# taz.de -- Bund will Schienenverkehr-Geld kürzen: Aufschrei im Norden
       
       > Der Bund plant Kürzungen im regionalen Schienenverkehr. Kritik kommt aus
       > Schleswig-Holstein von der dortigen Landesregierung und der Opposition.
       
 (IMG) Bild: Wuchert das Unkraut bald auch auf Gleisen in Schleswig-Holstein, wenn der Zugverkehr reduziert wird?
       
       HAMBURG taz | Müssen die Menschen in Schleswig-Holstein bald auf Fahrten im
       Regionalverkehr verzichten? „Jede zehnte Bahnfahrt könnte wegfallen“, hatte
       der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag (SHZ) am Dienstag getitelt. So
       plant Landesverkehrsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) dieses und nächstes
       Jahr, jeweils fünf Prozent des Schienenverkehrs im Land einzusparen.
       
       Wie weit die Kürzungen wirklich gehen könnten, ist im Moment noch unklar.
       Fest steht aber, dass in Schleswig-Holstein zu wenig Geld da ist, um den
       [1][Nahverkehr auf der Schiene in seiner jetzigen Form] aufrechtzuerhalten.
       Madsen denkt deshalb laut über Kürzungen im regionalen Zugverkehr nach.
       
       Grund dafür sind laut seines Verkehrsministeriums fehlende Gelder vom Bund.
       In diesem Jahr hat Schleswig-Holstein rund 320 Millionen Euro an
       [2][sogenannten Regionalisierungsmitteln] vom Bund erhalten. Und während in
       den vergangenen Jahren diese zwar erhöht worden seien, so Karen Sieksmeyer,
       eine Sprecherin des Verkehrsministeriums, will der Bund diese Mittel nun
       aber offenbar kürzen.
       
       Im Raum stehen 350 Millionen Euro, die im Bundeshaushalt gekürzt werden
       sollen. Das würde für Schleswig-Holstein bedeuten: Es fehlen dann zehn
       Millionen Euro. Laut Sieksmeyer ein „völlig falsches Signal“.
       
       Ohnehin fehlen dem Land nach eigenen Angaben sogar deutlich mehr. Rund 50
       Millionen Euro zu wenig sind es laut Madsen, um den
       Schienenpersonennahverkehr in seiner jetzigen Form aufrechtzuerhalten, da
       mit anhaltenden Preissteigerungen gerechnet wird.
       
       ## Takt könnte verlangsamt werden
       
       Der ÖPNV und damit auch der sogenannte Schienenpersonennahverkehr (SPNV)
       sind seit Mitte der 90er-Jahre in der Verantwortung der Länder. Allerdings,
       so Sieksmeyer, sind die Länder nur für das operative Geschäft, also die
       Verträge mit den Verkehrsunternehmen zuständig. Die finanzielle
       Verantwortung liege beim Bund, so Sieksmeyer. Der Bundesverband
       Schienennahverkehr bestätigt das.
       
       Dass aufgrund der Finanzierungslücke jeder zehnte Zug gestrichen werden
       wird, „stimmt so nicht“, sagt Sieksmeyer. Aber: „Wir müssen über
       Abbestellungen nachdenken.“ Das Land ist an Verträge mit den
       Verkehrsunternehmen gebunden und kann laut diesen nur maximal jene fünf
       Prozent der Züge pro Jahr abbestellen, von denen auch der SHZ schreibt. Das
       Land überlegt, laut Sieksmeyer, beispielsweise [3][Zugtakte von 20 auf 30
       Minuten zu verlangsamen] oder Züge zu den Randzeiten des Fahrplans zu
       streichen. Erste Änderungen könnte es bereits zum Fahrplanwechsel im
       Dezember geben.
       
       Während das Land die Kritik an den Bund richtet, kommt aus der Opposition
       auch Kritik am Landesminister: „Was der Verkehrsminister hier plant, ist
       nichts weniger als [4][ein Sargnagel für die Verkehrswende]“, sagt Sybilla
       Nitsch, die verkehrspolitische Sprecherin der SSW-Landtagsfraktion. Sie
       fordert, dass das Land seinen Eigenanteil erhöht, um den Schienenverkehr
       weiter aufrechtzuerhalten. „[5][Gerade in den ländlichen Räumen], auch in
       der Fläche, muss das Angebot so attraktiv wie möglich gehalten werden, weil
       die Menschen sonst auf das Auto umsteigen“, sagt Nitsch.
       
       ## Auch Busverkehr betroffen
       
       Etwas mehr Verständnis für die finanziellen Nöte von Madsen hat Karl-Peter
       Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn. Er sieht vor allem den Bund in der
       Pflicht, die nötigen Mittel für den Schienenverkehr aufzubringen.
       
       Paul Hemkentokrax fürchtet, dass weniger Züge auch Auswirkungen auf den
       Busverkehr haben könnten. Der Geschäftsführer des privaten Busunternehmens
       Aktiv Bus Flensburg zeigt sich im Gespräch mit der taz „zutiefst geschockt
       und verärgert“. Denn wenn abends kein Zug mehr fährt, dann sei das ein
       Grund für die Kommunen, auch die Busse, die viele kleine Bahnhöfe in der
       Fläche anfahren, abzubestellen. Aber „andere Leute nutzen den Bus auch“,
       sagt Hemkentokrax.
       
       Die Diskussion steht auch im Kontext der Verkehrsministerkonferenz, die
       nächste Woche in Münster stattfinden soll. Eine Anfrage der taz danach, wie
       weit die Kürzungspläne im Moment gediehen sind, ließ das
       Bundesverkehrsministerium bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
       
       12 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Bahnverkehr-in-Schleswig-Holstein/!5603884
 (DIR) [2] https://www.allianz-pro-schiene.de/glossar/regionalisierungsmittel/
 (DIR) [3] /Oeffentlicher-Nahverkehr/!5902267
 (DIR) [4] /Verkehrswende-fehlen-Fachkraefte/!5993322
 (DIR) [5] /Zugverbindungen-auf-dem-Land/!5791066
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Franziska Betz
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Das Milliardenloch
 (DIR) Schienenverkehr
 (DIR) Regionalverkehr
 (DIR) ÖPNV
 (DIR) Verkehrswende
 (DIR) Schleswig-Holstein
 (DIR) Verkehrswende
 (DIR) Schwerpunkt Stadtland
 (DIR) Bahnverkehr
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Reaktivierung von Bahnschienen: Alt, aber wieder spannend
       
       Stillgelegte Bahnstrecken wieder befahrbar zu machen, ist in immer mehr
       deutschen Regionen Thema. Tatsächlich reaktiviert werden aber nur wenige.
       
 (DIR) Die Barbarei des flachen Landes: Eine Zugfahrt, die ist lustig
       
       Bedroht zu werden ist nie schön. Aber es macht doch einen Unterschied, ob
       man nur kurz in der U-Bahn aneinander kracht – oder im gleichen Kaff wohnt.
       
 (DIR) Zugverbindungen auf dem Land: „Lieber jetzt starten als warten“
       
       Der Ausbau der Bahnverbindungen in Niedersachsen kommt zu langsam voran,
       sagt Verkehrsexperte Philipp Kosok. Es braucht viel mehr Geld.