# taz.de -- Ukraine unter russischem Dauerbeschuss: Schwere Angriffe auf Energiesystem
       
       > Russland greift Kraftwerke der Ukraine an. Die Ukraine attackiert
       > Infrastruktur auf der Krim. Eine Beteiligung am Anschlag in Moskau weist
       > sie zurück.
       
 (IMG) Bild: Am Freitag erlebte die Ukraine die schlimmsten russischen Angriffe auf die Energieversorgung seit dem 24. Februar 2022. In Charkiw gingen 21 Raketen auf die kritische Infrastruktur der Region nieder
       
       Wer hat den [1][Terroranschlag auf die Konzerthalle am Freitag in Moskau]
       verübt? Bekannt dazu hat sich die Terrororganisation Islamischer Staat
       (IS). Terrorexperten halten den afghanischen Zweig ISPK für verantwortlich.
       [2][Russland hingegen zeigt auf die Ukraine], und dort wiederum ist man
       überzeugt, das Putin-Regime selbst sei in das Attentat verwickelt – gerade
       um die Ukraine verantwortlich machen und den Anschlag als Vorwand für eine
       neue Mobilisierung für den Krieg in der Ukraine nutzen zu können.
       
       Bereits zuvor hatte Russland die seit Monaten schwersten Raketenangriffe
       auf die ukrainische Energieversorgung gefahren. Die gingen auch am
       Wochenende weiter, und in der Nacht zum Sonntag griff Russland mit 28
       Drohnen und 29 Marschflugkörpern erneut an. Hauptziel waren Energieanlagen
       in der Oblast Lwiw im Westen der Ukraine. 18 der 29 Raketen sowie 25 der 28
       Drohnen konnte das ukrainische Militär nach eigenen Angaben abschießen.
       Allein über Kyjiw und in der Umgebung der Hauptstadt sei es gelungen, etwa
       ein Dutzend Raketen abzufangen. Dennoch habe es am frühen Morgen mehrere
       Explosionen in Kyjiw gegeben. Die Schäden seien aber gering ausgefallen,
       teilt die Militärverwaltung Kyjiws mit.
       
       Eine der russischen Raketen war nach Auskunft Polens zudem für 39 Sekunden
       in den polnischen Luftraum eingedrungen. Die polnischen Streitkräfte
       mobilisierten daraufhin ihre Flugzeugflotte. Das Außenministerium erklärte,
       den russischen Botschafter einbestellen zu wollen, der sich dazu erklären
       müsse.
       
       ## Schwere Angriffe nach langer Pause
       
       Die Raketenangriffe auf die Ukraine begannen nach einer langen Pause [3][am
       Donnerstag]. Hauptziel war die Hauptstadt Kyjiw. Nach ukrainischen Angaben
       wurden alle 31 Marschflugkörper abgeschossen. Trümmerteile beschädigten
       jedoch mehrere Dutzend Häuser und verletzten 13 Menschen. Rund 30.000
       Einwohner*innen suchten während des Angriffs Schutz in den
       U-Bahn-Stationen.
       
       Eine von ihnen war die Washington-Post-Fotografin Oksana Parafenyuk.
       [4][Auf Twitter/X veröffentlichte sie ein Foto], auf dem ihr Mann um 4 Uhr
       morgens auf dem Boden einer U-Bahn-Station sitzt – mit Mütze, dicker Jacke
       und Schlafsack. Neben ihm steht ein Kinderwagen, in dem ihr kleiner Sohn
       schläft. Parafenyuk betitelte das Foto ironisch: „Und das sind mein Mann
       und mein kleiner Sohn, die einen schönen Donnerstagmorgen in unseren warmen
       Betten genießen.“
       
       Die Menschenrechtsaktivistin und Nobelpreisträgerin Oleksandra
       Matwijtschuk, die ebenfalls in der überfüllten U-Bahn Schutz suchte,
       kommentierte: „Ich weiß nicht, wie ich nach einer solchen Nacht den ganzen
       Tag durchhalten und auf verschiedenen Veranstaltungen sprechen soll. Aber
       ich weiß, dass ich und andere Menschen in Kyjiw es schaffen werden.“
       
       Längst haben die Ukrainer*innen ihren Alltag auf regelmäßige
       Raketenangriffe eingestellt. Auch nach einer schlaflosen Nacht gehen sie
       morgens zur Arbeit, bringen ihre Kinder in Kindergärten und Schulen, Cafés
       und Geschäfte öffnen, und die Stadtverwaltung beseitigt schnell die
       sichtbaren Folgen der Angriffe. Die Routine hilft dabei, eine gewisse
       Normalität und Kontrolle zu behalten.
       
       ## Über eine Million Menschen ohne Strom
       
       In der Nacht auf Freitag gingen erneut Raketen auf die Ukraine nieder. 63
       Drohnen und 88 Raketen wurden registriert. Der ukrainischen Luftabwehr
       gelang es nach eigenen Angaben, 92 dieser Flugobjekte abzuschießen. Dennoch
       wurden Treffer in zehn Regionen in allen Landesteilen registriert.
       Hauptziel waren Wasser- und Wärmekraftwerke. Laut Wolodymyr Kudrytskyj,
       Leiter des Energieversorgers Ukrenergo, waren die Angriffe auf das
       Energiesystem noch schwerwiegender [5][als die im vergangenen Winter].
       Dutzende von Hauptnetzeinrichtungen wurden demnach beschädigt, über eine
       Million Menschen blieben ohne Strom.
       
       Auch der [6][Damm des Dnipro-Wasserkraftwerks], des größten der Ukraine,
       wurde schwer beschädigt. Es versorgt das unter russischer Besetzung
       stehende Atomkraftwerk Saporischschja mit Wasser. Trotz mehrerer
       Volltreffer hielt der Staudamm zunächst stand. Im Ort Saporischschja schlug
       eine russische Rakete in einem Wohngebiet ein und zerstörte mehrere Dutzend
       Häuser vollständig. Mindestens drei Menschen wurden getötet, darunter ein
       achtjähriges Kind.
       
       In Charkiw, der zweitgrößten Stadt der Ukraine, waren die Menschen mehr als
       24 Stunden ohne Strom, Wasser, Heizung und Kommunikation. Die U-Bahn fuhr
       nicht, das Luftschutzwarnsystem funktionierte nicht mehr, und die
       Straßenbeleuchtung fiel aus. Laut dem Gouverneur der Oblast Charkiw, Oleh
       Sinehubow, feuerte Russland 21 Raketen auf die kritische Infrastruktur der
       Region ab. Es sei unmöglich, einen genauen Zeitrahmen für die
       Wiederherstellung zu nennen.
       
       „Die Straßen von Charkiw sind erfüllt vom Brummen der Generatoren. Ich habe
       mich morgens im Licht der Taschenlampe geschminkt, Kaffee getrunken und
       gehe jetzt zur Therapie. Die Russen haben unsere Infrastruktur zerstört,
       aber nicht unsere Kraft und unseren Geist“, schrieb die Aktivistin Iryna
       Voichuk.
       
       Das Institute for the Study of War vermutet, die Angriffe zielten darauf
       ab, die ukrainische Rüstungsindustrie zu beschädigen. Gleichzeitig
       könnten die russischen Streitkräfte das Fehlen von Luftabwehrraketen auf
       ukrainischer Seite ausnutzen, um erneut das Energiesystem der Ukraine
       anzugreifen.
       
       ## Kritik an Verbündeten
       
       Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte in einer Videobotschaft mehr
       Luftabwehrsysteme – und kritisierte das Zögern mancher Verbündeter. „Der
       russische Terror ist nur deshalb möglich, weil wir nicht über genügend
       moderne Luftabwehrsysteme verfügen, das heißt, um ehrlich zu sein, es fehlt
       der politische Wille, sie bereitzustellen.“
       
       In der Nacht zu Sonntag gelang dem ukrainischen Militär nach eigenen
       Angaben ein Erfolg: Bei Angriffen auf die von Russland annektierte
       Halbinsel Krim traf sie demnach zwei große russische Landungsschiffe, ein
       Kommunikationszentrum und andere von der Schwarzmeerflotte genutzte
       Infrastruktur.
       
       Für die russischen Behauptungen, die Ukraine sei in den Terroranschlag in
       Moskau verwickelt, gibt es US-Vizepräsidentin Kamala Harris zufolge
       „keinerlei Beweise“. Auch sie geht davon aus, dass der ISPK verantwortlich
       sei.
       
       24 Mar 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /IS-Terrorattentat-von-Moskau/!5999858
 (DIR) [2] /Terror-in-Konzerthalle-in-Russland/!5999861
 (DIR) [3] /-Nachrichten-im-Ukraine-Krieg-/!5999612
 (DIR) [4] https://twitter.com/Oks_Parafeniuk/status/1770658291846144386
 (DIR) [5] /Krieg-in-der-Ukraine/!5972813
 (DIR) [6] /Nach-der-Zerstoerung-des-Staudamms/!5938879
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anastasia Magasowa
       
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