# taz.de -- Batteriewerk in Norddeutschland: Fabrik in Dithmarschen-Tempo
       
       > Der Bau der Northvolt-Fabrik in Schleswig-Holstein startet: Der Kanzler
       > lobt das Tempo, vor Ort gibt es Sorge um Natur und Infrastruktur.
       
 (IMG) Bild: Die Menschen machen sich Sorgen, wie das Werk die Region verändern wird
       
       NORDERWÖHRDEN taz | Olaf Scholz warf am weitesten. Der Bundeskanzler,
       Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Ministerpräsident Daniel Günther
       (CDU) und Northvolt-Chef Peter Carlsson ließen am Montag die Kugeln rollen:
       Mit einer Runde des Regionalsports Boßeln und einem symbolischen Knopfdruck
       startete am Montag der Bau einer [1][Fabrik für E-Auto-Batterien in der
       Nähe von Heide in Schleswig-Holstein].
       
       Wo jetzt noch Gräben und grüne Marschwiesen zu sehen sind, sollen auf einer
       Fläche von 110 Hektar Batterien für eine Million E-Autos pro Jahr
       hergestellt werden. Die Investitionssumme liegt bei rund 5 Milliarden Euro.
       Die Produktion soll 2026 starten, den Vollbetrieb erwartet das schwedische
       Unternehmen Northvolt für seine dritte Fabrik im Jahr 2029.
       
       Von „Dithmarschen-Geschwindigkeit“ sprach Olaf Scholz in Anlehnung an den
       von ihm geprägten Begriff des „Deutschland-Tempos“. Die Menschen in der
       Region würden „nicht schnacken, sondern einfach machen“. Es sei
       beeindruckend, wie die Region und vor allem die zwei kleinen Gemeinden
       Lohe-Rickelshof und Norderwöhrden, auf deren Grund die Fabrik stehen soll,
       die Planungen hinbekommen hätten.
       
       Bis auf die Treckerdemo am Starttag gab es bisher kaum Proteste gegen die
       Ansiedlung. Dennoch machen sich die Menschen Sorgen, wie das Werk die
       Region verändern wird. Als im [2][Januar die Gemeindevertretung von
       Norderwöhrden] als letzte Instanz nach Land, Bund und EU über den Bau
       abstimmte, fiel das Ergebnis mit vier Ja- und drei Nein-Stimmen knapp aus.
       Das gebe die Stimmung im Ort wieder, sagte eine Gemeindevertreterin der
       taz.
       
       ## Wohnungen für 3.000 Beschäftigte?
       
       Unklar ist etwa, wo die 3.000 Beschäftigten und ihre Familien leben sollen,
       ob Schul- und Kita-Plätze ausreichen. Andreas Breitner, Direktor des
       Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen, forderte Landes- wie
       Bundesregierung auf, die Region beim Wohnungsbau nicht allein zu lassen.
       „Ich habe bislang nicht den Eindruck, dass den politisch Verantwortlichen
       die Dimension der Herausforderung klar ist“, sagte Breitner. Auch die
       Verkehrsinfrastruktur ist noch nicht gerüstet: „Northvolt plant bei voller
       Produktion täglich mit bis zu zwölf schweren Güterzügen“, sagt Stefan
       Seidler, der für die Minderheitenpartei SSW im Bundestag sitzt. „Für diese
       Züge muss Platz auf den Schienen sein.“
       
       Auch Northvolt-Chef Carlson betonte, dass die Infrastruktur parallel
       wachsen müsse, damit das Projekt ein Erfolg werde. Der Standort liege aber
       am „perfekten Punkt“: Nirgendwo in Deutschland gebe es so einen Überfluss
       an Windenergie. Denn Batterieproduktion ist energieaufwendig: Für die
       Herstellung einer Batterie mit einer Kilowattstunde Leistung braucht es
       rund das 60-fache an Strom. Denkbar sind nach Worten eines
       Northvolt-Mitarbeiters direkte Kooperationen mit umliegenden Windparks. Was
       fehlt, sind Fachkräfte. Carlson rief alle Schleswig-Holsteiner:innen auf,
       die der Karriere wegen weggezogen seien, „bitte, bitte“ zurückzukehren.
       Auch alle andere Menschen seien willkommen: „Wir wollen Diversität.“
       
       Für Schleswig-Holstein stellt die Fabrik des 2016 gegründeten Unternehmens
       einen großen Schritt auf dem Weg zum „ersten klimaneutralen Industrieland“
       dar – ein Ziel der Regierung Günther. Um Northvolt willkommen zu heißen,
       erhält die Firma 137 Millionen Euro Landesmittel. Weiteres Geld kommt vom
       Bund: Als „Wichtiges Projekt in europäischem Interesse“ gab es bereits im
       Mai 2022 eine erste Förderzusage über 155 Millionen Euro. Inzwischen wurde
       die Summe auf 700 Millionen Euro aufgestockt, um zu verhindern, dass die
       Schweden den Bau in die USA verlagern, wo die Regierung von Joe Biden mit
       viel Geld „grüne“ Industrieprojekte anlockt.
       
       Als dritte Fördersäule zeichneten Bund und Land eine Wandelanleihe des
       Northvolt-Mutterkonzerns in Höhe von 600 Millionen Euro. Einer der Gründe
       für die Förderung, die einigen [3][Ökonomen als zu üppig] erscheint: Die
       hiesige Autoindustrie wird mit Northvolt unabhängiger von Batterien aus
       Asien.
       
       ## „Grünste Autobatterie-Fabrik der ganzen Welt“
       
       Neben der Finanzierung waren auch praktische Fragen umstritten; Weil ein
       Landwirt nicht verkaufen wollte, musste das Fabrikgelände um 50 Hektar
       schrumpfen. Um Streit über den übermäßigen Verbrauch von Grundwasser zu
       vermeiden, wie es ihn beim [4][Tesla-Werk in Brandenburg] gibt, will
       Northvolt aufbereitetes Brauchwasser zur Kühlung verwenden. Entstehende
       Abwärme der Fabrik soll genutzt werden, um Gebäude in der Kreisstadt Heide
       zu heizen. Das Werk werde „die grünste Autobatterie-Fabrik der ganzen
       Welt“, schwärmte Ministerpräsident Günther.
       
       Dennoch hat der BUND Schleswig-Holstein, der die Pläne ursprünglich
       wohlwollend begleitet hatte, inzwischen „massive Bedenken gegen das
       vorgesehene [5][wasserrechtliche Genehmigungsverfahren]“, heißt es in einer
       Stellungnahme. Die Pläne seien intransparent, die Folgen des Eingriffs
       nicht ausreichend untersucht. Klar ist bereits, dass unter der Fabrik der
       Lebensraum geschützter Moorfrösche verschwindet, die Tiere wurden bereits
       umgesiedelt. Auch archäologische Spuren menschlicher Siedlungen werden
       verschüttet. Um sie zumindest zu dokumentieren, arbeitet gerade ein
       archäologisches Team unter Hochdruck.
       
       25 Mar 2024
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [5] https://www.bund-dithmarschen.de/fileadmin/dithmarschen/Dokumente/Papiere_Northvolt/2024-01-18_STN-BUND-Wasserrechtl-Plangenehmigung-Northvolt.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Esther Geißlinger
       
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