# taz.de -- Umstrittene Stellenbesetzung im Senat: Der CDU-Funktionär und das Geld
       
       > Ein von Walter Gauks, dem Senatsbeauftragten für Russlanddeutsche,
       > geleiteter Verein soll in schwere finanzielle Schwierigkeiten geraten
       > sein.
       
 (IMG) Bild: Walter Gauks (CDU), der neue Ansprechpartner des Senats für Deutsche aus Russland, Spätaussiedler und Vertriebene
       
       BERLIN taz | In der Affäre um Walter Gauks, den neuen Ansprechpartner des
       schwarz-roten Senats für die Belange der Russlanddeutschen und
       Spätaussiedler, sind neue Vorwürfe aufgetaucht. So soll [1][der von dem
       CDU-Funktionär Gauks geleitete Integrationsverein Lyra Marzahn] in schweres
       finanzielles Fahrwasser geraten sein. Das zumindest behaupten
       Marzahn-Hellersdorfer Parteifreunde von ihm.
       
       Allein die Mietschulden für die Vereinsräume, heißt es aus dem Ostberliner
       Großbezirk, würden sich auf mehr als 10.000 Euro belaufen. Hinzu kämen
       weitere Schulden, etwa für Honorare. „Das dicke Ende steht aber erst
       bevor“, sagt ein CDU-Mitglied zur taz, das seinen Namen nicht in der
       Zeitung lesen will.
       
       Demnach könnte Gauks' Verein noch mit unangenehmen Steuernachforderungen
       konfrontiert werden für die Zeit zwischen Mai 2021 und Juni 2022, als Lyra
       Marzahn nach eigenen Angaben drei Corona-Testzentren – zwei stationäre und
       ein mobiles – betrieb.
       
       Nach taz-Informationen bekam der CDU-nahe Verein hierfür eine sechsstellige
       Summe von der Kassenärztlichen Vereinigung. Eine Steuernachforderung könnte
       bei dem heute offenbar trotzdem klammen Verein also erheblich ins Kontor
       schlagen. Eine Insolvenz von Lyra Marzahn, heißt es aus der Bezirks-CDU,
       sei dann nicht mehr auszuschließen.
       
       ## Umstrittene Personalentscheidung
       
       Walter Gauks wurde im Januar auf Initiative der CDU des Regierenden
       Bürgermeisters Kai Wegner auf die neue geschaffene Stelle einer
       „Ansprechperson des Senats für Deutsche aus Russland, Spätaussiedler und
       Vertriebene“ bei der SPD-geführten Integrationsverwaltung gesetzt. Eine
       Personalentscheidung, die in der Opposition rasch den Vorwurf der
       Vetternwirtschaft aufkommen ließ.
       
       Schließlich ist Gauks nicht nur CDU-Ortschef von Marzahn Mitte. Nicht ganz
       irrelevant bei der Stellenbesetzung sollen auch Gauks' gute Kontakte zur
       stellvertretenden CDU-Kreischefin von Marzahn-Hellersdorf,
       Bildungssenatorin und vor allem Wegner-Partnerin Katharina Günther-Wünsch
       gewesen sein. [2][Der Fall war zuletzt sogar Thema im Plenum des
       Abgeordnetenhauses].
       
       Für den neuen Senatsbeauftragten Gauks wäre es dabei nicht die erste
       Pleite. Vor wenigen Jahren ging in Lichtenberg schon der fast namensgleiche
       und ebenfalls mit seinem Namen verbundene Verein Lyra insolvent, nachdem
       das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht korrekt verwendete
       öffentliche Gelder in Höhe von 44.000 Euro zurückgefordert hatte. Zuvor
       hatte Gauks bereits eine [3][auf ihn laufende Firma Event- und
       Gastro-Firma] in Osterode im Harz in den Sand gesetzt.
       
       Lyra Marzahn will die vermeintliche finanzielle Schieflage des Vereins
       weder bestätigen noch dementieren. „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir
       über Interna des Vereins keine Auskunft geben“, sagt der Vizechef Alexander
       Korneev zur taz. Auch die Hausverwaltung will sich mit Blick auf die
       kolportierten Mietschulden nicht äußern.
       
       ## Spendenaufrufe im Netz
       
       Dass es um die Finanzlage von Lyra Marzahn schlecht stehen und die
       Einnahmen aus den Corona-Testzentren längst ausgegeben sein könnten, darauf
       deutet auch ein Spendenaufruf für den Verein in den sozialen Medien seitens
       der Künstlerin Juliane Duda hin, die in den Vereinsräumen eine Ausstellung
       plant. In dem Aufruf schreibt Duda, dass dem Verein zugesagte Gelder bisher
       noch nicht überwiesen wurden, weshalb „die laufenden Projekte des Vereins
       eingeschränkt oder sogar beendet werden müssen“.
       
       In der Tat liegt beim Bezirk Marzahn-Hellersdorf ein Antrag auf 40.000 Euro
       von Lyra Marzahn, den CDU-Bezirksbürgermeisterin Nadja Zivkovic ohne
       Beteiligung der Bezirksverordneten bewilligen wollte – bevor ihn der
       zuständige Fachausschuss der BVV aufgrund der Presseberichte über den Fall
       Gauks auf Eis legte. Grüne und Linke im Bezirk sind gegen die Zuwendung.
       
       Der rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus,
       Sebastian Schlüsselburg, geht sogar noch weiter und fordert die
       Staatsanwaltschaft auf, eventuellen Hinweisen auf Betrugsverdacht mit
       Corona-Testzentren bei Lyra Marzahn nachzugehen. „Die Staatsanwaltschaft
       bearbeitet aktuell tausende solche Verfahren. Die öffentlichen Gelder waren
       für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung bestimmt und nicht zur
       Finanzierung anderer Aktivitäten“, so Schlüsselburg.
       
       ## Geplantes Engagement für Ukraine-Flüchtlinge
       
       Mangelndes Engagement dürfte Gauks' Verein sicherlich kaum vorzuwerfen
       sein. So hat Lyra Marzahn auch in Lichtenberg Fördergelder beantragt, über
       die noch nicht entschieden ist, so Bezirkssprecherin Antje Kind auf
       taz-Nachfrage. Die Mittel, ist weiter aus CDU-Kreisen zu hören, sollen aber
       für ein Lyra-Projekt zur Unterstützung ukrainischer Flüchtlinge gedacht
       sein.
       
       Auch im Ukraine-Ankunftszentrum in Tegel wollte sich Lyra Marzahn
       einbringen und ganz konkret einige Konzerte für Menschen mit
       Fluchterfahrung im Rahmen des Festivals „Wir gemeinsam“ anbieten, wie Gauks
       [4][auf seiner Facebook-Seite] schreibt. Das wiederum hat nun ukrainische
       Hilfsorganisationen auf den Plan gerufen.
       
       Denn was Gauks nicht erwähnt: Das [5][Festival „Wir gemeinsam“] fand 2020
       noch im Russischen Haus in der Friedrichstraße in Mitte statt, das indirekt
       Russlands Außenminister Sergey Lavrov untersteht. Und auch sonst pflegte
       Gauks in der Vergangenheit gute Kontakte zum Russischen Haus. Werbefotos
       von 2021 zeigen ihn beispielsweise bei einem offiziellen Termin mit dessen
       Direktor Pavel Izvolskij und dem CDU-Bundestagsabgeordneten Mario Czaja,
       der damals im Wahlkampf um die Stimmen von Russlanddeutschen in seinem
       Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf warb.
       
       Das ist zunächst nichts Ungewöhnliches. Auch die Bundesregierung war
       bekanntlich bis zum Überfall Russlands auf die Ukraine vor zwei Jahren
       stets um gute Beziehungen zum Kreml bemüht. Auf der Facebook-Seite des
       Vereins Deutsch-Russischen Festtage – auch hier sitzt Gauks im Vorstand –
       wurde allerdings noch im Sommer 2023 für [6][eine Veranstaltung im
       Russischen Haus] geworben.
       
       Ebenfalls 2023 wurde zudem ein Spendenaufruf für das Kloster St. Georg der
       Russisch-Orthodoxen Kirche in Brandenburg veröffentlicht, das ihrerseits
       zugleich [7][um Unterstützung von Kremlchef Wladimir Putin] höchstselbst
       warb. Nach Unterlagen, die der taz vorliegen, hatte im Oktober 2022 auch
       Gauks' Verein Lyra Marzahn 500 Euro für dieses Kloster gespendet.
       
       ## Ukrainische Initiativen verweigern die Zusammenarbeit
       
       Für Oleksandra Bienert von der Allianz ukrainischer Organisationen geht das
       alles gar nicht. Allein die Annahme, ein vielleicht prorussischer Verein
       könnte mit Ukrainern zusammen feiern oder sie beraten, sei eine
       „Reproduktion des russischen imperialistischen Denkens“. In Zeiten des
       russischen Angriffskrieges sei das, so Bienert, außerdem „eine Verhöhnung
       der ukrainischen Kriegsopfer und kann zu Retraumatisierungen führen“.
       
       Ähnlich sieht das die Ukrainerin Tetiana Goncharuk vom Frauentreff in
       Marzahn „UkrainerInnen haben feine Antennen, wie ein Verein oder
       BeraterInnen tatsächlich zum russischen Staat stehen. Danach entscheiden
       sie, ob sie Vertrauen aufbauen oder nicht“, sagt sie zur taz.
       
       Die von Lyra Marzahn angebotene Veranstaltung im Ukraine-Ankunftszentrum in
       Tegel sind unterdessen wohl aber ohnehin erst einmal vom Tisch. „Ein
       Konzert mit dem genannten Kulturverein wird dort nicht stattfinden“, teilt
       Monika Hebbinghaus vom Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten mit. Die
       Betriebsleitung des Deutschen Roten Kreuzes, das das Zentrum betreibt, habe
       das Engagement von Gauks' Verein abgelehnt.
       
       5 Mar 2024
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [6] https://www.facebook.com/drfberlin
 (DIR) [7] https://georg-kloster.de/de/monastyr/istoriya-monastyrya/
       
       ## AUTOREN
       
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       Mit der Trennung von Senats- und Parteiarbeit soll er es nicht so genau
       nehmen.