# taz.de -- Experte über Wölfe in Sachsen-Anhalt: „Zecken sind gefährlicher“
       
       > In Halle an der Saale war für mehrere Stunden ein Wolf unterwegs. Wie das
       > Tier dahin kam, erklärt Andreas Berbig, Leiter des
       > Wolfskompetenzzentrums.
       
 (IMG) Bild: Wölfe sind nicht hinter Menschen her, aber man sollte sich ihnen auch nicht in den Weg stellen
       
       taz: Herr Andreas Berbig, vergangene Woche war mitten in der Stadt Halle
       ein Wolf unterwegs. Wissen Sie, wie der heißt? 
       
       Andreas Berbig: Nein, das wissen wir nicht. Bisher können wir nur anhand
       der Fotos sagen, dass es sich um einen Wolf gehandelt hat. Aber solange wir
       nicht irgendeine verwertbare DNA bekommen, können wir nicht sagen, wo der
       herkam.
       
       Das war das erste Mal, dass so ein Wolf in Halle unterwegs war, oder? 
       
       Nein, in Halle war das in der Vergangenheit schon einmal der Fall, aber
       auch in anderen Städten und Gemeinden wurden dem Wolfskompetenzzentrum
       schon solche Beobachtungen gemeldet. Und es dürfte noch weitere Fälle
       geben.
       
       Wie meinen Sie das? 
       
       Wir wissen, dass Wölfe in der Nacht bebaute Bereiche frequentieren. In den
       meisten Fällen sieht sie niemand und sie fallen nicht auf. Aber, dass ein
       Wolf sich so wie in Halle relativ lange durch die halbe Stadt bewegt, das
       hatten wir in so einer Großstadt noch nicht.
       
       Ist das denn gefährlich für Menschen, wenn Wölfe sich so in Orten bewegen? 
       
       Wir kriegen meistens durch Fotos und Filme dokumentiert und wir sehen in
       den meisten Fällen, dass sich diese Wölfe in der Situation nicht
       wohlfühlen. Sie sind da unbeabsichtigt und versuchen sich wieder der
       Situation zu entziehen. Das ist wie bei anderen Wildtieren auch. Die sind
       auf der Suche nach Nahrung oder zufällig in der Stadt. Die sind nicht
       hinter Menschen her, aber man sollte sich denen auch nicht in den Weg
       stellen.
       
       Aber wenn der Wolf im bebauten Gebiet ist, hat er doch offenbar keine Angst
       vor Menschen. Wäre es nicht doch besser, [1][den zur Sicherheit zu
       erschießen]? 
       
       Man sollte ihm möglichst die Gelegenheit geben, dass er sich von selbst
       wieder entfernen kann. Das tut er dann auch in aller Regel. Da sehe ich
       keinen Anlass, um einzugreifen. Aber wenn ein Wolf einen Menschen in
       irgendeiner Weise bedroht, dann müssen wir handeln. Aber das ist
       deutschlandweit bisher nicht aufgetreten.
       
       In Halle leben mehr als 200.000 Menschen. Wie geraten Wölfe denn in so
       große Städte? 
       
       Wie bei anderen Wildtieren auch, die gucken auch mal in Ortschaften, ob es
       da etwas zu fressen gibt. Und sie nutzen natürliche Leitlinien wie Flüsse.
       An denen laufen sie entlang. Wenn sich der Fluss durch eine Stadt zieht,
       dann führt er den Wolf auch da rein. In kleineren Dörfern gibts das auch.
       
       Wie haben die Menschen reagiert, die den Wolf in Halle gesehen haben? 
       
       Die meisten haben uns nur eine Info mit Foto geschickt. Diese waren
       überwiegend sehr sachlich: „Ich habe einen Wolf gesehen.“ Über Fotos und
       Videos, bei denen man die wesentlichen Merkmale erkennen kann, können wir
       dann selbst prüfen, ob es wirklich ein Wolf ist.
       
       Um das Jahr 2000 haben sich die ersten Wölfe wieder in der Lausitz
       angesiedelt. Laut der Bundesdokumentationsstelle gibt es mittlerweile
       wieder mindestens 1339 Wölfe, die in 254 Territorien in ganz Deutschland
       leben. In Sachsen-Anhalt sind es rund 200 Wölfe. Sind das viele? 
       
       Das kommt auf die Perspektive an. Erstmal zeigt das nur, dass der Naturraum
       und die Nahrungsverfügbarkeit so sind, dass sich Wölfe in der Dichte
       ansiedeln können. Aktuell ist da auch noch Platz für weitere Rudel. Aus
       Sicht der Tierhalter ist das natürlich anders.
       
       Allein in Sachsen-Anhalt töteten Wölfe vergangenes Jahr 246 Nutztiere, also
       etwa Kühen und Schafen. Wird das mehr, wenn sich der Wolf weiter
       ausbreitet? 
       
       Ja, das kann passieren, vor allem wenn der Herdenschutz in der Fläche noch
       nicht ausgebreitet ist, wie wir uns das vorstellen. Noch immer stehen zu
       viele ungeschützte Tiere dem Wolf zur Verfügung.
       
       Es sterben allerdings auch viele Wölfe bei Verkehrsunfällen. Vergangenes
       Jahr waren es 119 Fälle. 
       
       Ja, gerade wenn die Tiere noch jung sind und keine Erfahrung mit Straßen
       oder Eisenbahnlinien haben, kommt das vor.
       
       Wenn Wölfe und Menschen sich also immer wieder begegnen, wie jetzt in
       Halle, besteht da nicht die Gefahr, dass es doch zu [2][Übergriffen auf
       Menschen] kommt? 
       
       Ich kann das nicht ausschließen. Das kennt man ja auch von anderen Tieren.
       Jedes Jahr gibt es Unfälle mit Wildschweinen. Aber mal ganz nüchtern
       betrachtet: Die Zecke ist gefährlicher als der Wolf. Durch sie sterben
       Menschen, weil sie sich mit Krankheiten infizieren.
       
       Aber verstehen Sie, dass da eine besondere Angst vor dem Wolf da ist? 
       
       Ja klar. Ich weiß auch, dass ich mit den Argumenten die Ängste kaum
       bewältigen kann. Das ist bei Menschen eben so. Der eine hat mit dem Wolf
       gar keine Probleme und [3][der andere sagt: „Der Wolf ist ein gefährliches
       Raubtier!“] Den wird kaum überzeugen, dass damit aus unserer Sicht keine
       Probleme verbunden sind.
       
       5 Apr 2024
       
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