# taz.de -- Trumps App „Truth Social“: Wahrheit per App
       
       > Ex-Präsident Trump möchte seine App Truth Social mit seiner Firma Digital
       > World Acquisition fusionieren. Dabei läuft die App nicht mal gut.
       
 (IMG) Bild: Trumps Fans machen sein Fahndungsfoto zum modischen Trend
       
       Grimmig blickt er in die Kamera, seine blondierten Haare sind wild zur
       Seite gekämmt. Die Furchen im Gesicht sind tief, dafür scheint seine
       orangefarbene Haut umso mehr. Es ist das Polizeibild des ehemaligen und
       vielleicht bald wiedergewählten US-Präsidenten Donald J. Trump. Es ist das
       erste und einzige Fahndungsfoto eines US-amerikanischen Präsidenten,
       aufgenommen am 24. August 2023 wegen versuchten Wahlbetrugs. Das ist selbst
       für Trumps Verhältnisse eine Zäsur.
       
       Das Bild ist der einzige Post, den Trump auf X, ehemals Twitter,
       veröffentlicht hat, seit ihn die Plattform im Januar 2021 gesperrt hatte. X
       hatte noch vor der Übernahme durch Elon Musk Trumps Account gesperrt,
       [1][nachdem er zum Sturm auf das Kapitol angestachelt hatte]. Seitdem seine
       alternative Bühne: Truth Social. Die Social-Media-App ist bekannt dafür,
       radikalen und extremistischen Ansichten einen Raum zu geben.
       
       Kritiker:innen bemängeln die nachlässige und inkonsequente Moderation
       auf der Plattform, wo sich inzwischen Verschwörungserzählungen und
       alternative Fakten verbreiten. Dabei ist Truth Social nur ein Symptom einer
       größeren Entwicklung in der US-amerikanischen Medienlandschaft. Die
       politischen Fronten verhärten sich, kurz vor den US-Wahlen ist das
       Vertrauen in die Berichterstattung geringer denn je und Trump entfernt sich
       mit seiner App immer weiter von etablierten Medien.
       
       Nach seiner Verbannung von X kündigte Trump an, sein eigenes Netzwerk
       aufzubauen, das sich angeblich der Wahrheit verschreibe und kritische
       Stimmen nicht mundtot mache. Unter dem Mantel der im Februar 2021
       neugegründeten Trump Media & Technology Group wurde Truth Social entwickelt
       und im Oktober 2021 angekündigt. Für die Programmierung einer umfassenden
       App ist das kaum ein ausreichendes Zeitfenster.
       
       ## Kontroversen für mehr Downloads
       
       Und tatsächlich gibt es in der App regelmäßig technische Schwierigkeiten.
       [2][Im Februar 2022 meldete sich Trump dann mit seinem ersten Post auf der
       Plattform: „Get Ready! Your favorite President will see you soon!“] Im
       November desselben Jahres entsperrte der neue Besitzer von X, Elon Musk,
       den Account des Ex-Präsidenten. Doch Trump blieb der Plattform bis auf den
       eingangs erwähnten Post fern. Er sagte zuvor öffentlich, dass seine
       Loyalität der eigenen App gilt, eine Rückkehr wäre inkonsequent.
       
       Doch auf Truth Social kann Trump bisher nicht an seine vorherigen Zahlen
       anknüpfen. Zählte er auf X noch knapp 88 Millionen Follower:innen, sind es
       auf Truth Social gerade einmal sechseinhalb Millionen. Aktuell hat die
       Plattform rund zwei Millionen aktive Nutzer:innen, X hat im Vergleich dazu
       540 Millionen.
       
       Doch das Interesse der Nutzer:innen gilt weniger der Plattform selbst
       als dem Ex-Präsidenten. Die Kontroversen um ihn befeuern die Downloadzahlen
       der App. Als das FBI im August 2022 etwa sein Haus in Florida durchsuchte,
       haben sich die Truth-Social-Downloads daraufhin mehr als verfünffacht. Doch
       ohne kontroverse Trump-Schlagzeilen stagnieren die Downloads. Im
       Allgemeinen ist die Wirtschaftlichkeit der App niedrig, Truth Social
       schreibt rote Zahlen. Der einzige Selling Point des Netzwerks ist der Name
       Trump, eine ernsthafte Konkurrenz zu den etablierten sozialen Medien ist es
       nicht.
       
       Nun möchte Trump seine App mit der eigens dafür gegründeten Mantelfirma
       Digital World Acquisition fusionieren. Nachdem er dieses Jahr in mehreren
       Gerichtsverfahren zu unterschiedlichen Geldstrafen verurteilt wurde, muss
       Trump über eine halbe Milliarde US-Dollar zahlen – eine Finanzspritze käme
       ihm also gerade recht.
       
       ## Finanzspritze für Trump, Echokammer für seine Anhänger
       
       Der Deal mit Digital World Acquisition soll bis zu 4 Milliarden US-Dollar
       wert sein, doch dürfte das laut Schätzungen kaum dem Realwert der App
       entsprechen. Investor:innen sind wegen Zweifeln schon mehrfach
       abgesprungen. Begann die (noch immer) fehlerhaft programmierte Plattform
       als Trumps mediale Rettungsleine, könnte sie nun auch seine finanzielle
       werden. Seiner populistischen Klientel dient die App hingegen als
       Echokammer, in der sie sich weiter radikalisieren kann.
       
       „Viele nutzen zudem die Plattform, weil sie nur dort sehen können, was der
       mögliche künftige Präsident der Vereinigten Staaten von sich gibt. Das war
       immer ein Nachteil der Entscheidung, Trump von anderen Plattformen zu
       verbannen“, sagt Christian Hoffmann, Professor für Kommunikationsmanagement
       am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität
       Leipzig.
       
       Trotz technischer Probleme und der optischen Orientierung an X sieht er
       Truth Social als ein gelungenes Experiment des Trumpismus. Denn die App
       generiert Aufmerksamkeit und hält Trump in der Öffentlichkeit. „Die
       Nachhaltigkeit des Projekts kann jedoch noch immer angezweifelt werden“, so
       Hoffmann.
       
       Truth Social hat den Ruf einer stark konservativen Plattform und ist
       besonders für die US-amerikanische alternative Rechte attraktiv.
       Gleichzeitig präsentiert sich die App als Medium der Wahrheit und
       unterstützt das Narrativ, dass die etablierten Medien voller Fake News
       seien. Deswegen sendet man auf Truth Social auch keine Tweets, sondern
       „Truths“, Wahrheiten. Retweets sind „ReTruths“. Moderiert wird auf der
       Plattform kaum, es sei denn, die Inhalte richten sich gegen konservative
       Ansichten. Posts, die sich etwa für Abtreibungen oder gegen Trump
       aussprechen, werden oftmals gelöscht.
       
       ## Sinkendes Vertrauen in Medien
       
       „In den USA gibt es weniges, das über der Meinungsfreiheit steht“, meint
       Kommunikationswissenschaftler Hoffmann, „während man in Europa eher bereit
       ist, die Meinungsfreiheit einem höheren Gut zu opfern“. Doch er beobachtet,
       dass der offene „Markplatz der Ideen“ in den USA in den letzten Jahren
       stärker infrage gestellt wurde, auch von der politischen Linken.
       
       Dass die unter Trump vereinte Rechte keinen politischen Diskurs außer dem
       eignen toleriert, zeigt ihr Verhalten auf Truth Social. Und das, obwohl
       sich die App angeblich der Meinungsfreiheit verschrieben hat.
       
       Das Vertrauen in die Medien hat in der weltweit ältesten Demokratie ohnehin
       stark abgenommen. Eine Studie des Meinungsforschungsinstituts Gallup zeigte
       Ende letzten Jahres, dass nur 11 Prozent der Republikaner:innen den
       Massenmedien vertrauen. Selbst unter Anhängern der Demokrat:innen
       vertrauten nur 58 Prozent den Medien.
       
       „Rechtsstehende US-Bürger:innen nehmen die Massenmedien als feindseliger
       wahr“, so Hoffmann. „Und je feindseliger die etablierten Medien
       wahrgenommen werden, desto größer ist der Drang, durch eine aktive
       Social-Media-Kommunikation korrigierend auf den öffentlichen Diskurs
       einzuwirken“. Demnach ist Truth Social eine Plattform, die aus dem
       Misstrauen gegenüber anderen entstanden ist, wie den vorgeblich zu linken
       Fernsehsendern MSNCB oder CNN.
       
       ## Weder Wahrheit noch soziales Miteinander
       
       Hoffmann stellt fest, dass Truth Social im Kern eine „Make America Great
       Again“-Plattform ist, „auf der alle letztlich nur präsent sind, um auf
       Trump einzuwirken oder durch dessen Anhänger wahrgenommen zu werden“.
       Nachdem Nikki Haley nach dem Super Tuesday Anfang März aus dem Rennen um
       die Präsidentschaftskandidatur ausstieg, ist das Trump-Lager in der
       republikanischen Partei stärker als je zuvor. [3][Der bevorstehende
       Wahlkampf könnte] Truth Social einen Popularitätsschub geben.
       
       Die Zukunft von Truth Social hängt am seidenen Faden. Verliert Trump das
       Rennen um die Präsidentschaft, wird die App kaum eine Zukunft haben. Die
       Plattform ist an die Popularität des Ex-Präsidenten gebunden, ohne ihn kann
       sie nicht bestehen. Aktuell dient sie als Filterblase für rechte Ideologien
       und ist Trumps Werkzeug der politischen Kommunikation.
       
       Seine Anhänger:innen, die von der Falschheit der etablierten Medien
       überzeugt sind, bekommen mit Truth Social eine radikale Alternative. Und
       die in den USA so hoch gehaltene Meinungsfreiheit stößt auf der App schnell
       an ihre Grenzen. Nur wer für Trump ist, hat auf Truth Social einen Platz.
       Doch findet man dort weder Wahrheit noch ein soziales Miteinander.
       
       14 Mar 2024
       
       ## LINKS
       
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