# taz.de -- Die Kunst der Woche: Was die U6 uns anspült
       
       > Kunst an der Endstation: Auf dem U-Bahnhof Alt-Mariendorf hat mit „Halt
       > 21/7“ ein neuer Projektraum eröffnet. Das hätte auch Sokrates gefallen.
       
 (IMG) Bild: Das Warten hat ein Ende an der U6: Die Ausstellung „Vorbei Schauen“
       
       Einundzwanzig mal sieben. Das sind 7 x 21 Stunden pro Woche, an denen am
       U-Bahnhof Alt-Mariendorf die U6 fährt. Und an denen man dort nun Kunst
       gucken kann. Ende Januar hing hier bereits der „Moderator“ in der
       Schaufenstervitrine, ein dramatische Falten werfender Vorhang, der nur
       bedeuten konnte, dass hier bald etwas losgeht.
       
       Zur zweiten Ausstellung „Vorbei Schauen“, die den [1][Projektraum „Halt
       21/7“] jetzt offiziell eröffnet hat, hat das kuratorische Team aus Anna
       Koppmann, Helene Peters, Max Bilger und Tiziana Krüger nun 21 Positionen
       eingeladen, auf dem in kräftigem Lila unterlegten Platz hinter der Scheibe
       zusammenzukommen. Tatsächlich kommen die Arbeiten miteinander ins Gespräch.
       Die Idee, sich bei der Auswahl der Arbeiten von Paul Valérys „Eupalinos
       oder der Architekt“ inspirieren zu lassen, ging also auf. Valéry lässt
       Sokrates und Phaidros im Totenreich über Natur, Idee und Form sprechen.
       
       Die Pappmachéskulptur „Apotropäische Gesichter oder beste Freunde“ von
       Laurent Pellissier thront hier als Doppelgesicht, das mit sich selbst im
       Zwiegespräch ist, auf ihrem Sockel. Oder besser: auf ihrer Säule, denn
       diese ist selbst eine Skulptur. So freundlich, aber bestimmt lässt sich der
       böse Blick abwehren.
       
       Und wo Sokrates am Meer ein Gebilde vor die Füße schwappt, bei dem er sich
       nicht sicher ist, ob es natur- oder menschengemacht ist, scheint hier
       stattdessen die U-Bahn mit ihren Tunneln und Konstruktionen allerlei
       angespült zu haben. Eines der Poster zu den [2][„Tracks in a Box“]-Touren
       von 2019, bei denen Künstler:innen zu Stadtwalks einluden, schleicht
       sich hier unmittelbar ins Gedächtnis: Die Meeresfluten schossen auf dem
       Bild nur so durch den U-Bahnhof Hermannplatz und trotzdem erschien es auf
       eine Art sanft, wie sie den abgebildeten U-Bahnwaggon mit sich trugen.
       
       Auf dem Bahnsteig Alt-Mariendorf sind heute zwei Wandarbeiten aus Metall
       von Tobias Groot zu sehen, auf denen sich Prozesse der Korrosion ihre Wege
       bahnen. Links ganz zart und subtil, rechts in vollem Schwung in alle
       Richtungen.
       
       Ein Pilz von Aline Schwörer wächst hier ebenfalls die Wand hoch, dahinter
       lässt Helene Peters ihre vier „Bodies of Ansence“ an Haken vor der Wand
       balancieren. Zu ihrem umsichtig gesammeltes Fundgut zählen drei kleine
       Figuren, aber euch ein Stück Material, das sich nicht so einfach
       identifizieren lässt.
       
       Passend zu Sokrates’ Überlegungen, ob es sich bei dem dem Meer
       entsprungenen Objekt, das er in den Händen hält, nun um ein Kunstwerk,
       einen Tierpanzer oder ein Stück Marmorgestein handelt, halten auch die
       Werkangaben zur Ausstellung die Frage des Materials offen.
       
       Bei Peters nimmt das Vierte im Bunde nun scheinbar die Form einer
       Heuschrecke mit weit ausgebreiteten Ärmchen an. Ähnlich organisch
       schnörkelt sich Annalena Machs Gebilde aus Leder scheinbar um sich selbst,
       wie sie hier im Kontrapost lässig auf ihrem Platz steht. Die Nähte
       sichtbar, die Ruhe weg.
       
       Einfach nur zum Verlieben ist schließlich Anaïs Edelys Blob, der sich
       rechts am Boden über einen kleinen Holzklotz schmiegt und ein Bein baumeln
       lässt.
       
       Und damit seien nur einige der gezeigten Arbeiten genannt. Die
       Ausstellungen im „Halt 21/7“ eröffnen in der Regel an einem Montag im Monat
       und laufen immer drei Wochen lang. Da ist sie also wieder, die magische 21.
       
       21 Mar 2024
       
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