# taz.de -- Aiwanger bei Bauerntreff in Brandenburg: Buhlen um den Mittelstand
       
       > Auf der Jahresversammlung der „Freien Bauern“ Brandenburg waren auch die
       > Freien Wähler und das Bündnis Sahra Wagenknecht. Ein Ortsbesuch.
       
 (IMG) Bild: Hubert Aiwanger fühlt sich wohl unter Bauern, wie hier in München Anfang Janaur 2024
       
       SCHÖNWALDE-GLIEN taz | Die Gaststätte Schwanenkrug ist klassisch
       geschmückt. Weiße Tischdecken, samtene Schleifen am behängten Gewölbe. Das
       braun-grüne Banner der Freien Bauern hängt über der Bühne, auf der das
       Ketziner Orchester die Brandenburger Hymne spielt. „Märkische Heide,
       märkischer Sand“ singen etwa 150 Landwirtinnen und Landwirte, die hier im
       Nordwesten Berlins zur Jahresversammlung der „Freien Bauern“ Brandenburg
       zusammengekommen sind. Es sind einige karierte Hemden, Funktionsjacken und
       viel Tweed zu sehen. Alles im Raum ist ordentlich, jede Tasse hat hier ihre
       Untertasse.
       
       Über dem Pumpkaffee hinten im Saal haben ein paar der Landwirte ihre
       Cowboy-Hüte auf der Fensterbank geparkt. Nur ganz vorne hat einer seinen
       Hut noch auf: „Wir mussten den Tisch noch ein bisschen rumrücken. Wir
       stehen hier in der Mitte und wir sind die Mitte der Gesellschaft“, eröffnet
       der Brandenburger Landwirt Marco Hintze die Veranstaltung.
       
       Die Programmpunkte: Hubert Aiwanger, Vorsitzender der Freien Wähler und
       Vize-Ministerpräsident in Bayern, und Amira Mohamed Ali, neue Vorsitzende
       vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), sollen gleich sprechen, der Rest: „nur
       Formalien“. Eine interessante Rednerliste. [1][Beide Parteien zielen im
       Hinblick auf die bevorstehenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und
       Brandenburg auf den frustrierten Mittelstand im Osten.] Beide mit strammen
       Parolen, einmal stramm rechts, einmal ziemlich links der Mitte.
       
       Die Lage in Brandenburg ist durcheinander: In Wahlumfragen liegt gerade die
       AfD vorne, BSW und Linke stehen zwischen 6 und 13 Prozent, während die
       Freien Wähler in Brandenburg es bei der letzten Wahl gerade so in den
       Landtag geschafft haben. Trotzdem [2][inszeniert sich Aiwanger bei den
       Freien Bauern als einer von ihnen.]
       
       ## Neue Mitglieder durch Traktor-Proteste
       
       „Das war kein Ausländer für uns, sondern jemand, der unsere Sprache
       spricht!“, wird der Bayer in Brandenburg verabschiedet werden. Der als GmbH
       organisierte Verband der „Freien Bauern“ ist in Nord- und Ostdeutschland
       besonders stark. Knapp ein Drittel seiner etwa 1.500 Mitglieder kommen laut
       eigenen Angaben aus Brandenburg. Durch die Traktor-Proteste in Berlin, die
       die „Freien Bauern“ teilweise mitorganisiert hatten, hätten sie nochmal
       einige Mitglieder hinzugewonnen.
       
       Dementsprechend gut ist die Stimmung im Saal, fast versöhnlich. Sogar die
       gute Zusammenarbeit mit Landesumweltminister Axel Vogel (Grüne) bei der
       Wiedervernässung der Moore lobt ein Sprecher. Das „Bekenntnis zum
       Familienbetrieb“ und zur „unternehmerischen Verantwortung“ gebe in der
       Region zwar die Richtung vor. Die Mitglieder seien aber auch bereit, „sich
       anzupassen, an alles, was der Natur und den Betrieben dient“.
       
       Die einzige Bedingung sei „keine Verbindung zu Parteien, Industrie oder
       NGOs“, welche der Lobbyverband immer wieder den anderen Vertretungen der
       Landwirtinnen und Landwirte vorwirft. Diese behauptete Parteiferne versucht
       Aiwanger, selbst Waldbesitzer und Sohn von Landwirten, zu durchbrechen.
       „Die Bundesregierung versteht die Bauern nicht!“, eröffnet er seine Rede.
       
       Damit meint er auch sich selbst: Überall werde „uns in die Kniekehlen
       geschlagen.“ Immer wieder betont Aiwanger, wen er außerdem mit „uns“ meint:
       nicht nur die Landwirte, sondern das ganze
       „mittelständisch-eigentumsgetriebene“ Milieu. Dieses dürfe sich von der
       Regierung „zwischen Groß und Klein“ nicht teilen lassen, damit „das Thema
       Eigentum, Mittelstand, Landwirtschaft, Handwerk wieder wichtig wird“.
       
       Das Geld sei da, werde aber „im Bürgergeld versenkt“ oder „damit die Bahn
       streiken kann“. Mit dem Parteiprogramm und seinen Geschichten vom Hof stößt
       er bei den Brandenburgern auf offene Ohren.
       
       ## Linke hat es schwieriger als Aiwanger
       
       [3][Amira Mohamed Ali] hat es da schwieriger: Obwohl die Linke im Osten
       traditionell stark war, hat sie wie BSW gerade bei den Landwirten kein
       optimales Standing. Sie habe zu sehr auf die Agrargenossenschaften als
       Nachfolgeorganisationen der Landwirtschaftlichen Produktionsgemeinschaften
       (LPGs) gesetzt, sagt ein älterer Landwirt, der sich als Interessierter
       vorstellt, als „wertkonservativ und links der Mitte“. Hier im Saal habe
       deswegen fast niemand je sein Kreuz links gemacht, sagt ein anderer.
       
       Ali schießt scharf gegen die fehlgeleitete Agrarpolitik der EU, das
       „Bürokratiemonster“, mit dem der Mittelstand immer wieder konfrontiert sei.
       Sie greift Freihandelsabkommen an, die „Lebensmittelindustrie“ und das
       „Marktdiktat des Einzelhandels“. Aber vor allem versucht sie, auf einer
       anderen Ebene einen Kontakt herzustellen – und übt damit schon mal für die
       [4][bevorstehenden Landtagswahlen].
       
       So präsentiert Mohamed Ali sich als Kämpferin gegen „die sogenannte Cancel
       Culture“: Es habe Methode, dass die Proteste von Medien und Politik in die
       rechte Ecke gerückt worden seien, sagt die Weggefährtin von Sahra
       Wagenknecht. Damit kann sie punkten. Die Stimmung ist nicht abgeneigt, aber
       bei Detailfragen wird es eng. Da bitte sie um Verständnis für die noch
       junge Partei. Die Landesprogramme seien noch nicht fertig. Und wann man
       endlich in die Partei eintreten könne, fragt ein anderer. Auch das ist:
       noch ungewiss.
       
       23 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Raoul Spada
       
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