# taz.de -- Berliner Landesamt für Einwanderung: Experten klagen über das LEA
       
       > Die „Dysfunktionalität“ des Amts bereite Menschen „existenzielle
       > Probleme“, sagen Expert*innen von Beratungsstellen. Amtschef weist
       > Kritik zurück.
       
 (IMG) Bild: Beim Landesamt für Einwanderung gibt es nur online Termine – vielleicht
       
       BERLIN taz | Für viele Menschen in dieser Stadt ist das Landesamt für
       Einwanderung (LEA) die „wichtigste Behörde in ihrem Leben“. So beschrieb
       der Grünen-Abgeordnete Jian Omar am Montag im Innenausschuss die Bedeutung
       des Amts. Es entscheide, ob ein Nicht-EU-Ausländer hier arbeiten oder
       studieren darf, ob Familien zusammengeführt werden oder ausreisen müssen.
       Kurz: Das LEA sei verantwortlich für den internationalen Ruf Berlins.
       
       Damit scheint es jedoch nicht weit her – zumindest wenn man den
       Expert*innen glaubt, die der Ausschuss am Montag anhörte. Ob
       Flüchtlingsrat, Schwulenberatung, Diakonisches Werk oder IHK – alle
       beklagten [1][die großen Schwierigkeiten von Menschen, überhaupt Zugang zum
       LEA zu bekommen]. Geschweige denn, dass ihre Anträge zeitnah und korrekt
       bearbeitet würden.
       
       „Die Dysfunktionalität ist für viele eine existenzielle Bedrohung“, sagte
       Sina Stach vom Flüchtlingsrat. Sie griff damit eine Vokabel auf, die
       Behördenchef Eberhard Mazanke voriges Jahr selbst ins Spiel gebracht hatte,
       als er sein Amt als „am Rande der Dysfunktionalität“ beschrieb. In der Tat:
       Immer wieder verlieren Menschen ihren Job, ihre Sozialleistungen oder die
       Wohnung, weil das LEA teils über Monate ihre Aufenthaltspapiere nicht
       verlängert und sie nicht einmal einen Termin bekommen.
       
       Auch Sascha Aleksjuk von der Schwulenberatung kennt solche Fälle. Er
       betonte: Ohne Beschäftigungserlaubnis „kann auch die geforderte
       Integrationsleistung nicht erbracht werden“. Fachkräfte verließen das Land
       wieder. Die Sorge treibt auch Julian Algner von der IHK um: „Derzeit fehlen
       90.000 Fachkräfte in der Berliner Wirtschaft“, vor allem ausländische. Aber
       wenn Erlaubnisse fehlten, kämen Arbeits- und Ausbildungsverträge nicht
       zustande.
       
       ## Unverständliche Software
       
       Petra Schwaiger vom Diakonischen Werk betonte, wie sehr die
       Dyfunktionalität des LEA die Arbeit von Beratungsstellen und
       Sozialarbeitern in den Flüchtlingsheimen belaste. Die Schwierigkeiten bei
       Terminbuchungen bedeuteten für die Mitarbeitenden einen „hohen
       Arbeitsaufwand“, weil sie den Betreffenden helfen müssten. Die Software,
       die nur in Englisch und Deutsch funktioniert, sei für viele Menschen nicht
       verständlich und zu kompliziert.
       
       Zudem beklagte Schwaiger, das andere Behörden wie Jobcenter und Sozialämter
       oft nicht Bescheid wüssten, dass schon der Versuch einen Termin zu buchen
       „Fiktionswirkung entfaltet“. Auf Deutsch: Weil die Terminvergabe schon
       länger nicht funktioniert oder einfach keine Termine zu haben sind,
       erhalten „Kunden“ des LEA eigentlich eine Bestätigungsemail, wenn sie
       versuchen einen Termin zu buchen.
       
       Mit dieser Bestätigung erhalten sie ein PDF, dass ihren abgelaufenen
       Aufenthaltstitel schon mal „fiktiv“, also übergangsweise, verlängert. Dies
       funkioniere jedoch teilweise nicht oder die anderen Behörden akzeptierten
       diesen vorläufigen Bescheid nicht, so die Experten. Zudem, so erklärte
       Schwaiger, sei dies nicht-staatlichen Akteuren wie Arbeitgebern oder
       Vermietern auch gar nicht bekannt.
       
       Eine der Empfehlungen der Expert*innen lautete daher: das LEA müsse
       „alle Player“ informieren, dass schon die Kontaktaufnahme mit dem LEA wie
       eine Aufenthaltsverlängerung wirkt. Gut wäre in ihren Augen auch eine Art
       „Notfallschalter“, wo kritische Fälle vor Ort beim LEA prioritär behandelt
       werden könnten. Und: Die Ombudsstelle für Beschwerden sollte wieder
       eingeführt werden.
       
       Mazanke beeindruckte die Kritik kaum. Es gebe diese Probleme zwar, „aber
       das sind Ausnahmen. Das System funktioniert unterm Strich sehr gut.“ Er wie
       auch Staatssekretär Christian Hochgrebe (SPD) verwiesen auf die 88
       zusätzlichen Stellen beim LEA im neuen Haushalt (24/25), die allerdings
       noch nicht alle besetzt seien. Dazu kämen 20 befristete Beschäftigte, bei
       der Einbürgerungsabteilung 120 zusätzliche Stellen. Damit würden sich die
       langen Bearbeitungszeiten bald verringern, beschwichtigten sie.
       
       ## „Ich bin die Ombudsstelle“
       
       Zudem werde ab Ende Mai eine neue Terminvergabe-Software installiert, bis
       Ende 2025 würden alle Dienstleistungen komplett auf digitale Verfahren
       umgestellt. Dann sei auch ein Missbrauch nicht mehr möglich, wie er aktuell
       immer wieder beklagt wird, so Mazanke – dass nämlich findige Geschäftsleute
       [2][online-Termine beim LEA blockieren und gegen Geld verkaufen]. Mit dem
       neuen System müssten Kunden erst ihre Papiere hochladen, „danach vergeben
       wir den Termin“.
       
       Die Verbesserungsvorschläge der Experten lehnte Mazanke ab, seine Behörde
       habe derzeit keine Zeit für Neuerungen. Priorität habe das Abarbeiten des
       Rückstaus – auch bei den Einbürgerungen, für die das LEA seit diesem Jahr
       zusätzlich zuständig ist. In diesem Bereich hat es 40.000 noch nicht
       bearbeitete Anträge von den früheren Einbürgerungsstellen der Bezirke
       „geerbt“, die teils Jahre alt sind. Zu erwarten ist, dass mit
       Verabschiedung des neuen Staatsbürgerschaftsrechts durch die Ampel noch
       weit mehr Einbürgerungsanträge dazu kommen. Wie das LEA dies bewältigen
       will, blieb unklar.
       
       Fast schon kurios war Mazankes Erwiderung auf die Forderung nach einer
       Wiederbelebung der Ombudsstelle. Deren Leiter, [3][der frühere
       Justizsenator Wolfgang Wieland, war im Dezember verstorben] – und die
       Beratungsstelle zum 1. Januar eingestellt worden. Grund dafür, so Mazanke
       im Ausschuss, sei die Überlastung der Behörde. Die zehn Mitarbeiter der
       Ombudsstelle würden bei der Einbürgerungsstelle dringend gebraucht. „Ich
       bin jetzt die Ombudsstelle“, erklärte er.
       
       Dies stellte weder die Expert*innen noch die Opposition zufrieden. „Der
       Witz bei Ombudsstellen ist, dass sie unabhängig sind“, erwiderte Elif Eralp
       von der Linkspartei. Tatsächlich bleibt nach dieser Anhörung fraglich, ob
       ein Behördenleiter die beste Adresse ist, um Beschwerden über seine Behörde
       objektiv zu beurteilen.
       
       4 Mar 2024
       
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 (DIR) Susanne Memarnia
       
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