# taz.de -- Fußball in Ruanda: Fan-Orchester und kickende Soldaten
       
       > In Ruanda setzt man nach Jahren des Schreckens auf die versöhnende Kraft
       > des Fußballs. Das Nationalteam lässt hoffen, der FC Bayern arbeitet vor
       > Ort.
       
 (IMG) Bild: Ruandisch-ägyptisches Vereinsduell: Der APR FC aus Kigali gegen Pyramids FC aus Kairo
       
       Fußball in Ruanda ist ein Spektakel. Dafür sorgen vor allem die Fans. Die
       größten Klubs haben regelrechte Fan-Orchester. Trommeln jeder Art und Größe
       werden mitgebracht. Vuvuzelas sind zu hören, aber auch andere
       Blasinstrumente tragen zum Groove bei. Ausstaffiert sind die Fans mit den
       Insignien der Klubs. Wer dem Police FC zujubelt, dem Polizeiverein, hat
       eine Uniformmütze auf dem Kopf und selbstgebastelte Handschellen am Gürtel.
       
       Wer mit dem Armée Patriotique Rwandaise FC (APR FC) sympathisiert, wählt
       Kleidung mit Tarnflecken aus und hantiert mit Kalaschnikows aus Pappmaché.
       Fans von Rayon Sports wiederum, dem Traditionsverein, dessen Wurzeln bis
       auf den fußballverrückten vorletzten König des Landes zurückgehen, der 1959
       unter ungeklärten Umständen in der Gewalt der belgischen Kolonialherren ums
       Leben kam, bevorzugen Ganzkörperbemalung. Ligabetrieb und auch Pokalspiele
       sind vor allem Feste. Sie haben Karnevalscharakter.
       
       Die fußballerische Klasse auf dem Platz kann mit der Performance auf den
       Rängen nicht ganz mithalten. [1][In der afrikanischen Champions League]
       scheidet Serienmeister APR FC regelmäßig in den ersten beiden Runden aus.
       Das liegt auch daran, dass der inzwischen 21-fache Landesmeister (in den
       letzten 29 Jahren!) in der Liga kaum gefordert wird. Er kauft landesweit
       die Talente auf. Diese sitzen dann aber meist auf der Bank, kommen nicht an
       den ausländischen Nationalspielern vorbei – fünf Ausländerplätze sind seit
       Kurzem erlaubt – und entwickeln sich kaum weiter. Das nervt den
       Nationaltrainer, einen Deutschen übrigens, den Augsburger Torsten Spittler.
       Für Siege in der heimischen Liga reicht es beim APR FC, dem Lieblingsverein
       des Präsidenten und früheren Armeechefs Paul Kagame, aber.
       
       Fußball hat historisch einen hohen Stellenwert in Ruanda. Das liegt unter
       anderem daran, dass der vielen modernen Dingen gegenüber aufgeschlossene
       König Mutara III. Rudahigwa in den 1930er Jahren nicht nur selbst einen
       Fußballverein gründete, sondern auch diverse Häuptlinge überzeugte, ihre
       eigenen Klubs ins Leben zu rufen. Fußball war also sehr früh eine royale
       Disziplin.
       
       ## Versteckt vor den Mörderbanden
       
       „Damals hatte jedes Team ein eigenes Lied. Spieler und Fans sangen es vor
       jedem Match. Es gab auch gemeinsame Tänze“, blickt der spätere
       Nationalspieler Eric Murangwa Eugene auf die Anfangszeiten zurück. Murangwa
       Eugene hat selbst eine besondere Geschichte zu erzählen. Der Torhüter von
       Rayon Sports und der Nationalelf überlebte den Genozid im Jahre 1994 in
       erster Linie, weil er als Fußballer große Popularität genoss. Mitspieler
       versteckten ihn vor den Mörderbanden.
       
       Und ein Funktionär seines Klubs, bekannt als Zuzu, setzte sich ebenfalls
       für ihn ein, obwohl er selbst sogar ein Anführer der [2][Interahamwe-Miliz
       war, der nachweislich brutalsten Tätergruppe während des Genozids]. Zuzu
       wurde später in den USA festgenommen und nach Ruanda ausgeliefert. Murangwa
       baute in London die Ishami Foundation auf, die den Fußball als Mittel für
       Versöhnung einsetzt.
       
       Auch im Land selbst gibt es solche Initiativen. Ladislas Nkundabanyanga,
       ein Ex-Fußballer und späterer Sport- und Englischlehrer, gründete im
       Nordwesten Ruandas den Rwanda Youth Club for Peace. „Wir haben damals als
       Lehrer überlegt, was wir tun können, um die Kinder zu einem gemeinsamen
       Miteinander zu erziehen und auch gegen die Genozid-Ideologie vorgehen zu
       können. Wir sind mit ihnen unter anderem zu Genozid-Gedenkstätten gefahren,
       haben über unsere Erlebnisse dort gesprochen“, erzählt er.
       
       Schnell kam er aber auch auf Fußball als perfektes Versöhnungstool. „Schon
       kurz nach dem Genozid habe ich in unserer Gegend Fußballspiele zwischen der
       Armee und den lokalen Klubs organisiert, als Zeichen dafür, dass jetzt
       Frieden herrscht und Flüchtlinge aus dem Kongo zurückkehren können.“ Und
       jetzt ist er überzeugt davon, dass die Kinder, die im Rahmen seiner
       Fußballakademie Wettkämpfe austragen, Mitspieler wie Gegner mit Respekt und
       Achtung behandeln.
       
       ## Fans für Milizen rekrutiert
       
       Ladislas Nkundabanyanga nutzt die Besprechungen nach einem Spiel auch, um
       mit den Jugendlichen über allgemeine Themen wie Disziplin, die Gefahren von
       Drogenmissbrauch und das Konzept von Menschenrechten zu sprechen. Seine
       Arbeit wird unter anderem von der Berliner OHDE-Stiftung unterstützt, die
       sich ansonsten vornehmlich in Neukölln für sozial schwächer gestellte
       Jugendliche einsetzt.
       
       Das Beispiel Ruanda zeigt allerdings auch, wie leicht Fußballkultur
       missbraucht werden kann. Aktivist Murangwa erinnerte in einem Interview
       daran, dass die Basis der Interahamwe-Milizen einst aus gewalttätigen
       Fußballfans bestand, die dann ideologisch auf Hass und Mord getrimmt
       wurden. Das Spiel mit dem Ball kann ebenfalls für finstere Interessen
       missbraucht werden.
       
       Von solchen Geschichten erzählen auch Stadien in Ruanda. Beim Umbau des
       größten Stadions des Landes, des Amahoro-Stadions (Amahoro heißt übrigens
       Frieden) wurden Massengräber entdeckt, die auf die Zeit des Genozids
       zurückgehen. Im Stadion hatten sich Tausende versammelt, die vergeblich auf
       Hilfe durch die damalige UN-Mission hofften. Auch solche Geschichten prägen
       neben aller Freude und Ausgelassenheit den Fußball in Ruanda.
       
       Gegenwärtig befindet sich das Nationalteam der Männer auf einem
       vielversprechenden Weg. In der Qualifikation für die nächste
       Weltmeisterschaft 2026 wurde immerhin bereits Südafrika, [3][Dritter des
       Afrika Cups] vor ein paar Wochen, bezwungen.
       
       Und einen ruandischen Messi gibt es auch schon: Hakim Sahabo, ein
       18-Jähriger, der bei Standard Lüttich in den vergangenen Wochen regelmäßig
       seine ersten Einsätze im Mittelfeld erhielt. Für die nächste Welle von
       Talenten soll die [4][Akademie des FC Bayern München] sorgen. Einen ersten
       U14-Spieler konnte Bernhard Hirmer, Leiter der Akademie, bereits von Kigali
       aus zu einem dreimonatigen Lehrgang nach München schicken.
       
       4 Mar 2024
       
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