# taz.de -- Tod von Vitali Novacov bei Einsatz: Fragen an Polizei bleiben offen
       
       > Vor einem Jahr starb der Moldauer Vitali Novacov nach einem
       > Polizeieinsatz in Königs Wusterhausen. Die Beamten wurden bis heute nicht
       > befragt.
       
 (IMG) Bild: Die Umstände, unter denen Vitali Novacov starb, sind bis heute nicht geklärt
       
       BERLIN taz | Ivan Novacov hat das Vertrauen in die deutschen Behörden
       verloren. Vor einem Jahr ist sein Bruder Vitali [1][nach einem
       Polizeieinsatz in Brandenburg gestorben], aber die Aufklärung geht nicht
       voran. Ivan Novacov lebt in Moldau, knapp 2.000 Kilometer entfernt von dem
       Ort, an dem sein Bruder am 12. April 2023 zu Tode kam. Er will endlich
       wissen, was passiert ist. „Niemand gibt uns Informationen“, erzählt er am
       Telefon. „Nicht einmal eine Entschuldigung haben wir erhalten, nichts. Wir
       werden einfach ignoriert.“
       
       Vitali Novacov war Ivans jüngerer Bruder. Seit Anfang 2023 lebte er in
       Königs Wusterhausen, einer Kleinstadt, etwa 30 Kilometer südlich von
       Berlin. Er war in den Ort gekommen, um zu arbeiten. Novacov war
       Bauarbeiter, er hat in Russland und Bulgarien gearbeitet, bevor er nach
       Deutschland kam.
       
       Am Abend des 11. April soll Novacov vor seinem Wohnhaus randaliert haben.
       Anwohner rufen die Polizei. Die nimmt den 45-Jährigen fest, zwei Anwohner
       helfen mit. Novacov wird in Bauchlage am Boden gefesselt. Weil er sich
       wehrt, drücken die Beamten ihn nieder und seinen Kopf in den Sand. So geht
       es aus den Ermittlungsakten hervor, die der taz in Auszügen vorliegen.
       
       Einer der Anwohner soll Novacov mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben,
       bis er zu bluten beginnt. Novacov verliert das Bewusstsein, sein Herz
       bleibt stehen. Ein Notarzt wird gerufen. Die Polizisten beginnen, Novacov
       zu reanimieren, schaffen es aber nicht. Dem Arzt gelingt es schließlich. Er
       bringt den Mann in ein Berliner Krankenhaus. Am nächsten Tag ist Vitali
       Novacov tot.
       
       ## Tendenziöse Ermittlungen?
       
       Dass der Fall überhaupt öffentlich wurde, lag auch an den [2][Recherchen
       der taz]. Die taz hatte im April 2023 über Ungereimtheiten berichtet, die
       rund um die Festnahme von Novacov aufgetaucht waren. So widersprachen sich
       die Aussagen von Polizei und Staatsanwaltschaft zu jener Nacht. Zudem hatte
       der Notarzt in seinem Einsatzprotokoll vermerkt, dass Vitali Novacov noch
       Handschellen anlagen, als die Polizei bereits versuchte, ihn zu
       reanimieren. Das wäre fatal, eine Reanimation kann so kaum gelingen. Die
       Polizei hatte behauptet, die Handschellen seien gelöst worden.
       
       Die Ärzte, die im Krankenhaus den Tod feststellten, hatten als Todesursache
       einen Sauerstoffmangel im Hirn vermerkt. Novacov ist erstickt, „durch
       gewaltsames zu Boden Drücken von Gesicht und Thorax in Bauchlage“. So steht
       es auf dem Leichenschauschein.
       
       Die Frage, [3][die seine Familie seitdem umtreibt], ist: Wer hat Schuld am
       Tod von Vitali? Ein offenbar gesunder Mann, 45 Jahre alt, Vater eines
       Teenagers. Die Familie von Vitali Novacov hat Anzeige erstattet. Erst
       daraufhin leitete die Staatsanwaltschaft Cottbus ein Ermittlungsverfahren
       wegen Totschlags ein. Sie ermittelt gegen die Polizisten und die Anwohner,
       die Novacov gemeinsam festgenommen haben sollen. Doch die Ermittlungen
       verlaufen schleppend.
       
       Auch ein Jahr später sind nach taz-Information nicht alle wichtigen Zeugen
       vernommen. Das bestätigt auch Julian Muckel vom Verein Opferperspektive
       Brandenburg, der die Familie Novacov berät. Die Staatsanwaltschaft habe bis
       heute keine der beteiligten Polizeibeamten vernommen. Die Beamten befänden
       sich weiter im Dienst, heißt es in einer Meldung der Opferperspektive zum
       ersten Todestag von Novacov.
       
       Gegenüber der taz äußert sich die Staatsanwaltschaft Cottbus nicht. Diese
       Erfahrung macht auch der Anwalt der Familie von Novacov, Falko Drescher. Im
       August hatte er die Generalstaatsanwaltschaft Brandenburg gebeten, den Fall
       zu übernehmen. Die Ermittlungen der Polizei seien „tendenziös und
       unbrauchbar“, bei der Staatsanwaltschaft sei kein Aufklärungsinteresse zu
       erkennen, eine weitere Verdunklung müsse verhindert werden, schrieb er in
       einer Fachaufsichtsbeschwerde. Die Generalstaatsanwaltschaft lehnte seine
       Bitte ab.
       
       Für die Familie von Vitali Novacov ist das Schweigen der Behörden kaum
       auszuhalten. Sein Vater, erzählt Ivan Novacov, der Bruder des Toten, sei
       über die ganze Geschichte herzkrank geworden. Er frage ihn immer wieder,
       was es Neues aus Deutschland gibt. Ivan sagt, er halte es kaum aus, ihm
       nichts sagen zu können.
       
       12 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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