiten wie Malen oder Musik können im Umgang
       mit Trauer hilfreich sein.
       
       ## Schuld und Scham
       
       Die Gefühle: Auch wenn Schuld und Scham uns sehr ähnlich vorkommen, haben
       sie ganz verschiedene Konsequenzen für unser Verhalten.
       
       Das bringt’s: Schamgefühle lähmen und halten vom Handeln ab. Reale
       Schuldgefühle dagegen gehen mit Einsicht von Fehlverhalten und Reflexion
       einher. So können sie zum Handeln anregen. Bei beiden Gefühlen besteht aber
       die Gefahr, dass sie zu Verdrängung führen.
       
       So kommt man damit klar: Andere und uns selbst für [5][Klimasünden wie eine
       Flugreise zu beschämen], bringt wenig. Gleichzeitig ist es wichtig
       anzuerkennen, dass wir im Globalen Norden, mit einem wohlhabenderen
       Lebensstil oder als Angehörige älterer Generationen eine [6][reale Schuld
       an der Klimakrise tragen]. Diese individuell loszuwerden ist gar nicht so
       einfach; in unserem System ist ein klimaneutrales Leben derzeit unmöglich.
       Deshalb ist Toleranz im Umgang mit uns und anderen wichtig. Die
       Psychologinnen Lea Dohm und Mareike Schulze fordern: „Solidarität und
       Hilfestellung statt Anklagen!“ Zwar ist jedes persönlich eingesparte Gramm
       CO2 super, aber kollektiv an strukturellen Veränderungen zu arbeiten, statt
       einander zu beschuldigen, hat eine größere Wirkung.
       
       ## Verdrängung
       
       Die Gefühle: Abwehr von oder [7][Wut auf Klimaaktivist*innen] sind
       „sehr komplex“, sagt Lea Dohm. „Da steckt nicht nur Wut und Ärger drin,
       sondern auch Angst, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.“ Viele Menschen
       wollen sich auch die Freude über etwa ein Auto, eine Fernreise oder
       Grillfleisch erhalten und sich durch Abwehr von kritischen Perspektiven vor
       Vorwürfen schützen. Verdrängung der Auseinandersetzung mit der Klimakrise
       ist dagegen kein Gefühl, sondern eine Reaktion.
       
       Das bringt’s: Verdrängung ist teils notwendig und schützt vor
       Überforderung. Aber sie kann auch zu Erstarren und Ignoranz führen.
       
       So kommt man damit klar: Um nicht zu sehr von Klimafakten aus der Bahn
       geworfen zu werden und zugleich ins Handeln zu kommen, müssen wir die
       richtige Balance finden. Also: sich weder exzessiv in Klimanachrichten
       vergraben, noch sie komplett ignorieren. Die Auseinandersetzung mit den
       Gefühlen könne dann sogar sinnstiftend sein, sagt Dohm.
       
       ## Wut
       
       Das Gefühl: Arrrrrrrhhh! Wut und Empörung sind die wichtigsten Gefühle für
       den Klimaaktivismus, weil sie Menschen ins Handeln bringen.
       
       Das bringt’s: [8][Wut äußert sich in einer erhöhten Kampf- und
       Handlungsbereitscha]ft; der Blutdruck steigt. Weil wir im Gegensatz zu
       Trauer oder Ang[9][st, die viele für sich behalten, von Wut eher
       berichten], birgt sie das Potenzial, kollektives Handeln zu stärken.
       Gleichzeitig kann Wut sehr individuell sein, etwa, wenn wir uns über
       fleischessende Verwandte oder flugreisende Freund*innen ärgern. Laut der
       Hannah Monnin führt Wut zu Fokussierung und Aktivierung, kann aber
       lösungsorientiertes Vorgehen verhindern.
       
       So kommt man damit klar: Wir sollten Wut nicht verdrängen, sondern
       unbedingt behalten, raten Psycholog:innen. Unterdrückte Wut kann zu
       Schuldgefühlen führen und krank machen. Also: rauslassen und kanalisieren.
       Etwa, indem wir sie im Freundeskreis thematisieren, an Protesten teilnehmen
       oder Leser:innenbriefe schreiben. So wird der individuelle Ärger auf
       eine strukturelle Ebene gebracht. Wenn die Möglichkeit dazu besteht, kann
       es auch helfen, mit der Person, über die wir uns ärgern, ein offenes
       Gespräch zu führen. So können wir an ihren individuellen Beweggründen
       ansetzen und diese mit Strukturen verbinden. Wut ist also eine Antreiberin.
       Aber die Psychologin Lea Dohm sagt auch: „Ins Handeln zu kommen, das ist
       wirklich schwierig.“ Wo fängt man an? Dazu lohnt sich der Austausch mit
       Menschen, die in derselben Situation sind.
       
       ## Verbundenheit
       
       Das Gefühl: Die Verbindung zu anderen und ein [10][positives Gruppengefühl
       kann durch Aktivismus] und Engagement in der Klimakrise hervorgerufen
       werden.
       
       Das bringt’s: Verbundenheit löst Freude aus. Besonders bei sonst so
       schweren Themen wie der Klimakrise, schreiben die Psychologinnen Lea Dohm
       und Mareike Schulze, kann Austausch Leichtigkeit bringen. Hannah Monnin
       zufolge fördern solche positiven Gefühle unsere Offenheit und Kreativität
       und ermutigen uns, nach Lösungen zu suchen. Trotzdem gilt: Nicht ablenken
       lassen. Dankbarkeit kann Protest verhindern, weil wir uns mit einer
       Situation zufriedengeben.
       
       So kommt man damit klar: Sich darüber freuen! Und aus der Verbundenheit
       Kraft für weiteres Engagement schöpfen.
       
       ## Neid
       
       Das Gefühl: Neid ist ein sehr verpöntes, negativ konnotiertes Gefühl und
       wird deshalb nur selten geäußert. Klimabewegte Menschen empfinden ihn
       gegenüber anderen wegen ihrer Unbedarftheit oder [11][Flugreisen], die sie
       selbst nicht mehr ohne schlechtes Gewissen machen können.
       
       Das bringt’s: Neid herrscht im Kapitalismus oft auf Besitzgüter und führt
       so zu noch mehr Misere: Wir wollen, was andere haben, aber starker Konsum
       schadet dem Klima. Neid kann sich aber auch auf eine Solaranlage oder einen
       Radweg zur Arbeit beziehen und so zu nachhaltigem Handeln führen.
       
       So kommt man damit klar: Warum nicht aus Neid „Nachhaltigkeitswettbewerbe“
       machen, ihn also spielerisch nutzen? Es kann auch helfen, sich zu fragen,
       worauf andere im eigenen Leben neidisch sein könnten, um die eigene
       Position ins Verhältnis zu setzen.
       
       ## Zuversicht
       
       Das Gefühl: Zuversicht ist in der Klimakrise [12][ein zweischneidiges
       Schwert] – einerseits ist sie dringend nötig, andererseits kann falsche
       Zuversicht Aktivität verhindern.
       
       Das bringt’s: Zuversicht lässt uns eine positive Zukunft sehen und auf
       diese hinarbeiten. Sie fördert Selbstwirksamkeit, also die Überzeugung,
       Herausforderungen bewältigen zu können, und gibt uns damit Antrieb. Falsche
       Hoffnung auf schnelle, einfache Lösungen dient aber der Angstvermeidung und
       hält uns vom Handeln ab.
       
       So kommt man damit klar: Wir sollten uns nicht in falscher Zuversicht
       wiegen und deshalb untätig bleiben. Aber: Wer welche hat, hat’s gut! Und
       schon kleine Erfolge im eigenen Engagement können die Zuversicht weiter
       stärken.
       
       Dieser Text ist Teil eines Rechercheprojekts zu Klimawandel und Gesundheit,
       das von der taz Panter Stiftung unterstützt wird.
       
       24 Feb 2024
       
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