# taz.de -- Die Wahrheit: Schnittchen für die Nörgelpötte
       
       > Sind musikalische Horizonte schmal, dann kann man Kritik wie „Al Bano und
       > Romina Power mit Gitarren“ auf einem Metal-Festival getrost vergessen.
       
       Die schönsten Gespräche führt man doch immer noch auf dem Festival-Abort.
       „Endlich Atomkrieg!“, ruft ein Zauselkopf im „Kings of Metal“-Shirt mit
       krankem Lächeln, als er die Kabine ansteuert. „Deine Verdauung, oder was?“,
       fragt ein interessierter Zeitgenosse, aber der Manowar-Honk winkt ab. „Ach,
       das war nur Gefasel!“
       
       Ist es dann aber doch nicht. Als ich in die Halle zurückeile, wanken
       Vanquisher bereits reichlich verstrahlt auf der Bühne herum, bleich
       geschminkt und verkleidet wie postapokalyptische Krieger. Ein ziemliches
       Hauen und Stechen beginnt, es scheint, als hätte die Band ihren Conan-Metal
       in eine dystopische Zukunft transferiert. „Nuclear Winter“, brüllt der
       Metal King vom WC entseelt und drängelt sich nach vorn an die Front, um den
       Kampf aus der ersten Reihe zu beobachten.
       
       Es tagt mal wieder das Steel Held High, das Braunschweiger Metal-Festival
       für die „No Wimps, No Posers“-Fraktion. Ein Freund aus der
       Hardcore-Suchtgruppe ruft kurz vorher noch an und fragt, ob er da auch
       mittun dürfe. „Ich glaube, du bist nicht true genug!“, gebe ich zu bedenken
       und ziehe kubikhektoliterweise Luft durch die Zähne. Er bleibt dann auch
       weg – und tut gut daran.
       
       Wobei man die reine Lehre mittlerweile etwas großzügiger auslegt. Es geht
       nicht mehr nur um ein Reenactment des frühen Heavy Metal der Jahre 1979 bis
       1983. Mit Cherokee darf jetzt auch eine Band auftreten, die eine nervöse,
       koksflinke Variante des altvorderen Hardrock vom Parkett fegt. Musik aus
       einer Zeit, als Gitarren noch nicht nach den Trompeten von Jericho klangen.
       Und ich sitze auf einmal wieder im Siebziger-Jahre-Jugendzimmer meines
       großen Bruders und esse ein Schinkenbrot. Das Auditorium braucht eine
       Weile, aber irgendwann findet es sich auch bei meinem Bruder ein und ich
       muss einen Haufen Schnittchen schmieren.
       
       ## Wie Wishbone Ash auf Speed
       
       Wir feiern Cherokee als eine Art Wishbone Ash auf Speed, aber Sängerin
       Laura Vesprini macht was Eigenes daraus. Die paar Nörgelpötte, die es immer
       und überall gibt, verlassen geschwind die Halle, weil sie keine verdammten
       Spielverderber sein wollen. Sind sie dann aber doch. „Al Bano und Romina
       Power mit Gitarren“, hört man die unberatenen Saftsäcke zischeln, deren
       musikalische Horizonte so schmal sind wie die spitzen Nasen in ihren
       freudlosen Gouvernantengesichtern.
       
       Smoulder drehen dann noch einmal akkurat die Kreuze um. Epic Doom und
       Feminismus sind ernste Angelegenheiten, aber Sarah Ann Kitteringham hat
       doch zu viel Spaß am Mikrofon, um ständig böse Miene zum guten Spiel zu
       machen. Und dann kommen auch schon Ostrogoth. Ganz alte Helden aus Belgien,
       die nie wieder so gut waren wie auf ihrer ersten EP.
       
       Leider ist die Hälfte des Publikums schon zu besoffen, um sie noch richtig
       mitzubekommen. Einer schreit ständig „Full Moon’s Eyes“, zu Recht, aber als
       die Band ihren Geniestreich endlich spielt, liegt er schon unterm Tisch.
       Das ist mal wieder typisch Steel Held High!
       
       5 Mar 2024
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frank Schäfer
       
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