# taz.de -- Attacken auf Politiker:innen: Wo Grüne Freiwild werden
       
       > Politiker:innen der Grünen werden öfter angegriffen als die anderer
       > Parteien. Dafür sind nicht nur rechtsextreme Publikationen
       > verantwortlich.
       
 (IMG) Bild: Schlüttsiel: Bauern hindern Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Verlassen einer Inselfähre
       
       Der Vorfall reiht sich ein in eine Kette von Angriffen auf grüne
       Parteimitglieder und Veranstaltungen: Am vergangenen Donnerstag griffen
       zwei Männer Béla Mokrys, Mitglied des Hannoverschen Bezirksrats Mitte, an.
       Während einer Informationsveranstaltung der grünen Stadtteilgruppe Mitte
       blieben zwei Männer am Stand stehen, beleidigten die ehrenamtlichen
       Mitglieder und filmten sie mit ihren Handys, obwohl sie aufgefordert
       wurden, dies zu unterlassen und die Aufnahmen zu löschen. Béla Mokrys
       kontaktierte daraufhin die Polizei.
       
       Später kam es dann laut Mokrys zu einem Angriff der beiden Männer auf ihn
       in einem nahe gelegenen Supermarkt, wo sie ihn zu Boden warfen. Die Polizei
       nahm die Personalien der Täter auf; der Staatsschutz ermittelt.
       
       Die Grünen erleben in jüngster Zeit immer wieder Angriffe – nicht nur im
       Osten Deutschlands. Laut Bundeskriminalamt gab es 2023 in Deutschland 1.219
       Angriffe auf Repräsentant:innen der Partei.
       
       In Lübeck mussten Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und
       Landesspitzenkandidatin [1][Monika Heinold während des Landtagswahlkampfs
       2022 eine Veranstaltung absagen, weil mit einem Buttersäureanschlag gedroht
       worden war]. In den Tagen zuvor hatten Querdenker:innen und
       Coronaleugner:innen auf Telegram-Kanälen Anschläge auf grüne
       Wahlkampfveranstaltungen vorgeschlagen.
       
       ## Landwirte blockieren Habeck
       
       Anfang Januar [2][hinderten Landwirte am Fähranleger in Schlüttsiel
       Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck daran, nach einem privaten Urlaub
       die Fähre zu verlassen]. Zuvor hatten rechte Landwirte in Telegram-Kanälen
       mobilisiert.
       
       Auch im baden-württembergischen Amtzell kam es zu einer Grenzüberschreitung
       ins Private: Ein Kandidat der Grünen für die Kommunalwahl wurde vor seinem
       Haus von einem Mann beschimpft und angegriffen, als er ihn bat, das
       Grundstück zu verlassen. Der Kandidat erlitt Gesichtsschwellungen.
       
       Nach dem jüngsten Angriff in Hannover verweist der grüne Stadtverband auf
       Daten des Bundesinnenministeriums, die zeigen, dass die Partei am stärksten
       gefährdet ist: Im Jahr 2023 wurden 1.219 Angriffe auf grüne
       Repräsentant:innen registriert, mit 224 Angriffen auf
       Abgeordnetenbüros oder Geschäftsstellen waren die Grünen die am häufigsten
       betroffene Partei.
       
       Der grüne Stadtverband erklärt in einer Pressemitteilung, dass es
       bedauerlich sei, dass „Beschimpfungen an Infoständen keine ungewöhnliche
       Situation sind“, aber die „Ausübung physischer Gewalt“ sei „keineswegs
       akzeptabel“. Viele Mitglieder befürchteten seit Langem Konfrontationen mit
       gewaltbereiten Personen während des Europawahlkampfs – obwohl sie sich im
       Vorfeld auf den Umgang mit Beleidigungen vorbereiten und trotz der
       Unterstützung durch Sicherheitsbehörden.
       
       In den Landtagswahlkämpfen im Osten Deutschlands dürfte die Situation noch
       dramatischer sein. „Die zunehmende Gewalt gegen grüne Mitglieder und
       Engagierte ist ein Angriff auf unsere Demokratie und unsere Werte“, sagt
       Claudia Görtzen, die Co-Vorsitzende des grünen Stadtverbandes. „Wir dürfen
       nicht zulassen, dass politische Auseinandersetzungen in physische Gewalt
       umschlagen.“
       
       Diese Gewalt geht weder allein von r[3][echtsextremen Publikationen] wie
       Compact oder Zuerst aus, die gegen die Grünen hetzen, noch allein von der
       AfD, für die die Grünen der Hauptfeind sind. Verantwortlich sind auch
       Politiker:innen und Kommentator:innen, die die Grünen als
       „Verbotspartei“, „Gutmenschen“ oder „ideologisch getrieben“ bezeichnen oder
       behaupten, sie gehörten nicht zur „DNA“ eines Bundeslandes.
       
       Auch wenn die Partei zu dieser Wahrnehmung beigetragen hat – dass die
       Grünen zur Zielscheibe für jeglichen [4][Frust oder jede Enttäuschung über
       die Politik] geworden sind, ist inakzeptabel. Es ist an der Zeit, dass die
       Koalitionspartner in der Bundesregierung Verantwortung übernehmen, wenn die
       Kritik fehlgeht.
       
       1 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Zwischenfall-im-Gruenen-Wahlkampf/!5847572
 (DIR) [2] /Recherche-zur-Faehraffaere/!5986300
 (DIR) [3] /Ludwig-und-Press--Book-kicken-Compact/!5987446
 (DIR) [4] https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/politiklexikon/296468/politikverdrossenheit/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Speit
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Kolumne Der rechte Rand
 (DIR) Grüne
 (DIR) Bündnis 90/Die Grünen
 (DIR) Robert Habeck
 (DIR) Politikverdrossenheit
 (DIR) Rechte Gewalt
 (DIR) Bündnis 90/Die Grünen
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Ampel-Koalition
 (DIR) Alternative für Deutschland (AfD)
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Grüne in Bayern: Die Stadt-Land-Kluft
       
       In Städten sind die Grünen erfolgreich, auf dem Land immer weniger. Das
       zeigt sich besonders in Bayern. Die dortige neue Grünenchefin will das
       ändern.
       
 (DIR) Batteriewerk in Norddeutschland: Fabrik in Dithmarschen-Tempo
       
       Der Bau der Northvolt-Fabrik in Schleswig-Holstein startet: Der Kanzler
       lobt das Tempo, vor Ort gibt es Sorge um Natur und Infrastruktur.
       
 (DIR) Landesminister Bayaz über Hass auf Grüne: „Einstehen für Demokratie“
       
       Danyal Bayaz ist grüner Finanzminister in Baden-Württemberg. Wie nimmt er
       die aggressive Stimmung gegenüber den Grünen wahr und was sagt er zur
       Ampel?
       
 (DIR) Hass auf Grünen-Politiker*innen: Wer tut sich das noch an?
       
       Der Rechtsruck schreckt Grünen-Mitglieder davon ab, zu Kommunalwahlen
       anzutreten. Unerwartet füllen sich jetzt viele Listen aber doch.